Das kleine Reich von Bachmann & Scher kann man nicht ohne Weiteres betreten. Erst nach dem Druck auf den Klingelknopf - und mutmaßlich einer Gesichtskontrolle über eine versteckte Kamera - öffnet sich die schmale Glastür zu einem Verkaufsraum, dessen bescheidene Maße Geschäfte mit Oldtimern oder großen Leinwänden kaum zuließen. Aber Thomas Bachmann und Joram Scher handeln auch nicht mit voluminösen Luxusgütern. Ihre Expertise konzentriert sich auf den oft einzigen Schmuck wohlsituierter Männer: Armbanduhren.
Doch die beiden Zeit-Genossen sind keine Konzessionäre. Sie handeln ausschließlich mit Ware aus Vorbesitz. Auf diesem Gebiet gehört Bachmann & Scher zu den renommiertesten Adressen in Europa, zu ihren Kunden zählen deutsche Fußballbosse, "Superweiber" und blondgelockte Showmaster. Zum Gespräch bitten sie in ihre deutlich größeren Büroräume über dem Laden im Ostflügel des Palais Montgelas in Münchens Innenstadt. Und sie nehmen sich Zeit.
€uro am Sonntag: Warum sollte ich 25.000 Euro lieber in eine Uhr investieren als in eine Aktie?
Joram Scher: Weil ein Wertpapier etwas Totes ist, im Tresor liegt und Sie nicht schmückt. Wenn sein Wert steigt, ist das zwar eine schöne Geschichte. Aber es fehlt die emotionale Komponente.
Thomas Bachmann: Die richtige Uhr dagegen steigt nicht nur im Wert, sondern bringt einen kaum zu unterschätzenden Nebeneffekt: den Tragespaß. Nicht jeder Mensch empfindet ihn, aber doch sehr viele.
Was wäre der Vorteil gegenüber anderen alternativen Investments wie Oldtimern, Münzen, moderner Kunst, Wein oder Whisky?
Scher: Nun, Wein und Whisky haben den Haken, dass ich, wenn ich richtig cool bin, die Flaschen irgendwann öffne. Das macht zweifellos Spaß, aber eben nur einmal, und dann ist das Investment futsch. Oldtimer muss man ständig in die Werkstatt bringen, Ölwechsel machen, tanken und Steuern zahlen. Und kaum einer bekommt mit, dass du sie hast. Kunst macht, zumal wenn sie großformatig ist, schon bei der nächsten Renovierung ein Problem: wohin damit? Außerdem: Besitzerwechsel werden hier in der Regel über Galerien oder Auktionen realisiert. Bis das Geld beim Verkäufer ankommt, vergeht viel Zeit. Und es ist schon ziemlich viel davon runtergehobelt worden.
Sie handeln ausschließlich mit Uhren aus Vorbesitz. Was spricht denn gegen den Kauf einer neuen Uhr?
Bachmann: Wie lange bleibt die denn neu? Sobald Sie sie ausgepackt, die Schutzfolien abgelöst und einmal getragen haben, ist sie bestenfalls noch "wie neu". Das ist ein Wertverlust, der sofort stattfindet.
Scher: Noch wesentlicher ist, dass Uhren aus Vorbesitz wertvoller sind. Die kostspieligste Rolex, die Sie heute neu kaufen können, dürfte kaum über 300.000 Euro kosten. Die wertvollsten alten Rolex-Uhren aber wechseln für mehrere Millionen Euro den Besitzer.
Und wie komme ich an die wertträchtigen Modelle ran?
Scher: Da müssen Sie sich anstrengen: Kontakte spielen lassen, eine Sammlung vorweisen können, auf Veranstaltungen der Marke gehen. Dann werden Sie eingeladen auf Events, auf denen Sie und 30 andere Gäste eine Uhr kaufen können, die sonst kein anderer kaufen kann.
Der andere große Name der Branche ist Patek Philippe. Was hebt diese Marke von der Konkurrenz ab?
