Wenn BMW-Finanzchef Nicolas Peter am Mittwoch die Ergebnisse für Juli bis September vorträgt, lauschen Investoren voller Spannung. Für Börsianer könnte sich der BMW-Werbeslogan "Freude am Fahren" in Freude am Verdienen übersetzen, denn klar ist: Der deutsche Premiumautohersteller hat mitten in der Pandemie ein unerwartet starkes Quartal hingelegt. Als Vorgeschmack brachten die Münchner Cashflow-Zahlen, die freien Mittel aus dem Autogeschäft nach Investitionen sind demnach auf über drei Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahr hatte BMW nicht mal ein Viertel verzeichnet.
Noch im ersten Halbjahr standen die Ampeln auf Rot: Peter meldete wegen Corona starke Mittelabflüsse. Bei drastisch sinkendem Absatz liefen die Kosten weiter, die Bayern verbrannten 2,5 Milliarden Euro. Der Dreh ins Positive gelang im Sommerquartal mit einem Absatzplus von 8,6 Prozent dank hoher Nachfrage aus China: Die Asiaten kauften von Juli bis September fast ein Drittel mehr BMW als im Vorjahr.
Für die "Freude am Fahren" geben die Besserverdienenden in der Volksrepublik trotz Corona gern Geld aus. Der einfache Grund: China hat kaum mehr Corona-Fälle und erholt sich deutlich schneller als Europa oder die USA. Während die Fallzahlen in den USA auf Rekordniveau sind und zahlreiche Länder Europas kurz vor oder schon in einem neuen Lockdown sind, gibt China Vollgas. Von Juli bis September wuchs die Wirtschaft um fast fünf Prozent.
Da Chinesen ihren Wohlstand gern zeigen, profitieren Hersteller von Luxusprodukten. BMW und der schwäbische Premiumprimus Daimler gehören eindeutig dazu. Vor allem Langversionen der Premiumkarossen wie BMWs 530 Le oder Daimlers S-Klasse, das meistverkaufte Oberklassengefährt der Welt, begeistern die Reichen. "Die S-Klasse hat sich zuletzt fantastisch verkauft", sagt Harald Wilhelm, Finanzchef von Daimler. Das Spitzenmodell, das soeben durch einen hochtechnisierten Nachfolger abgelöst wurde, oder SUVs mit dem schwäbischen Stern sorgten dafür, dass Daimler in China ein Absatzplus von 23 Prozent im Quartal einfuhr - und der Mittelzufluss auf fünf Milliarden Euro hochschnellte.
Den vom Branchenwandel gestressten Autokonzernen ist der Geldregen höchst willkommen. Mit großem Tempo rauschten die Trendthemen Elektromobilität, autonomes Fahren oder Digitalisierung heran und hinterließen dicke Bremsspuren in den Zahlenwerken. Stark sinkende Margen und gleich mehrere Gewinnwarnungen etwa bei Daimler verschreckten Anleger und kratzten am Lack der Premiummarke.
Unerwarteter Glanz
Noch im Frühjahr musste Vorstandschef Ola Källenius für 2019 einen Gewinneinbruch um fast zwei Drittel vertreten, "einen Sack voll Arbeit" habe man vor sich, gestand der Schwede zerknirscht. Die Corona-Monate haben die Schwaben genutzt, ihre Hausaufgaben zu machen. Denn der DAX-Konzern aus Stuttgart, der noch vor wenigen Monaten ramponiert dastand, findet ausgerechnet in Corona-Zeiten wieder zu herausragender Profitabilität zurück.
Unerwartete 9,4 Prozent operative Marge meldete Finanzchef Harald Wilhelm im Autogeschäft von Mercedes-Benz für das dritte Quartal. 2019 hatte die Marke mit dem Stern gerade mal 3,6 Prozent präsentiert. Jetzt erhöhen die Schwaben sogar ihre Gewinnprognose, trauen sich beim operativen Ergebnis 2020 trotz Virus das Vorjahresniveau zu - und fahren in Richtung der jüngst von Källenius gesetzten Margenziele von im Schnitt acht bis zehn Prozent.
Bei der Strategie setzt Källenius auf Luxus, will Edelmarken wie Maybach noch besser vermarkten. Der Rest ist typisch schwäbisch: Finanzchef Wilhelm muss sparen, die fixen Kosten sollen bis 2025 um 20 Prozent tiefergelegt werden, variable bis dahin pro Jahr um ein Prozent sinken. Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern laufen, der Weg wird für die Belegschaft schmerzhaft.
Womöglich bekommt Daimler so noch rechtzeitig die Kurve. Die Schwaben brauchen wie der Premium-Rivale aus München jeden Euro, um die Langfristthemen abzuarbeiten - allen voran den Schwenk zu Elektroantrieben.
