"Wir wollen die Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft mit unserer Anlagepolitik aktiv vorantreiben", sagte der Chefanleger von Allianz Leben und Allianz Private Kranken, Andreas Lindner, der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Wir wissen, dass wir als großer institutionelle Anleger Einfluss darauf nehmen können, wie Unternehmen produzieren. Es geht uns weniger darum, unser Portfolio zu verändern - vielmehr sollen sich die Unternehmen verändern, in die wir investieren."

Lindner ist allein beim größten deutschen Lebensversicherer für rund 300 Milliarden Euro an Kapitalanlagen verantwortlich, insgesamt legt die Allianz mehr als 800 Milliarden Euro für ihre Versicherungskunden an. Die sogenannten ESG-Kriterien - die drei Buchstaben stehen für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) - rücken bei Groß-Anlegern angesichts des Klimawandels und einer vernetzten Welt immer mehr in den Vordergrund. Inzwischen gibt es mehrere Zusammenschlüsse großer Versicherer und anderer Kapitalanleger, um gemeinsam Druck auszuüben - etwa in der "Net Zero Owner Alliance", hinter der Firmen mit fünf Billionen Euro an Kapitalanlagen stehen.

"Nachhaltigkeit ist inzwischen die dritte Dimension in der Kapitalanlage - neben Rendite und Risiko", sagt Lindner. Auch wenn der Versicherer viele Facetten von ESG berücksichtige, im Vordergrund stehe die Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Bis 2025 sollen die Unternehmen, in die der Münchner Versicherungsriese investiert, 25 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, bis 2050 soll das ganze Portfolio klimaneutral sein. Klimaschützern geht das nicht schnell genug - so viel Zeit sei nicht mehr, wenn man die weitere Klima-Erwärmung verhindern wolle. Sie vermissen bei Investoren wie Versicherern auch die letzte Konsequenz: In den Regularien gebe es zu viele Schlupflöcher.

Laut Nachhaltigkeitsbericht hat die Allianz 2020 mit 68 Aktien- und Anleihe-Emittenten über ESG-Themen gesprochen. Bei dreien sei das auf fruchtbaren Boden gefallen, bei acht stieß sie auf taube Ohren, bei den übrigen gingen die Gespräche weiter. "Das ist ein sehr zeitintensiver Prozess - oft geht er über mehrere Jahre. Aber man muss den Unternehmen diese Zeit geben", sagt Chefanleger Lindner. "Erst wenn wir das Gefühl haben, dass ein Unternehmen den Dialog nicht ernsthaft betreibt, dann desinvestieren wir - was bislang nur ganz selten der Fall war." Nur bei geächteten Waffen oder bei Geschäftsmodellen auf Kohle-Basis lasse man sich auf keine Diskussion ein. Auf wen sie zugeht, ermittelt die Allianz mit eigenen Scoring-Modellen. "Wer dort zu den zehn Prozent Schlechtesten gehört, den schauen wir uns genau an."

WIN-WIN-SITUATION BEIM KUNSTDÜNGER


Lindner verweist auf Positivbeispiele - etwa einen großen Düngemittelhersteller, den er nicht nennen will. Dort habe nicht nur die Herstellung viel Energie gefressen, auch die übermäßige Anwendung der Dünger schade Pflanzen und Tieren. "Jetzt gewinnt er die Energie zur Produktion aus regenerativen Quellen und hat durch eine bessere Beratung der Landwirte erreicht, dass diese den Düngereinsatz auf ein Mindestmaß reduzieren", berichtet er. "Interessant dabei war, dass trotz höherer Preise die Nachfrage nach seinen Produkten stieg."

Wirtschaftliche Vernunft und Nachhaltigkeit stünden nicht im Widerspruch, sagt Lindner. "Früher dachten viele: Nachhaltigkeit muss man sich leisten können, das geht zu Lasten der Rendite." Doch das habe sich geändert. "Die Transformation der Wirtschaft braucht enorme Summen - und das bedeutet für uns interessante Anlagemöglichkeiten, gerade im Nullzinsumfeld." Der technische Fortschritt beim Umbau der Wirtschaft biete Chancen - das werde in Deutschland oft übersehen. "Beim Thema Nachhaltigkeit geht es eben nicht nur um Verzicht."

rtr