Am Donnerstag hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem rund vierstündigen "Rechtsgespräch" unter anderem erörtert, ob Fahrverbote verhältnismäßig wären oder zu Lasten von Diesel-Fahrer gingen, die dafür nichts könnten. Zudem wurde beleuchtet, ob Verbote überhaupt kontrollierbar wären.(Az.: BVerwG 7 C 26.16 und BVerwG 7 C 30.17)

Konkret wird über eine Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf verhandelt. Diese hatten die Behörden nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu verschärfen, damit Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

Seit Jahren werden in vielen Städten Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Die EU-Kommission hatte die bisherigen Anstrengungen Deutschlands als nicht ausreicheichend kritisiert und droht mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Nach jahrelangem Streit ist die Bundesregierung inzwischen zu neuen Fahrbeschränkungen für Dieselautos bereit. Kurz vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurden am Wochenende Vorbereitungen des Verkehrsministeriums für mögliche "streckenbezogene Verkehrsverbote oder -beschränkungen" bekannt. Sie zielen allerdings nur auf besonders belastete Straßen und nicht auf größere Innenstadtbereiche. Laut Verkehrsministerium bleibe das Ziel, pauschale Fahrverbote zu vermeiden. Es gehe um Regeln für eine "gezielte Verkehrslenkung".

Umweltschützer und die Grünen kritisierten den überraschenden Vorstoß und verlangen weiterhin eine bundesweite "blaue Plakette", mit der generell nur saubere Diesel in bestimmte Stadtgebiete fahren könnten. Die DUH kritisierte den Vorstoß der Regierung als Bankrotterklärung. "Unmittelbar vor der drohenden Verurteilung kündigt man jetzt panisch an, doch eventuell eine entsprechende Regelung machen zu wollen", sagte DUH-Chef Jürgen Resch. "Es ist der Versuch, das Gericht zu beeinflussen."

Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweisen, würden die Richter Fahrverbote für zulässig erklären. Ob es diese dann auch gibt, liegt aber an den Städten und Bezirksregierungen. Einen Automatismus gibt es nicht.

Eine zweite Möglichkeit ist, dass das Bundesverwaltungsgericht den sogenannten Sprungrevisionen stattgibt - damit wären die Urteile der Verwaltungsgerichte aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht könnte dies aber verbinden mit einem Handlungsauftrag an die Bundesregierung. Denn das Problem, dass Schadstoff-Grenzwerte weiter überschritten werden, würde weiter bestehen. Bei Sprungrevisionen werden Rechtsfälle gleich an die höchste richterliche Instanz übergeben und niedrigere Instanzen übersprungen.

Die dritte Option: Das Bundesverwaltungsgericht sieht noch Aufklärungsbedarf und verweist die Fälle zu einer erneuten Verhandlung an die Verwaltungsgerichte zurück - das Problem wäre damit aufgeschoben. Als theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich gilt, dass die Richter in Leipzig selbst entscheiden, Fahrverbote wären das einzige Mittel, damit die Grenzwerte eingehalten werden./jan/DP/men