Die Entscheidung von Shell-Chef Ben van Beurden schockierte Anleger weltweit: Zum ersten Mal seit 80 Jahren kürzt der Ölkonzern seine Quartalsdividende. Die Shell-Aktie büßte am Tag der Mitteilung über zwölf Prozent ein, mehrere Großaktionäre fordern inzwischen van Beurdens Ablösung.

Dabei ist Shells Dividendenkürzung alles andere als ein Einzelfall. Von Lufthansa über Adidas bis hin zu Harley-Davidson oder Ford, rund um den Globus streichen Firmen ihre Ausschüttungen oder zeigen sich knausriger als erwartet. Bisher hat mehr als ein Fünftel der im europäischen Aktienindex Stoxx 600 gelisteten Unternehmen die geplanten Dividenden gekürzt oder ganz gestrichen. "Zu den bisher angekündigten Kürzungen bei 130 Konzernen dürften weitere hinzukommen", sagt Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank Merck Finck.

Die DZ Bank schätzt, dass die Dividendenzahlungen in Europa um 40 Prozent sinken könnten, ähnlich wie während der Finanzkrise. Aus Sicht der Unternehmen ist das Kappen oder Streichen der Dividende in der aktuellen Situation eine sinnvolle Maßnahme, um den Betrieb langfristig am Laufen zu halten und ausreichend Liquidität vorzuhalten. Schließlich drohen vielen Firmen erhebliche Gewinneinbußen. Dazu kommt: Wer Staatshilfe in Anspruch nimmt, soll kein Geld an Aktionäre auszahlen - auch das ist eine nachvollziehbare Regel. Für Investoren ist die Entwicklung jedoch höchst unerfreulich, nicht zuletzt weil sich die Unternehmensausschüttungen in den vergangenen Jahren immer mehr zum Ersatz für festverzinsliche Anlagen entwickelt haben. Wer auf Dividenden als regelmäßige Einnahmen zählt, dem tut die Krise richtig weh.

Die gute Nachricht: Als Fondsanleger setzen Investoren nicht nur auf ein breit diversifiziertes Portfolio, sondern auch auf die langjährige Expertise von Profimanagern. Gerade bei den seit Langem erfolgreichen Dividendenfonds handeln diese grundsätzlich nach der Devise: Nicht allein die Höhe der Dividendenrendite ist entscheidend, sondern gesunde Bilanzen und die sich daraus ableitende Fähigkeit von Unternehmen, nachhaltig über viele Jahre Gewinne an die Aktionäre ausschütten zu können, ja die Ausschüttungen sogar regelmäßig zu steigern. Das sollte automatisch zu einer gewissen Risikobegrenzung in den Portfolios führen.

Tatsächlich waren bekannte Fonds wie der DWS Top Dividende oder der M & G Global Dividend zuletzt sehr konservativ positioniert: Betrachtet man das Portfolio nach Branchen, sind der Gesundheits- und der IT-Sektor am höchsten gewichtet. Hier erwarten Analysten jedoch - wie übrigens auch für den Telekomsektor - ein mindestens konstantes Ausschüttungsvolumen. Die Fondsmanager sind aber durch die Bank auch in eher kritischen Bereichen wie Rohstoffen und Energie investiert. Dass 2020 für Besitzer von Dividendenfonds insgesamt weniger ertragreich wird als die letzten Jahre, ist stark anzunehmen.

Wie die Manager von DWS und M & G sowie die Portfoliolenker des Deka-Dividendenstrategien und des Fidelity Global Dividend die aktuelle Lage einschätzen und wie sie darauf reagieren, zeigt die nachfolgende Befragung des Analysehauses FondsConsult. Alle vier Fonds zählen zu den langjährig erfolgreichen Publikumslieblingen in Deutschland.

Gehen Sie davon aus, dass die zu Jahresbeginn angestrebte Dividendenrendite tatsächlich realisiert werden kann? Gibt es eine Prognose für 2021?

Alle vier Anbieter erwarten, dass die zu Jahresbeginn angestrebten Auszahlungen auch tatsächlich realisiert werden können. Die Deka äußerte sich bezüglich der zweiten Ausschüttung im November etwas zurückhaltender, geht aber im Basisszenario unverändert von einer attraktiven Ausschüttung aus.

Für 2021 traut sich kein Anbieter eine Prognose zu. Dafür sei die Lage viel zu unsicher und die Auswirkungen möglicher Zweit- und Drittrundeneffekte schlichtweg nicht kalkulierbar.

Verfügt Ihr Fonds über Gewinnrücklagen, um ausgefallene, verschobene oder gekürzte Dividendenzahlungen zu überbrücken?

Offenbar kann davon ausgegangen werden, dass die Fondsmanager in der Lage sind, das Auszahlungsprofil zumindest für 2020 zu glätten - falls sich die Lage nicht noch deutlich verschlechtern sollte. Bei der DWS sind etwa neun Prozent des Portfolios in Energietiteln angelegt. Die Fondsgesellschaft geht jedoch unverändert davon aus, dass die Auszahlungen für 2020 stabil gehalten werden können.

Wurden im Portfolio spürbare Veränderungen vorgenommen, um die Anlagen in tendenziell besonders krisenanfälligen Branchen wie Banken, Reise & Freizeit, Luftfahrt, zyklischer Konsum, Industrie, Immobilien und Rohstoffe zu verringern? Wurden im Gegenzug IT, Gesundheit und Basiskonsum aufgebaut?

Hier lautet die Antwort zusammengefasst: ja. Die Veränderungen waren aber bei allen Fonds nicht signifikant, sondern eher "kosmetischer Natur" (im Rahmen von etwa plus/minus fünf Prozent). Verkauft wurden zuallererst Unternehmen, bei denen auch nur der geringste Zweifel an der Bilanzqualität bestand. Insbesondere der M & G-Fonds hält unverändert an seinen im Konkurrenzvergleich sehr hohen Rohstoffanlagen fest. Generell legten alle vier Fonds schon immer großen Wert auf eine solide Bilanz und hatten ohnehin nie die Maximierung der Dividendenrendite zum Ziel.

Große Vorsicht herrscht bei allen Anbietern gegenüber dem europäischen Bankensektor. Investiert wird, wenn überhaupt, in nordische Banken oder US-Institute. Der Finanzsektor wird vielmehr über Versicherungen (Sachversicherungen, Lebensversicherungen), Börsen und Vermögensverwalter abgedeckt. Die Segmente Luftfahrt, Reise & Freizeit oder Immobilien spielen in der Regel keine große Rolle in den Portfolios (mehr). Selektive Beimischungen können zum Beispiel ein japanischer REIT (DWS), Flughäfen und Mautstraßen (Fidelity) oder Disney (M & G) sein. Im Versorgersektor, dem zum Beispiel aufgrund des sinkenden Stromverbrauchs Einnahmen wegbrechen könnten, legen die Anbieter den geografischen Schwerpunkt eher auf die USA, wo sowohl das regulatorische Umfeld besser als auch der politische Druck geringer ist.

Ist eine spürbare Verschiebung der Anlagen zwischen den USA, Europa und Asien zu erwarten?

Größere geografische Anpassungen wurden von keinem Anbieter vorgenommen und seien auch nicht geplant. Eine Flucht aus Europa ist somit nicht zu verzeichnen.