Mit seiner riskanten Anlagephilosophie,
auf jene Aktien zu setzen,
um die andere Investoren
einen großen Bogen machen, hat
er Börsengeschichte geschrieben: 15 Jahre
in Folge - von 1991 bis 2005 - gelang es
ihm, mit seinem Legg Mason Value Trust
den Standard-&-Poor’s-500-Index zu schlagen.
Kein anderer Fondsmanager hat das
vor ihm auch nur annähernd geschafft.
Ein einziges Jahr aber ruinierte Bill Millers
Ruf. 2008, während der Finanzkrise,
brach der Wert seines milliardenschweren
Fonds um 55 Prozent ein - das Portfolio
war damals bis zum Rand voll mit Wetten
auf den Immobilienmarkt. Als die Kurse
massiv wegbrachen, zogen die Anleger in
Scharen ihr Geld ab. 2012 musste Miller
den Fonds, der ihn reich und berühmt gemacht
hatte, abgeben. Er übernahm nun
einen deutlich kleineren Investmentfonds -
und geriet fortan in Vergessenheit. "Ich
war ganz oben und ich war ganz unten.
Oben ist es besser", gestand er.
Bill Miller ist in Florida aufgewachsen
und interessierte sich schon sehr früh für
die Börse. Ende der 60er-Jahre während
seiner Highschool-Zeit investierte er das
Geld, das er als Schiedsrichter bei Baseballspielen
verdiente, in Aktien des Elektronikherstellers
RCA. Mit dem Gewinn kaufte er
sich einen alten Ford. Nach dem Wirtschaftsstudium
diente Miller als Geheimdienstoffizier
der US-Army in Deutschland, studierte später Philosophie und heuerte
dann bei einem Stahl- und Zementhersteller
in Pennsylvania an, wo er sich um die
Investitionen kümmerte.
Über seine Frau, die bei der Investmentfirma
Legg Mason arbeitete, lernte der
31-jährige Miller 1981 den Firmengründer
Chip Mason kennen, der ihn als Co-Manager
für seinen Value Trust einstellte.
Schnell fiel der Querdenker Miller durch
seine unkonventionellen Investments auf.
1984 besuchte er beispielsweise den einflussreichen
Fidelity-Manager Peter Lynch,
der ihm beiläufig riet, den Hypothekarversicherer
Fannie Mae unter die Lupe zu nehmen.
Fannie Mae hatte ein Portfolio voller
notleidender Kredite, Experten gingen
davon aus, dass das Unternehmen bald
bankrott sein würde.
Aber Miller fand Fannie Mae hochinteressant.
Er war überzeugt, dass die notleidenden
Kredite schon bald ausgebucht
würden. Die vom Staat gestützte Gesellschaft
würde dann in der Lage sein, Geld
zu günstigen Konditionen aufzunehmen,
und die attraktive Kostenstruktur des Unternehmens
könnte ein Investment hochprofitabel
machen. Er stieg ein - 20 Jahre
später verkaufte er seine Anteile mit 50-fachem
Gewinn.
Immer gegen den Strom
Dieser Alles-oder-nichts-Ansatz wurde
typisch für Bill Miller. Er hielt normalerweise
nicht mehr als rund drei Dutzend
verschiedene Aktien. Und er wählte stets
jene Titel aus, die wie Verlierer aussahen
und von denen er glaubte, dass sie unterbewertet
seien. Oft reichten nur wenige positive
Nachrichten für große Kurssprünge.
"Value Contrarian" nennt man solche Investoren.
Miller stand immer fest zu seinen
Investitionsentscheidungen. Mitte der
90er-Jahre etwa hielt er zu AOL, als der
Browser des Internetanbieters mit riesigen
Problemen zu kämpfen hatte und unter
dem Nutzeransturm immer wieder zusammenbrach.
Er kaufte sogar nach und fuhr
schließlich mehr als das 50-Fache seiner
Investition ein.
