Ein Treffen zum Steakessen wäre uns lieber gewesen. Doch die Block Houses sind pandemiebedingt auch in Hamburg geschlossen, dem Unternehmenssitz der Block Gruppe. Für Geschäftsbesuch offen ist aber das Hotel Grand Elysée, das ebenfalls zur Holding gehört. Dort, in der "Bibliothek", einem Veranstaltungsraum in Deutschlands mit über 500 Zimmern größten Fünf-Sterne-Haus, haben Angestellte einen Tisch mit Keksen, Wasser und Tee hergerichtet. Stephan von Bülow (63), schlank, Gardemaß, blauer Anzug und schon über 20 Jahre mitverantwortlich für die Geschicke des Unternehmens, nimmt, für einen führenden Vertreter einer Branche in der Krise, erstaunlich gelassen Platz. Deutliche Worte zum Umgang mit der Pandemie findet er trotzdem.

€uro am Sonntag: Im September warnte die Dehoga, 62 Prozent aller Hotels und Restaurants in Deutschland seien in ihrer Existenz gefährdet. Wie schlimm sieht es denn augenblicklich aus?

Stephan von Bülow: Nach jüngsten Umfragen unseres Branchenverbands will jeder vierte seinen Betrieb aufgeben. Die Not ist sehr groß, die Furcht um die Existenz auch bei den größeren Unternehmen unseres Gewerbes stark ausgeprägt.

Block-House-Restaurants hatten 2019 sechs Millionen Menschen bewirtet. Wie viele waren es 2020?

Ich habe sie nicht gezählt, aber es waren deutlich weniger, vor allem in den Innenstädten. Konkret haben wir etwa 60 Prozent des Umsatzes normaler Jahre erwirtschaftet.

Wird Ihnen helfen, dass es nun allmählich wärmer wird?

Die von der Regierung großzügig formulierten außengastronomischen Aktivitäten rechnen sich in keiner Weise. Ich kenne keinen Wirt, der mit dieser Regelung Freude haben wird. Im Gegenteil. Erst wird Ware eingekauft und am nächsten Tag ist das Wetter schlecht. Das Personal muss bezahlt werden und das Kurzarbeitergeld fällt weg. Da sagen die meisten Gastronomen, das tue ich mir nicht an, das ist wirtschaftlich der Super-GAU.

Firmengründer Eugen Block hatte die Berliner Corona-Politik bereits vor einem Jahr heftig kritisiert …

… und ich selbst bin dafür gescholten worden, als ich sagte, dass sich das ein Stück weit wie eine Enteignung anfühlt. Sie können zugucken, wie ihr Eigenkapital abgeschmolzen wird, und je nachdem, wie lange Sie geschlossen sind, steht dann die Insolvenz vor der Tür. Wenn dann keine Unterstützung kommt, kann ich schon verstehen, wenn dem ein oder anderen der Kragen platzt.

Und die etwas abgeklärtere Sicht?

Es gibt in dieser Situation für die Politiker keine Blaupause. Dass man da Fehler macht, ist nachvollziehbar. Aber: Wenn man sich entschließt, die Restaurants zuzumachen und so massiv in die Grundrechte eingreift, dann muss man dafür im Gegenzug eine Entschädigung bezahlen.

Ihnen auch?

Kurzarbeitergeld - für das wir ja auch einzahlen - und die Verringerung der Mehrwertsteuer ist für ein Unternehmen unserer Größenordnung zu wenig. Jeden Monat, in dem wir geschlossen sind, verlieren wir fünf Millionen Euro Ergebnis. Und da finde ich: Wenn die gesamte Gesellschaft daran partizipiert, dass man die Restaurants schließt, um das Infektionsgeschehen zu reduzieren, muss man auch solidarisch die Schäden tragen. Die Hilfe, die gewährt wird, ist so kompliziert, das selbst Steuerberater nicht mehr durchblicken. Wie soll dann ein kleiner Gastronom das verstehen?

Vergangenen September haben Sie juristische Schritte eingeleitet.

Ja, wir lassen die Verordnung der verschiedenen Länder zur Eindämmung der Corona-Pandemie von den Verwaltungsgerichten überprüfen und haben zusätzlich über die Zivilgerichte auf Schadensersatz geklagt. Von einigen Politikern hörte ich, sie seien sehr angefasst. Da kann ich nur sagen: Verdreht doch nicht Ursache und Wirkung. Höchstrichterlich entschieden wird das wohl erst in fünf bis sieben Jahren. Wir brauchen die Liquidität aber jetzt. Was ist der Rechtsstaat wert, wenn du dein Recht möglicherweise gar nicht mehr bekommen kannst, weil du dann nicht mehr da bist? Deshalb sollte so etwas schneller durchgeurteilt werden.

Hilft der Gastronomie wenigstens die Senkung der Mehrwertsteuer bis Ende 2022?

Viele Unternehmen unserer Branche haben während und wegen Corona KfW-Kredite aufnehmen müssen, die sie binnen fünf Jahren zurückführen sollen. Ohne dauerhafte Minderung der Mehrwertsteuer ist es aber schlichtweg unmöglich, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Und Ihr Standpunkt zu den Wirtschaftsbeihilfen?

Mir wäre eine Verlängerung der Rückzahlungszeiträume für die KfW-Darlehen wichtig. Warum? Das erste Jahr war tilgungsfrei, aber 2021 müssten wir anfangen zu tilgen. Bei 42 Millionen Euro kann man sich ausrechnen, wie viel pro Jahr zurückgeführt werden muss. Das ist undenkbar, solange die Restaurants geschlossen sind.

