Am Ende wurde nicht so heiß gegessen wie gekocht wurde, schreiben die Analysten bei der Raiffeisen Bank International (RBI) in ihrem aktuellen wöchentlichen Marktausblick. Gemeint ist damit, dass der Monat Mai im Hinblick auf die Saisonalität fast wieder seinem Ruf gerecht geworden wäre, es die Mehrheit der Aktienmärkte am Ende im Vormonat aber doch noch ins Plus schafften.

Vor allem Europas Sektor-Kombination habe sich abermals als Zugpferd erwiesen und Inflations- und Zinssorgen deutlich besser weggesteckt als die US-Pendants. Im Resultat hätten die Bullen jedoch abermals fast überall das Ruder übernommen, sodass der marktbreite S&P 500 dicht dran ist an einem neuen Allzeithoch schielt und der Euro STOXX 50 Performanceindex sowie der DAX am Freitag jeweils sogar neue Schlussrekorde markierten.

Wenngleich der leichteste Teil der Aktienmarkt-Erholung im Zuge der Überwindung der Pandemie sicherlich hinter uns liegt, bleiben die Aussichten auf Jahressicht und darüber hinaus aus der Sicht der RBI günstig. Hierfür spreche vor allem die Haltung der Notenbanken, welche den Märkten weiterhin ihre volle Unterstützung angedeihen lassen.

Obwohl die Kombination aus Gewinnwachstumsdynamik, Konjunkturoptimismus und Wiederöffnungsfantasie nun wieder das Marktgeschehen dominiere, soll dies aber nicht über die Bewertungsproblematik hinwegtäuschen, heißt es einschränkend. Wohlwissen, dass diese kurzfristig kaum Erklärungsgehalt lieferten, trübten die hohen Bewertungskennzahlen mittel- bis langfristig die Ertragsaussichten trotzdem ein.

Auch die mittlerweile langsam wieder einkehrende Sorglosigkeit in gewissen Marktsegmenten stimme nachdenklich. Sowohl im Bereich der Penny Stocks, Cannabis-Werte, SPACs als auch bei den als Meme-Aktien bekannten WallStreetBets-Wetten sei nach monatelangem Rücklauf wieder verstärkte Aktivität zu beobachten. Es sei zu vermuten, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Zuflüsse in diesen Bereich aus dem zuletzt schwächelnden Segment der Kryptowährungen stamme.

Die RBI bleibt daher bei einer zunächst neutralen Positionierung und man belässt die Empfehlung unverändert für alle Aktienindizes vorerst auf Halten. Den DAX sieht man am Jahresende bei 15.500 Punkten und damit etwas unter dem aktuellen Niveau. Auf Ebene der Einzelwerte ist man dagegen teilweise deutlich optimistischer. So gibt es zu einigen der 30 DAX-Vertretern Kaufempfehlungen. BÖRSE ONLINE hat daraus fünf Kauf-Tipps herausgefiltert, bei denen die Kursziele nennenswert Luft nach oben lassen (in der Spitze von 25 Prozent).

HeidelbergCement-Aktie



Bei der ersten Empfehlung HeidelbergCement nennt RBI als Kursziel 89,70 Euro. Bei einer Schlussnotiz am Freitag von 75,82 Euro ergibt sich daraus ein Aufwärtspotenzial von gut 18 Prozent. Ende März hatte man diese Zielvorgabe um 12,70 Euro erhöht. Die Berechnung beruht dabei auf einem abgezinsten Cashflow-Modell.

Laut dem zuständigen Analysten Aaron Alber ist HeidelbergCement als ein weltweit führendes Baustoffunternehmen zwar zweifelsohne stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. Angesichts des drastischen Pandemie bedingten Einbruchs der Wirtschaft im Vorjahr hätten sich die Auswirkungen auf das Ergebnis von HeidelbergCement aber in Grenzen gehalten.

Dies habe vor allem an der ungebremsten Bautätigkeit im öffentlichen wie auch im privaten Bereich gelegen, welche die Nachfrage nach Baustoffen hochgehalten habe. Auch in diesem Jahr sieht er diese durch groß angelegte staatliche Konjunkturpakete gut unterstützt. Mittel- bis langfristig kämen der Nachfrageseite die anhaltend günstigen Finanzierungsbedingungen dank expansiver Geldpolitik zugute.

Zu den Stärken zählt Alber wie zuvor bereits angedeutet das Niedrigzinsumfeld, das eine rege Bautätigkeit begünstigt, ein geografisch ausgewogenes Portfolio, die Vorreiterrolle in der Branche in Sachen Klimaschutz sowie abnehmende Zinsaufwendungen. Als Schwächen stuft er es dagegen ein, dass Bauwirtschaft samt Zulieferer stark abhängig von der konjunkturellen Entwicklung und die Preisfestsetzungsmacht begrenzt ist.