Bachmann: Dass sie seit fast 200 Jahren ununterbrochen Klassenbester im Bereich technisch hochkomplizierter Uhren ist und es keine Perioden gab, wo sie mal durchgehangen wäre. Wenn es um Komplikationen geht - Minutenrepetition, Tourbillon, Ewiger Kalender, Chronographen mit Schleppzeiger, Weltzeituhren -, müssen sich alle anderen hinten anstellen.
Können auch ideelle Indikatoren den Wert einer Uhr antreiben?
Scher: Absolut. Teilnahme an militärischen Einsätzen zum Beispiel. Uhren, die nachweislich von Piloten der Royal Air Force getragen wurden, können bei Auktionen erheblich steigen. Kultstatus genießen Uhren, die coole Leute getragen haben, etwa die Rolex Daytona wegen Paul Newman oder die TagHeuer Monaco wegen Steve McQueen.
Bachmann: Dafür müssen Uhren nicht mal anspruchsvoll sein, zum Beispiel die Hamilton Ventura, die Elvis Presley sehr mochte.
Bei welchen Marken wäre Werterhalt oder gar -steigerung eher unwahrscheinlich? Und warum?
Bachmann: Eigentlich wird jede Uhr teurer, wenn sie unsere jugendlichen Kinder gut finden, nur in geringen Stückzahlen hergestellt wurde oder eine Alleinstellung hat, die die Leute fasziniert. Hier hat es etwa Jaeger LeCoultre versäumt, sich in den Medien entsprechend zu präsentieren. Und ist deshalb derzeit nicht im Vordergrund, wenn es um Investment Watches geht.
Scher: Da sind Audemars Piguet oder Omega anstelle von Jaeger LeCoultre und IWC getreten. Auch Vacheron Constantin notiert wieder unter den Top Ten der Uhrenmarken. Ein Hersteller kann viel dafür tun, im Trend zu liegen, indem es ihm gelingt, den Markt mit den richtigen Modellen zu bedienen, emotional aufzupumpen und dann eine kluge Preis- und Markenpolitik zu betreiben.
Bachmann: Und schlecht auszuliefern. Das hilft auch.
Ist das die Voraussetzung für den Hype um Uhrenmodelle wie derzeit die Nautilus von Patek Philippe?
Bachmann: Es ist zumindest eine: Hier helfen die DNA eines Klassikers - die Nautilus gibt es seit den 70er-Jahren -, eine Szene, die wasserdichte Uhren zunehmend solchen mit Lederbändern vorzieht, und eine Firma, die die richtigen Knöpfe drückt. Vor ein paar Jahren hat Patek entschieden, diese Uhr nicht mehr normal auszuliefern. Seitdem die Marke massiv kontrolliert, wer diese Uhr bekommt - nämlich nur Leute, die bereits bestimmte Pateks gekauft haben -, haben sich die Weiterverkaufspreise verdoppelt. Mit anderen Worten: Da hat eine Firma einen Plan, den hat sie durchgesetzt, und das hat funktioniert.
Ein Kunde gibt bei Ihnen eine 2019er Rolex Day-Date II White Gold mit Papieren in Kommission; Sie bieten Sie für 31.980 Euro an. Wie kommen Sie auf den Preis?
Scher: Na ja, den würfeln wir natürlich aus …
Bachmann: Im Ernst: Es gibt ja da draußen einen Markt, den man leicht im Internet recherchieren und in dem man sich positionieren kann, natürlich auch aufgrund von Erfahrungswerten, Auktionsergebnissen, Gesprächen mit Sammlern und ein bisschen Bauchgefühl. Aber wenn am selben Tag 30 Leute anrufen und die Uhr sofort kaufen wollen, wissen wir, dass wir sie zu billig angeboten haben.
Ich finde im Nachlass meines Onkels eine leicht angestoßene Omega mit der Aufschrift Seamaster 300. Was mache ich damit?