Miller nahm jetzt Investorengelder von
einer bis eineinhalb Milliarden Dollar pro
Jahr auf. 1990 hatte sein Fonds noch ein Volumen
von 750 Millionen Dollar. 2006 war
es auf 20,8 Milliarden Dollar gestiegen.
Millers Jahresgehalt dürfte mehr als zehn
Millionen Dollar betragen haben, sagen
Branchenkenner. Sein Lifestyle war dennoch
bescheiden. Er besaß nur ein paar
schwarze Schuhe, die er in einem Billigladen
gekauft hatte und immer wieder besohlen
ließ. Sein einziger Luxus: Die 70-Meter-
Jacht "Utopia", auf der er mit Frau und
Kindern den Sommer in der Chesapeake-
Bucht vor Baltimore verbrachte.
Als die ersten Vorboten der Finanzkrise
die Börsen beunruhigten, sah Miller dies
als Chance. Er investierte Ende 2007 in die
Investmentbank Bear Sterns und, als die
Kurse der Finanzwerte schon einbrachen,
in Merrill Lynch, Washington Mutual, Wachovia,
AIG und Freddie Mac. "Die Kurse
der Finanzwerte haben jetzt einen
Boden erreicht", beruhigte
er via Börsenbrief seine Anleger.
2008 setzte Miller weiterhin voll auf
Risiko und engagierte sich noch stärker bei
Bear Stearns. Am Freitag, dem 14. März, erklärte
er stolz auf einer Anlegerkonferenz,
dass er gerade an diesem Morgen Aktien
des Unternehmens zu einem Schnäppchenpreis
von 30 Dollar pro Stück gekauft
hätte. Kurz zuvor hatten sie noch bei 154
Dollar gestanden. Bereits am Wochenende
war Bear Sterns pleite und wurde schließlich
nach einer Intervention der US-Zentralbank
von JP Morgan übernommen -
für zwei Dollar pro Aktie.
Die Krise setzte Bill Miller zu. Erboste
Kunden riefen an. Er hatte Schlafprobleme,
wachte alle paar Stunden auf, um
die Kursentwicklung an den globalen Finanzmärkten
zu kontrollieren. Mit anderen
Fondsmanagern gründete er sogar die
Value-Investor-Selbsthilfegruppe.
Der Stress führte auch dazu, dass er über
18 Kilo an Gewicht zunahm. Seine Jacht verkaufte
er und steckte das Geld in seine Investments.
Viele Anleger zogen jetzt ihr
Geld aus dem Value Trust ab. Von den 21
Milliarden Dollar blieben gerade mal 2,8
Millionen übrig. "Ich war naiv", gab Miller
später zu. Zwar habe er als Contrarian in
der Vergangenheit oft von der Panik der Investoren
profitiert, dieses Mal jedoch die
Tiefe der Krise unterschätzt und nie daran
geglaubt, dass sie eine ganze Gruppe von
so unerschütterlich scheinenden Unternehmen
mit in die Tiefe reißen könnte. Im
letzten Jahr seiner Erfolgsserie, als er noch
der große Star der Branche war, wurde er
oft gefragt, ob jetzt nicht der beste Moment
für einen Rückzug ins Privatleben sei. "Das
wäre wirklich ein sehr kluger Schachzug
gewesen", gab Miller später zu. Aber aufhören
konnte er auch nicht, nachdem er
2012 den Value Trust abgeben musste. "Ich
bin so was wie der letzte Mohikaner. Aber
ich werde nicht verschwinden", sagte er.
Niemand glaubte ihm.
Doch der gefallene Held kam zurück.
Miller übernahm den viel kleineren Legg
Mason Opportunity Trust, einen offenen
Investmentfonds, mit dem er in den vergangenen
drei Jahren 97 Prozent der Konkurrenten
in seiner Kategorie überflügelte.
Mit einer Rendite von 67 Prozent schlug er
2013 den S & P 500 um Längen. Und das
"Wall Street Journal" zitierte einen Kollegen
mit den Worten: "So glücklich habe ich
ihn überhaupt noch nie gesehen."
PEB