"Kaufen, beobachten oder verkaufen? Das sagt der Aktienklima-Indikator", lautete die Überschrift an dieser Stelle zu meiner letzten Analyse des allgemeinen Börsenklimas vor knapp vier Wochen. Damals war das Fazit, dass alle in meiner Untersuchung verwendeten Methoden aufzeigten, dass das damalige internationale Aktienklima als schlecht einzustufen war. Eine generelle Erholung konnte nicht ausgemacht werden. Anleger, die sich eher trendfolgend orientieren, sollten sich deshalb weiterhin zurückhalten und liquide bleiben, bis sie in einem besseren Umfeld mit einem günstigeren Chance/Risiko-Verhältnis wieder einsteigen können.
Seit dieser Einschätzung fielen die Kurse 50 internationaler Börsenindizes im Durchschnitt um 1,5 Prozent. Nachdem schon der Januar ein schwacher Börsenmonat gewesen war (weltweit minus 5,4%), schließt sich also der Februar dieser Entwicklung nahtlos an. Die deutschen Indizes sind von der allgemeinen Schwäche besonders betroffen. Der DAX verlor seit Ende Januar 4,8 Prozent, der TecDAX sogar 5,9 Prozent!
Bild 1: Aktienklima-Indikator über 3 Jahre
Der Aktienklima-Indikator zeigt uns, wo wir im Auf und Ab der Börsen stehen (Bild 1). Schon seit der zweiten Jahreshälfte 2015 bewegt sich der Indikator, der die Schwungkraft der 50 wichtigsten internationalen Börsenindizes misst, mehrheitlich unterhalb seines Schwellenwertes (1,0). Dies bedeutet nach der Interpretation dieses Modells, dass wir seither auch ein problematisches Klima für Aktien haben. Ein Lichtblick kommt von der Charttechnik. Der Indikator hat im letzten halben Jahr viermal die Marke von 0,9 Punkten getestet. Diese Marke hat viermal gehalten. Das könnte darauf hindeuten, dass der Aktienklima-Indikator auf diesem Niveau eine massive Unterstützung findet.
Aktuell befindet sich das Modell auf dem Niveau, das wir zum Zeitpunkt der letzten Analyse Ende Januar hatten (s. kleiner schwarzer horizontaler Pfeil). Vom jüngsten Rückgang der letzten Wochen haben sich also die Börsen schon wieder etwas erholt. Die signalgebende gleitende Durchschnittslinie (blau), die zuletzt Ende August vergangenen Jahres unter ihren Schwellenwert fiel und damit ein allgemeines Verkaufssignal für Aktien generierte (s. roter Abwärtspfeil), fällt jedoch nach wie vor und ist noch sehr weit von der Mittellinie entfernt. Ein erneutes Kaufsignal nach diesem Modell würde es selbst bei guter Börsenentwicklung erst in einigen Wochen geben.
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Bild 2: Kurz- u. mittelfristige Tendenzübersicht 24 ausgewählter Märkte
Abbildung 2 zeigt Ihnen die kurz- bis mittelfristige Tendenzübersicht in 24 ausgewählten Märkten. Diese Übersicht vermittelt uns ein gemischtes Bild. Das Verhältnis der roten und grünen Balken zueinander ist mit 12:11 relativ ausgeglichen. Auffallend ist die stark positive Tendenz bei Goldminen (84 von 100 Prozentpunkten). Das ist die Assetklasse, in der es zuletzt die größte Bewegung gab. Die jüngste Erholung beim Goldpreis übte einen sehr starken Einfluss auf die Entwicklung von Goldminen-Aktien aus. Davon profitieren natürlich auch klassische Rohstoff-Börsen wie Kanada und Australien (ASX 50-Index). So findet sich der TSX 60, der Börsenindex der Börse Toronto mit 23 von 100 Prozentpunkten an zweiter Stelle der gegenwärtigen Trendtendenz, gefolgt von den Aktien aus dem Dow Jones-Index (15%). Eher schlecht tendieren momentan japanische Aktien (minus 37%), US-Biotechnologie-Titel und Euro STOXX 50-Aktien (jeweils minus 16%).
