Mit der Wahl des Briten zeigte sich selbst Hans-Christoph Hirt zufrieden. Der Direktor des Fonds-Beraters Hermes EOS, der nach eigenen Angaben mehr als 40 institutionelle Investoren der Bank vertritt, war auf der Hauptversammlung offen auf Konfrontationskurs zu den Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen gegangen und so zum Symbol des Aktionärsaufstandes geworden. Seine Botschaft an Cryan: "Klare kurz-, mittel- und langfristige Ziele setzen - und dann liefern." Eines weiteren Umbaus im Vorstand bedürfe es nicht.

Jain und Fitschen hätten nicht geliefert, was sie in Aussicht gestellt hatten, sagt einer der zehn größten Aktionäre des Geldhauses. Ankündigungen habe es genügend gegeben, nur die Erfolge seien ausgeblieben. "Die Kosten blieben hartnäckig hoch, obwohl die Bank viele Pläne für Kostensenkungen hatte, die nie kamen", sagt Huw van Steenis, Bankenanalyst bei Morgan Stanley in London. "Die Deutsche Bank wird unter der neuen Führung von einem disziplinierteren Umgang mit Kapital und - ähnlich wichtig - von einer schärferen Umsetzung profitieren", schreibt Citi-Analyst Kinner Lakhani.

"Der Vorstand hat Glaubwürdigkeit eingebüßt", ergänzt der Top-10-Aktionär. "Ein Neuanfang ist deshalb gut." Vor allem im Investmentbanking könnte Cryan noch stärkere Schnitte ansetzen als der ehemalige Investmentbanking-Chef Jain sich das getraut hätte, hoffen die Investoren. So hatte Cryan es als Finanzchef schon bei der Schweizer UBS gemacht - ohne dass diese am Markt viel Schlagkraft eingebüßt hätte. "Er weiß, wo es brennt", sagt ein Aufsichtsratsmitglied über den neuen Chef. Auch das Filialnetz in Italien und Spanien ist vielen Experten ein Dorn im Auge.

Den Anlegern war der überraschende Führungswechsel in der Spitze drei Milliarden Euro wert. Um eben diesen Betrag stieg der Marktwert der Deutschen Bank an der Börse. Das entspricht in etwa den Kosten, die das Institut in den nächsten fünf Jahren zusätzlich einsparen will. Das wird wohl nicht ohne einen massiven Stellenabbau gehen, den Cryan angehen muss.

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CRYAN KOMMT OHNE ARMEE



Dem neuen Mann kommt dabei womöglich zugute, dass er eben keine "Armee" von Vertrauten in der Bank hat wie Anshu Jain ("Anshu's Army"). "Er steht für keines der beiden Lager", sagt ein Insider. Die deutschen Privatbanker, die sich an Fitschen festhielten, hatten die Investmentbanker in London und anderswo stets misstrauisch beäugt. Andere unken, eben das könnte Cryans wunder Punkt sein. Er habe noch nie selbst eine Bank geführt, warnt Analyst Stuart Graham vom Analysehaus Autonomous Research. "Wir glauben, dass ihm Erfahrung mit dem Gerangel fehlt, das in der Deutschen Bank herrscht."

Für Aufsichtsratschef Paul Achleitner war Cryan stets der "Plan B", wenn es mit Jain nicht mehr weitergehen würde - auch wenn im Aufsichtsrat zuletzt noch ein amtierender Bankchef als zweiter Kandidat gehandelt wurde, der aber so schnell nicht zur Verfügung stand. Achleitner selbst hat das Chaos der vergangenen Monate um die Strategie und die Führung bisher unbeschadet überstanden - weil er das Vertrauen der Investoren genießt: "Er hat bei der Deutschen Bank eine sehr schwere Aufgabe und versucht das Institut auf die richtige Schiene zu bekommen", sagt der Großaktionär. "Gut, dass er eine Kehrtwende hingelegt hat, nachdem er realisiert hatte, dass der Markt den alten Köpfen keine Wende mehr zutraut."

Im Rückblick sieht alles wie Taktik aus. Es wirkte wie die erste Absetzbewegung von Jain und Fitschen, als Achleitner in einem Interview auf die Frage nach der Unersetzbarkeit des Führungsduos lapidar zurückfragte: "Wer ist das schon?" Es gehe um die Zukunft der Deutschen Bank, nicht um Einzelschicksale. Auch auf der Hauptversammlung gab er sich den Anteilseignern gegenüber ungewohnt demütig - und attestierte Jain und Fitschen eine durchwachsene Bilanz.

Fitschen hatte da schon verstanden. Er klebe nicht an seinem Stuhl, sagte der 67-Jährige, während Jain im selben Interview wie ein Löwe um seinen Posten kämpfte. Der indischstämmige Manager habe noch Zeit gebraucht, bis er einsah, dass es Zeit sei zu gehen, sagen Insider.

An der Strategie rüttelt Achleitner aber nicht. Da könne man es ohnehin nicht allen recht machen. In einer Umfrage hätten je ein Drittel der Anteilseigner ein "Weiter so" gewollt, ein Drittel eine Zerschlagung der Bank und ein Drittel den jetzt eingeschlagenen Mittelweg, so ein Insider. "Also war klar, dass immer zwei Drittel dagegen sein würden."

Reuters