Bei dem von der gemeinnützigen internationalen Organisation CDP erstellten Unternehmensranking, welches das Engagement von Unternehmen bei Umwelt- und Klimaschutz bewertet, konnte HeidelbergCement seine Bestnote das zweite Jahr in Folge behaupten und ist mit seinen Anstrengungen zur Verringerung der Emissionen führend im Zementsektor, so Alber.

Im Rahmen der Standortmodernisierung entwickele HeidelbergCement Technologien zur Abscheidung und Wiederverwertung von CO2. Unlängst habe man mit dem US-Materialtechnologie-Unternehmen Fortera eine neuartige Technologie präsentiert, mit der die CO2-Emissionen pro Tonne voraussichtlich um 60 Prozent verringert werden können. HeidelbergCement wolle durch derartige Maßnahmen die spezifischen Netto CO2-Emissionen pro Tonne Zement bis 2025 gegenüber 1990 um 30 Prozent auf 525 Kilogramm (2020: 576 Kilogramm) reduzieren und bis 2050 CO2-neutralen Beton herstellen.

Bei einem für das Geschäftsjahr 2021 vom Analystenkonsens unterstellten Gewinn je Aktie von 7,62 Euro ergibt sich ein geschätztes KGV von knapp zehn, was als moderat einzustufen ist. Die im Schnitt für das laufende Jahr erwartete Dividendenzahlung von 2,43 Euro verspricht eine Dividendenrendite von 3,2 Prozent.



SAP-Aktie



Bei SAP hat laut RBI ein starkes erstes Geschäftsquartal Lust auf mehr gemacht. Konsequenterweise hat der zuständige Analyst Leopold Salcher eine bestehende Kaufempfehlung, die mit einem Kursziel von 140,00 Euro versehen ist. Das ist eine Vorgabe, die um rund 22 Prozent über der Schlussnotierung von 114,80 Euro vom Freitag liegt.

Die RBI-Brancheneinschätzung für den Software-Sektor fällt auf Sicht von zwölf Monaten positiv aus. Dafür spreche anhaltend hohe Dynamik bei Cloud-Software und Software-as-a-Service und Wachstumsannahmen, die für den Bereich Unternehmens-Software für 2021 bei plus 10,8 Prozent und für 2022 bei plus 10,6 Prozent liegen. Hinzu komme, dass der Software-Sektor im Schnitt stabile Cashflows und Margen aufweise.

Analyst Salcher zählt SAP zu den weltweit führenden Anbietern von Unternehmenssoftwarelösungen, welche die verschiedenen Prozesse innerhalb der Unternehmen und über Unternehmensgrenzen hinweg organisieren. Der Verlauf des ersten Quartals 2021 sei in vielerlei Hinsicht für SAP sehr erfolgreich gewesen. Das Unternehmen habe beim Auftragseingang für das Cloudgeschäft und den Softwarelizenzen das höchste Wachstum seit fünf Jahren verbucht und beim Betriebsergebnis und bei der operativen Marge (jeweils auf bereinigter Basis) den stärksten Anstieg seit zehn Jahren verzeichnet.

Mittelfristig sollte die beschleunigte Umstellung der SAP auf das Cloudgeschäft das Umsatzwachstum beschleunigen und dem Unternehmen deutlich mehr Widerstandsfähigkeit und Planungssicherheit verleihen. Die überraschend stark verbesserte Profitabilität im abgelaufenen Quartal sei bei den Investoren durchwegs gut angekommen. Für 2021 gebe sich der Softwarekonzern nun etwas optimistischer, ausgehend davon, dass die Coronavirus-Krise langsam abklingen werde, während die Impfprogramme weltweit voranschreiten würden, sodass sich die globale Nachfrage im zweiten Halbjahr 2021 allmählich verbessern dürfte.

Die RBI erwartet im Zuge des wiedergewonnenen Momentums der Cloud-Erlöse von SAP ein "Rerating", das heißt eine schrittweise Annäherung der Bewertungs-Multiplikatoren des DAX-Vertreters an jene seiner Wettbewerber. Auf Basis des zuvor genannten Kursziels, mit dem es im Vormonat um acht Euro nach oben gegangen war, weist die Aktie laut Salcher aber immer noch einen deutlichen Bewertungsabschlag von 31 Prozent auf (Mittelwert aus KGV und dem Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIT für das Jahr 2022).

Der Analystenkonsens sieht den Gewinn je Aktie von 2021 bis 2024 von 5,30 Euro auf 6,80 Euro steigen. Auf letztgenannter Basis läuft das auf ein geschätztes KGV von 16,9 hinaus. Die im Schnitt prognostizierte Dividende für 2021 von 1,83 Euro je Anteilsschein verspricht eine Rendite von 1,59 Prozent.