Bild 3: Trendbarometer Internationale Indizes
Das Trendbarometer untersucht die einzelnen Tendenzen in den wichtigsten internationalen Indizes auf den drei zeitlichen Ebenen der kurz-, mittel- und langfristigen Betrachtungsweise (Bild 3). Die Skalierung vergibt nach unserem Schulnotensystem die entsprechende Bewertung für die Tendenz (1 = sehr bullish, 6 = sehr bearish). Dabei zeigt die aktuelle Grafik in diesem Barometer eine ähnliche Verteilung der Nadeln wie zuletzt Ende Januar. Auch damals hatten wir in der kurzfristigen Tendenz an den Börsen (= rote Nadel) einen als "gut" bis "befriedigend" zu bezeichnenden Trend (2,5). Dort liegen wir in etwa auch aktuell wieder (2,3). Weniger gut zeigen sich dagegen nach wie vor die Trends in der mittel- und langfristigen Betrachtungsweise (orangefarbene und blaue Nadel). Insgesamt reicht es derzeit nicht mehr als für ein "ausreichend" (4,0 - s. grüne Nadel).
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Bild 4: Verhältnis bullisher u. bearisher Indikatoren bei internationalen Indizes
Die Gegenüberstellung der positiven und negativen Indikatoren in den 50 wichtigsten internationalen Indizes bestätigt den inzwischen gewonnenen Eindruck (Bild 4). Während wir in den kurzfristigen Indikationen (links außen) in zwei der drei Balken einen Überhang der bullishen Kräfte ausmachen können, bleibt es im rechten Bereich in allen vier Balken (mittel- bis langfristig) bei einer förmlich erdrückenden Übermacht der bearishen Kräfte in den Indizes.
Bild 5: Änderung wöchentlich steigender und fallender Kurse 01/2015 - 02/2016
Die letzte Abbildung zeigt Ihnen das Verhältnis von weltweit steigenden zu weltweit fallenden Aktien auf wöchentlicher Basis seit Anfang 2015 (Bild 5). Sie soll Ihnen einen eher gelasseneren Eindruck über die allgemeine Börsentendenz vermitteln. Sehr schön ist dadurch zu erkennen, dass es die letzte größere Aufschwungsphase an den Börsen zuletzt im Frühjahr 2015 gab (blaue Linie oben). Diese ebbte dann in den Sommermonaten ab, bevor es dann im August und September richtig "zur Sache" ging. Bisher haben wir nach diesem Modell immer noch nicht den Dreh zu einem grundsätzlich besseren Aktienklima gefunden.
Fazit: Die hier vorgenommen Untersuchungen zeigen im Allgemeinen bisher nur eine Verbesserung in der kurzfristigen Tendenz an den Börsen. Dies konnte auch schon vor einem Monat festgestellt werden, ohne dass sich jedoch im Kern etwas an der gesamten Börsenverfassung geändert hat. Wichtig ist, dass auch die mittel- und die langfristigen Tendenzen nachziehen. Dies wird allerdings nur mit einer Zeitverzögerung in den Modellen festgestellt werden können. Insofern kann auf aktueller Basis noch keine Entwarnung für das allgemeine Aktienklima gegeben werden.
Anleger, die sich eher trendfolgend orientieren und über einen mittelfristigen Anlagehorizont verfügen, halten sich deshalb weiterhin zurück und bleiben liquide, bis sie in einem besseren Umfeld mit einem günstigeren Chance/Risiko-Verhältnis wieder einsteigen können.
Mehr Informationen zur Strategie von Ralf Goerke und einem ausführlichen Video zu den hier gezeigten Grafiken sowie seinem wöchentlich aktualisierten Trendbarometer finden Sie auf seiner Website unter: www.momentumstrategie.de.
Dieser Beitrag stellt keinerlei Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Anlageprodukten dar. Für die Richtigkeit der Daten wird keine Haftung übernommen.
Ralf Goerke beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit technischer Analyse und ist Autor des wöchentlich erscheinenden Börsenbriefs "MomentumInvestor" und des Buches "Zur richtigen Zeit im richtigen Markt".