Wie könnte es denn gehen?

Wir würden uns wünschen, die KfW-Darlehen in Mezzanine-Kapital umzuwandeln. Der Bund bürgt in unserem Fall, also bei Darlehen über zehn Millionen Euro, für 80 Prozent. Die könnte man doch als Eigenkapital, ergänzend oder ersetzend, einbringen, es also von der Fremd- auf die Eigenkapitalseite transferieren und damit sämtliche Bilanzkennziffern verbessern. Damit bekäme man ein besseres Rating, würde weniger Zinsen für alle Kredite zahlen müssen und sofort eine bessere Bilanzsituation haben. Ich würde das als kreatives Financial Engineering bezeichnen.

Im Januar ging Ihr Konkurrent Maredo pleite. Profitiert Block House von der Marktbereinigung?

Ich finde es erst mal bedauerlich, dass ein Wettbewerber weg ist. In diesem Fall war es schon länger absehbar, dass es schwer wird für dieses Unternehmen. Aber es gibt neue Konzepte. Schauen Sie sich etwa The ASH an, ein sehr erlebnisorientiertes Steakhauskonzept mit toller Innenarchitektur überwiegend im Westen der Republik.

Apropos Konzepte: Hätten Sie nicht das Thema Edelburger mehr pushen sollen, als sich der diesbezügliche Boom abzeichnete?

Tatsächlich ist der Markt der Burger-Restaurants in den vergangenen Jahren explodiert. Wir merken natürlich, dass der Wettbewerb stärker geworden ist, insbesondere durch die beiden Full-Service-Angebote von Peter Pane und Hans im Glück. Im Gegensatz zu denen verstehen wir Jim Block aber als Counter-Gastronomie. Ich glaube, dass viele von den Independents den Markt wieder verlassen werden. Man sieht schon jetzt, dass eine Marktbereinigung stattfindet. Der große Hype ist vorbei.

Trotzdem bleiben Sie dabei.

Wir haben die Jim Block-Restaurants entwickelt, um unsere Steak-Abschnitte zu verarbeiten. Und da muss man gucken, wie viele Restaurants ich damit beliefern kann und wie viel ich zukaufen müsste, wenn ich neue Restaurants eröffne. Klar, wenn es einen guten Standort gibt, dann nehmen wir den auch. Aber wir wollen nicht auf Teufel komm raus wachsen. Unser Kerngeschäft, ganz klar, sind unsere Steakrestaurants. Da wachsen wir auch.

Ändern Sie sich auch? Andere Betriebe der Fleischindustrie haben längst die Vegetarier und Veganer als Umsatzbringer entdeckt …

… und Jim Block bietet bereits jetzt vegetarische Burger. Wenn unsere Restaurants wieder aufmachen dürfen, werden unsere Gäste sie auch auf der Block House-Speisekarte finden. Und im Lebensmitteleinzelhandel gibt es unseren veganen Burger zu kaufen. Denn die Gruppe mit derzeit zwei Prozent Veganern und 15 Prozent Vegetariern wächst zwar langsam, aber sie wächst.

Und mit ihnen die Anzahl der Menschen, die die Nachhaltigkeit der Produktion von rotem Fleisch bezweifelt.

Wir stellen fest, dass insbesondere die jüngere Zielgruppe für dieses Thema sensibilisiert ist. Und haben uns schon vor Corona in Sachen Nachhaltigkeit auf den Weg gemacht; es ist eines der wichtigsten Ziele für die Zukunft. Unsere unternehmerische und gesellschaftliche Verpflichtung ist es, beim CO2-Ausstoß besser zu werden.

Wie zum Beispiel?

Wir haben einen Mitarbeiter eingestellt, der sich ausschließlich um solidarische und ökoeffiziente Landwirtschaft kümmert. Zurzeit untersucht er mit einer Uni die These, dass Weideland genauso viel CO2 bindet wie Wald. Wenn das stimmt, würde das einiges in der öffentlichen Diskussion auf den Kopf stellen. Außerdem scheint es so zu sein, dass Weideland klimafördernd ist. Das wollen wir weiter untersuchen, mit Forschungsgeldern unterstützen und in die öffentliche Diskussion einbringen …

… um damit auch für Anleger interessant zu werden? Ein Block House am Börsenplatz in Frankfurt haben Sie schon.

Nein, die Block Gruppe bleibt zu 100 Prozent Familieneigentum.

Dabei sähen Experten Sie ideal aufgestellt, weiteres Wachstum über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Was spricht denn dagegen?

Dass Eugen Block nie auf die Idee kommen würde, sein Unternehmen auch nur teilweise zu veräußern. Sich mit fremden Leuten an den Tisch zu setzen, ist für ihn völlig undenkbar. Da verliert man ja seine Unabhängigkeit. Wie sagt er immer zu mir: Kumpanei ist Lumperei.
 


Vita:
Der Fleisch-Versteher

Mit 54 Block-House- und zwölf Jim-Block-Restaurants gehört die 1968 von Eugen Block gegründete Gruppe zu den führenden Systemgastronomen in Deutschland. Stephan von Bülow, nach Stationen unter anderem bei der Lufthansa und der Deutschen Bahn schon von 1999 bis 2010 an der Unternehmensspitze, löste Gründersohn Dirk Block vor zehn Jahren als Vorsitzender der Geschäftsführung ab. Er fungiert auch als Vorsitzender der Fachabteilung Systemgastronomie des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Der verheiratete Vater von drei Söhnen lebt in Hamburg. Und isst allenfalls zwei Mal in der Woche Fleisch.