Scher: Ihre erste Frage sollte sein: Gefällt mir die Uhr und möchte ich sie wieder in den Zustand versetzen, dass ich sie tragen kann? Doch wenn Sie die Uhr lieber verkaufen wollen, wäre der größte Fehler, sie vorher bei irgendeinem Uhrmacher überholen zu lassen oder gar zu Omega zu schicken. Denn Sie wissen ja gar nicht, welche Teile wertvoll, weil original sind, und dann womöglich ausgetauscht und den Wert der Uhr beträchtlich mindern würden. Dann zahlen Sie 800 Euro und verlieren zusätzlich 30, 40 Prozent an Wert. Ein guter Händler dagegen weiß, was eine Uhr braucht, um gut verkäuflich zu sein.
Der Zustand ist entscheidend, oder?
Scher: Natürlich. Eine Uhr in fünf verschiedenen Zuständen hat fünf radikal unterschiedliche Preise.
Bachmann: Wobei ungetragene Vintage-Uhren immer zu billig sind. In Deutschland neigt man ja dazu, den Preis für den Faktor "ungetragen" um maximal 20 Prozent höher anzusetzen. In Japan dagegen sind die Kunden bereit, weitaus mehr für perfekte "new old stock"-Ware aus den 60ern oder 70ern auszugeben.
Scher: Das versteht man, wenn man mal dort gewesen ist. Da sieht man am Stand einen Apfel, der 20 Euro kosten soll. Und wenn man den Händler fragt, warum, sagt der: Weil er perfekt ist. Und er verkauft ihn tatsächlich für diesen Preis.
Warum ist eine Uhr mit Box und Papieren teurer als ohne?
Scher: Wegen der Limitierung. Sehen Sie: Wenn eine Uhr 10.000-mal auf den Markt kam, sind davon heute nur noch 3.000 mit Box und Papieren übrig, von denen 500 die Originalverklebung besitzen, 200 in Deutschland und davon 20 in München verkauft wurden. Und all dies macht eine Uhr seltener.
Erwerb über Auktion, Laden oder Onlinehandel - was sind die Vorteile, welches die Fallstricke?
Bachmann: Wer sich gut auskennt, kann bei einer Auktion immer mal wieder ein Schnäppchen machen …
Scher: … muss sich aber richtig gut auskennen, sich alles angucken bei der Vorbesichtigung: Sind alle Teile nicht nur original vom Hersteller, sondern auch original aus der Zeit, in der die Uhr hergestellt wurde? Das müssen Sie sehen können.
Bachmann: Und gleichzeitig muss Ihnen klar sein, dass eine Uhr vom Auktionator keine Garantie hat, weder auf Originalität noch auf die Funktionalität. Für die Überholung einer alten Nautilus zum Beispiel ist man bei Patek Philippe schnell 3.000, 4.000 Euro los. Und es dauert gern mal ein Jahr, bis Sie sie zurückbekommen.
Scher: Deshalb glauben wir an Laden und Onlinehandel. Weil wir in aller Regel einen besseren Wert für den Verkäufer erzielen.
Sind Fälschungen ein Thema?
Bachmann: Ein großes Thema.
Scher: Weil sie immer besser werden. Noch erkennen wir die Mehrzahl sehr schnell. Aber es gibt Fälschungen, die in der Herstellung bis zu 1.000 Euro gekostet haben und so gut sind, dass man den Boden aufmachen und ins Werk gucken muss. Und manchmal sogar noch tiefer.
Bachmann: Deshalb appellieren wir an die Hersteller, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihre Produkte fälschungssicher machen, Hologramme zum Beispiel oder Lasergravuren. Die müssen etwas tun. Denn die Qualität ist unglaublich.
Wir haben uns bis hierhin, ohne dass wir dies verabredet hätten, ausschließlich über Männeruhren unterhalten. Damenuhren …
Scher: … sind komplett anders zu betrachten, vielleicht mit Ausnahme von einigen Rolex-Modellen, auch von Cartier. Und ich würde vielleicht noch Damenuhren von Patek Philippe ins Spiel bringen. Das sind die Ausnahmen, die einen gewissen Wert halten, der aber immer geringer ist als bei Herrenuhren. Immer!