Zwar steht Daimler auch bei Investitionen und Entwicklungsausgaben auf der Bremse. Im Quartal schrumpften diese Posten um ein Drittel auf 1,9 Milliarden Euro. Ein ähnliches Bild dürften die Zahlen von BMW kommende Woche zeigen. Analysten sehen dabei jedoch den Schwerpunkt der Einsparungen auf Verbrennermodellen. "Die Autohersteller sparen etwa bei der Modellvielfalt. Bei der Elektromobilität müssen sie die Kapazitäten nach oben anpassen, hier wird mehr nachgefragt, als derzeit geliefert werden kann", sagt Analyst Marc-René Tonn von M.M. Warburg.
Stromer immer beliebter
Tatsache ist, dass die Nachfrage nach E-Mobilen in der Krise steigt. Das liegt an staatlichen Kaufanreizen. Womöglich beschleunigt Corona aber - ähnlich wie beim Onlineshopping - den grundsätzlichen Schwenk im Konsumentenverhalten. Daimler verzeichnete zuletzt starke Nachfrage nach Plug-in-Hybriden, insgesamt 45.000 elektrifizierte Modelle verkauften die Schwaben dadurch im Quartal. "Der Trend läuft stark nach oben", sagt Wilhelm. Daimler ist demnach auf Kurs, die CO2-Ziele der EU bei den Flottenemissionen 2020 zu erreichen. Noch im vergangenen Jahr hatten das die wenigsten den Stuttgartern zugetraut.
Zwar mahnen Beobachter, ein Teil der hohen Nachfrage des Sommers seien Nachholkäufe. "Wir haben ein ausgesprochen gutes Quartal bei den Premiumanbietern gesehen. Es könnte sehr volatil weitergehen", warnt etwa Analyst Gerhard Wolf von der LBBW, der neben abklingenden Nachholeffekten einen möglichen harten Brexit als Risikofaktor für die Hersteller sieht.
Dauerhafter Treiber für die Branche bleibt neben dem Trend zum Luxus vor allem die E-Mobilität. Bestes Zeugnis für den Erfolg der Stromer liefert der Weltmarktführer. Die kalifornische Tesla stellte soeben gleich mehrere eigene Rekorde auf: Fast 140.000 Autos verkauften die Amerikaner im Quartal, 44 Prozent mehr als vor Jahresfrist, rund 2,4 Milliarden Dollar Cash flossen so aus dem operativen Geschäft - eine Verdreifachung zum Vorjahr. Chef Elon Musk trommelte, im Corona-Jahr eine halbe Million Autos zu verkaufen.
Nachhaltige Marge
Die etablierten Premiumhersteller tun sich hingegen schwer, mit Stromern Geld zu verdienen. Allein die Batteriekosten liegen hier wegen der noch geringen Stückzahlen deutlich höher. Der Elektroprimus macht hingegen gutes Geld. Tesla kassiert zwar auch für CO2-Emissionsrechte. Das Autogeschäft aber ist profitabel, die operative Marge liegt bei 9,2 Prozent.
Dass Daimler hier gerade ein Stück in Front fährt, liegt an den Margen, die die Verbrenner liefern. Auch für die Premiumhersteller gilt: Der Elektroanteil muss steigen und die Marge soll nicht sinken. "Die Herausforderung ist es, unsere Kosten insgesamt so zu senken, dass die Marge passt", weiß Finanzchef Wilhelm. Auch BMW-Kollege Peter hat diesen Kraftakt noch vor sich.
INVESTOR-INFO
Daimler
Marge dreht hoch
Daimler konzentriert sich auf das Luxussegment, der starke China-Absatz stimmt zuversichtlich, dass die Strategie aufgeht. Die Schwaben machen zudem klare Fortschritte bei den Kosten. Die Marge im Autogeschäft liegt bei 9,4 Prozent - ein Quantensprung. Auch der Turnaround der Van-Sparte im Quartal bringt Momentum. Der Umsatz dürfte erst 2022 das 2019er-Niveau übersteigen, der Gewinn soll nach jüngst angehobener Prognose bereits 2020 gleichziehen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 55,00 Euro
Stoppkurs: 36,80 Euro
BMW
Aussicht bessert sich
In China punktet BMW auch wegen des günstigen Modellzyklus stark. Die operative Marge im Autogeschäft hinkt dennoch hinter der des Rivalen aus Schwaben her. Für 2020 stellt Chef Oliver Zipse bislang operativ null bis drei Prozent in Aussicht. Analysten rechnen damit, dass BMW am Mittwoch auf das obere Ende der Spanne verweist. Halten.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 53,30 Euro