Bayer-Aktie



Bei Bayer hält RBI Notierungen von 66,00 Euro für möglich. Das heißt, damit sich diese Vorgabe erfüllt, müsste dieser Titel bei einer aktuellen Schlussnotiz am Freitag von 52,66 Euro um gut 25 Prozent zulegen.

Den Kauf-Tipp für das 1863 gegründete deutsche Unternehmen mit den beiden Geschäftsbereichen Healthcare (Pharma und Consumer Health) sowie Crop Science (Pflanzenschutz, Saatgut und Düngemittel) begründet die RBI mit den vorhandenen Stärken. Gemeint sind damit eine gute Diversifikation in unterschiedlichen Geschäftsbereichen, eine defensive Positionierung mit CropScience und Pharma, ein verbessertes Momentum in der Pharma-Pipeline sowie eine günstige Bewertung.

Was Schwächen angeht, räumt man gleichzeitig ein, dass die Glyphosat-Klagen immer noch nicht gänzlich abgehandelt sind, das Vertrauen der Anleger in das Management sehr angeschlagen und außerdem eine relativ hohe Verschuldung sowie ein erhebliches Fremdwährungs-Exposure (rund 80 Prozent) zu konstatieren sind.

Die mittelfristige Wachstumsstrategie des Konzerns legt laut RBI einen starken Fokus auf die Stärkung von Umsatzwachstum, Rentabilität und des freien Cashflows. Das bereinigte Ergebnis je Aktie solle bis 2024 auf 7,00 bis 7,50 Euro steigen, weitere operative Verbesserungen sollen zudem den freien Cashflow auf fünf Milliarden Euro im Jahr 2024 nach oben schrauben.

Der Analystenkonsens sieht den Gewinn je Aktie im kommenden Jahr bei 6,52 Euro. Daraus ergibt sich ein geschätztes KGV von nur gut acht. Auf Basis der vom Analystenkonsens erwarteten Dividendenausschüttung von 2,01 Euro für 2021 errechnet sich eine Rendite von 3,82 Prozent.

Die Brancheneinschätzung für den Bereich Pharma und Biotechnologie fällt auf Sicht von zwölf Monaten positiv aus. Für diese konstruktive Haltung sorgen die zunehmende Alterung der Bevölkerung, die Nachfrage nach Konsumprodukten (OTC) dank höherem Gesundheitsbewusstsein sowie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Big Data-Analytics, was die Entwicklungszeit von Medikamenten reduziere und gleichzeitig die Kosteneffizienz verbessere. Negativ Erwähnung finden dagegen die Konkurrenz durch Nachahmerprodukte (Generika, Biosimilars) sowie der vorherrschende Preisdruck.



BASF-Aktie



Bei BASF hat die RBI das im Zuge einer Kaufempfehlung vergebene Kursziel auf 84,00 Euro festgezurrt. Im Falle einer Zielerreichung birgt diese Vorgabe gemessen an der Schlussnotiz vom Freitag von 68,55 Euro die Chance auf einen Anstieg von 22,5 Prozent.

Bei diesem Mitfavoriten handelt es sich bekanntlich um ein weltweit führendes Chemieunternehmen, das in rund 90 Ländern vertreten ist. Der Konzern gliedert sich in sechs Geschäftssegmente und setzte im Jahr 2020 rund 59 Milliarden Euro um. Laut RBI übertrag der Konzern mit den Geschäftszahlen für das erste Quartal 2021 die Markterwartungen und als Folge davon erhöhte der Vorstand die Gesamtjahresprognosen für Umsatz und EBIT.

Zu den Vorteilen zählen die Analysten unter anderem eine starke Positionierung in den meisten Geschäftsfeldern. Das in sechs Geschäftssegmente gegliederte Produktportfolio gestaltet sich wie folgt: Chemicals kam im Vorjahr auf einen Umsatzanteil von 14 Prozent, Materials auf 18 Prozent, Industrial Solutions auf 13 Prozent, Surface Technologies auf 28 Prozent, Nutrition & Care auf zehn Prozent und Agricultural Solutions auf 13 Prozent. Aus den unterschiedlichsten Bereichen werden rund 90.000 Kunden beliefert. Die breite Aufstellung ermögliche es, Schwächen in einzelnen Bereichen besser abfedern zu können.

Ebenfalls positiv Erwähnung findet die betriebene Verbundstrategie. BASF mache sich dieses Vorgehen zunutze, bei der Produktionsanlagen und ihre Energieversorgung zwecks Effizienzsteigerung intelligent miteinander vernetzt werden. Beispielsweise werde die Abwärme eines Betriebs einem anderen als Energie zur Verfügung gestellt oder Nebenprodukte an anderer Stelle als Einsatzstoff genutzt. Der Verbundstandort in Ludwigshafen sei das größte zusammenhängend entwickelte Chemieareal der Welt.