Warum ist das so?
Scher: Weil die modische Komponente bei Damen eine Riesenrolle spielt. Wenn die Mode vorbei ist, will diese Uhr keine Frau mehr …
Bachmann: … und man muss sie zehn Jahre liegen lassen, bis sie wieder aktuell wird. Das erleben wir mit Cartier-Uhren regelmäßig.
Andere Idee: Lassen sich Uhrensammlungen wie Fonds aufstellen?
Bachmann: Das sind ja genau die Gespräche, die wir führen …
Scher: … bei denen wir zunächst versuchen herauszufinden, welche Art von Uhren der Kunde mag. Weil sich kein "Anleger" zum Kauf einer Uhr überwindet, die ihm nicht gefällt. Das kriegt - anders als im Aktienmarkt, wo man mit SAP vielleicht gar nichts anfangen kann, das Papier aber wegen des Wertsteigerungspotentials trotzdem kauft - kein Uhrensammler übers Herz.
Auch weil sich das emotionale Moment auf den nächsten Käufer übertragen könnte?
Bachmann: Genau. Der wäre ja Zielgruppe: Wenn Ihnen eine Uhr gefällt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie viele Leute in Ihrer Einkommensklasse ebenfalls mögen, ein ziemlich stabiler Wert.
Und raten Sie dazu, wie bei einem Aktienfonds einzelne Positionen immer mal wieder …
Scher: … auszutauschen? Auf jeden Fall. Es ist wichtig, Ihre Sammlung in gewissen Abständen auf den Prüfstand zu stellen und sich zu fragen, ob diese oder jene Uhr überhaupt noch zu Ihnen passt. Oder ob Sie sie lieber in Zahlung geben und sich dafür eine andere Uhr kaufen wollen.
Mit welchem Risiko?
Bachmann: Der größte Fehler wäre es, die am leichtesten weiterzuverkaufende Uhr abzustoßen. Dann freuen Sie sich vielleicht über eine schnelle Gewinnmitnahme. Aber Sie hätten lieber schauen sollen, wo denn die Nieten liegen. Die müssten Sie in den Markt zurückgeben und in positive Punkte umwandeln. Das ist die Herausforderung.
Was wäre denn der Gral einer Uhrensammlung?
Scher: Nicht einer. Viele Grale.
Bachmann: Und unserer ist nicht derselbe wie für jemanden, der in den 50er-Jahren geboren wurde. Und ein Millennial hat wieder einen anderen.
Scher: Aber wenn Sie mich zwingen, würde ich wahrscheinlich die Patek Philippe Grande Complication 2499 nennen, einen sehr seltenen Chronographen mit Ewigem Kalender, der als einer der schönsten der Welt gilt und nur knapp 350 Mal gebaut wurde. Jeder Sammler bei Verstand würde auch eine Rolex Cosmograph Daytona Paul Newman als Highlight seiner Kollektion sehen. Bei mir wäre noch eine Patek Philippe Nautilus Jumbo Tropic Dial mit dabei und wahrscheinlich eine frühe Royal Oak von Audemars Piguet. Und eine Omega Speedmaster aus den ganz frühen Sixties. Und …
Bachmann: Sie merken: Eine allein macht noch nicht glücklich.
Vita:
Die Zeitnehmer
"Eine typische Bachmann & Scher-Uhr muss uns zuallererst begeistern", sagt Thomas Bachmann (47, links). "Sie muss nicht sehr teuer sein, sollte aber Klasse und Lässigkeit haben", ergänzt Joram Scher (53). Nach Studium in London ist er seit 1998 Partner des Handelshauses für hochwertige gebrauchte Zeitmesser. Weltweit für ihre Expertise geachtet, schauen sie für die monatliche Kolumne "Uhr-Zeiger" in unserem Schwestermagazin €uro Prominenten aufs Handgelenk und analysieren, welche Aussage sie mit ihrer Uhr treffen. Sie sind beide verheiratet und haben jeweils zwei Kinder.