Auslöser der Rally ist die Nominierung der aktuellen Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, als künftige Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB). "Lagarde teilt wahrscheinlich die Vorliebe von Mario Draghi für eine aggressive und innovative Geldpolitik", sagte Nigel Green, Gründer und Chef des Anlageberaters deVere. Sollte die Inflation niedrig bleiben, könne daher mit erneuten Geldspritzen gerechnet werden. "Die Börsen werden das goutieren, vor allem da sich das Wachstum abzuschwächen scheint."

Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets sieht durch die Nominierung Lagardes jedoch die Unabhängigkeit der EZB in Gefahr. "Sie ist ausgebildete Juristin und eingefleischte Politikerin. Ihre Bilanz beim IWF ist bestenfalls durchwachsen." Schließlich habe der Fonds zur Rettung Griechenlands seinerzeit seine eigenen Regeln gebrochen. Für David Lafferty, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Natixis, sind Lagardes diplomatische Fähigkeiten dagegen wichtiger als eine Promotion in Wirtschaftswissenschaften. "Sie muss die EZB-Politik sowohl den Ländern der Euro-Zone als auch globalen Investoren 'verkaufen'; darauf kommt es an."

IMMOBILIENWERTE UND GOLD GEFRAGT


Die Spekulationen auf eine Fortsetzung der EZB-Nullzinspolitik gab vor allem Immobilienwerten Auftrieb. Die Aktien von Vonovia oder Deutsche Wohnen gewannen bis zu 2,4 Prozent. Der Branchenindex für die Euro-Zone legte ein Prozent zu. Außerdem griffen Investoren zu Titeln dividendenstarker Unternehmen wie dem "Beck's"-Brauer Anheuser-Busch, dem "Lucky Strike"-Anbieter British American Tobacco oder Unilever. Die Papiere des "Domestos"-Herstellers kletterten in London um 1,2 Prozent auf ein Rekordhoch von 5086 Pence.

Gold glänzte mit einem Preisanstieg um bis zu 1,3 Prozent auf 1435,99 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Das Edelmetall dient häufig zur Absicherung gegen eine anziehende Inflation. Nicht nur bei der EZB, sondern auch bei der US-Notenbank müsse mit einer anhaltend lockeren Geldpolitik gerechnet werden, sagte Analyst Peter Fertig vom Analysehaus Quantitative Commodity Research. Die von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagenen Kandidaten für die frei werdenden Posten in der Fed-Führungsriege gälten als Protagonisten einer solchen Haltung. Die schwächer als erwartet ausgefallenen Daten der US-Arbeitsagentur ADP schürten Spekulationen auf eine baldige Fed-Senkung zusätzlich.

EINZELHÄNDLER SAINSBURY ENTTÄUSCHT MIT ZAHLEN


Zu den Verlierern am europäischen Aktienmarkt zählte Sainsbury mit einem Kursminus von 1,5 Prozent. Der Umsatz ging das dritte Quartal in Folge und um überraschend starke 1,6 Prozent zurück. Die britische Supermarkt-Kette werde wohl dem Vorbild des Rivalen Tesco folgen und sich von unrentablen Geschäftsbereichen trennen müssen, sagte CMC-Experte Hewson. Dies gelte vor allem für die Finanzdienstleitungssparte, die wegen der niedrigen Zinsen kaum etwas abwerfe.

rtr