An Schwächen verweist die RBI auf Überkapazitäten bei manchen Chemieprodukten, auf die hohe Abhängigkeit von Energiepreisen und konjunktureller Entwicklung sowie auf eine selektiv schwächere Nachfrage aus einzelnen Branchen

Bei einem vom Analystenkonsens erwarteten Gewinn je Aktie von 5,07 Euro für 2022 ergibt sich ein geschätztes KGV von 13,5, das als vertretbar einzustufen ist. Die auf 3,40 Euro je Anteilsschein taxierte Dividendenzahlung für 2021 wäre gleichbedeutend mit einer Dividendenrendite von 4,96 Prozent.

Die Einschätzung der RBI zur Chemiebranche auf Sicht von zwölf Monaten ist neutral. Die M&A-Tätigkeit bleibe rege, aber in manchen Produktbereichen gebe es Überkapazitäten.



Siemens-Aktie



Der fünfte und letzte vorgestellte Kauf-Tipp der RBI aus dem DAX heißt Siemens. Das Kursziel beträgt 159,16 Euro. Das lässt bei einer Schlussnotiz vom Freitag von 136,00 Euro im Falle einer Zielerreichung theoretisch rund 17 Prozent Luft nach oben.

Der zuständige Analyst Helge Rechberger bezeichnet die Siemens AG als ein weltweit tätiges Unternehmen mit Fokus auf Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Der Konzern gliedere sich in die Divisionen Digital Industries, Smart Infrastructure, Mobility und Financial Services. Außerdem halte man Beteiligungen an Siemens Healthineers und Siemens Energy.

Siemens hat auf der Sicht von Rechberger ein starkes Quartal berichtet, mit solider Entwicklung des Kerngeschäfts und guter Nachfragedynamik, welche auf Marktanteilsgewinne schließen lasse. Erneut sei die Jahresprognose angehoben worden. Der Konzern steche mit einer durch und durch soliden Entwicklung des Kerngeschäfts hervor. Das Unternehmen profitiere von der industriellen Erholung, die Dynamik in einzelnen Endmärkten lasse allerdings auch den Schluss zu, dass Siemens von Marktanteilsgewinnen profitiere.

Als Stärken von Siemens streicht man die Stellung als weltweiter Technologie- und Marktführer in vielen Bereichen heraus sowie die große installierte globale Basis als solide Wachstumsplattform. Als günstig zu beurteilen sei auch die starke Marktstellung im Wachstumsbereich Digital Industries und Industriesoftware sowie eine verschlankte Unternehmensstruktur und erhöhte Transparenz. Hinzu komme als Pluspunkt die Schärfung des Unternehmensprofils im Nachhaltigkeitsbereich.

Als Schwächen bezeichnet man dagegen eine durchwachsene Erfolgsbilanz bei der Ausführung von Großprojekten sowie eine ebenfalls als durchwachsen eingeschätzte Erfolgsbilanz bei Akquisitionen in der Vergangenheit.

Bei einem für das Geschäftsjahr 2021/2022 (30.09.) vom Analystenkonsens erwarteten Gewinn je Aktie von 7,81 Euro errechnet sich ein geschätztes KGV von 17,4. Aus der für 2020/21 prognostizierten Dividendenzahlung von 3,56 Euro resultiert eine Rendite von 2,62 Prozent.

Die Einschätzung der RBI zur Investitionsgüterbranche gestaltet sich auf Sicht von zwölf Monaten positiv. Es finde eine zyklische Aufholjagd statt (Nachholeffekt auf der Produktionsseite durch Pandemie bedingte Unterbrechungen) und disruptive Technologien (z.B. Automatisierungstechnik, Robotik, Netzinfrastruktur, Erneuerbare Energien) rechtfertigten einen gewissen Bewertungsaufschlag.

Hinzu komme, dass Stimuluspakete weltweit nachhaltige Investitionen antrieben. Nachteilig sei dagegen eine hohe Branchenbewertungen im Vergleich zur Historie sowie Vorlaufindikatoren (z.B. Einkaufsmanagerindizes) in der Nähe der Allzeithochs. Engpässe in Lieferketten oder steigende Materialkosten könnten außerdem die Investitionsgüterbranche belasten.

Hinweis: Bei den Anlageurteilen zu den besprochenen Aktien handelt es sich um Empfehlungen des zitierten Research-Instituts. Die Meinung der dortigen Analysten kann, aber muss sich nicht mit den jeweiligen Einschätzungen der BÖRSE ONLINE-Redaktion decken.