Bis vor Kurzem haben wir unseren Blick auf zwei miteinander verwandte Neuerungen gerichtet: Internet der Dinge und Industrie 4.0. Das Internet wird in den kommenden Jahren nicht nur Menschen und Organisationen verbinden, sondern auch immer mehr Menschen, Dinge und Maschinen - oder auch Maschinen unter sich. Unter dem Schlagwort Industrie 4.0 versteht man das Schlauer-werden von Maschinen, die in den nächsten Jahren durch neue Sensoren, Mikrochips und Algorithmen immer effizienter arbeiten werden. Die Kombination dieser beiden Trends wird jeden Markt und jede Branche nachhaltig verändern.

Schaut man genauer hin, stellt man jedoch fest, dass nach wie vor eine zentrale Gelenkstelle bei der Konstruktion der neuen digitalen Welt fehlt: Was passiert, wenn immer mehr Menschen mit Maschinen und Menschen unter sich kommunizieren und dabei - was eigentlich banal ist - Transaktionen stattfinden und Geld fließt? Sind wir überhaupt darauf eingestellt, dass in einer derart technisierten Welt auch Zahlungen seriös abgewickelt werden können?

Die Antwort auf diese Frage heißt Blockchain. Dabei handelt es sich um eine innovative Art und Weise, Daten zu verschlüsseln. Blockchain ist eine Technik zur Speicherung von Daten, die von der Entwicklergemeinde um das Open-Source-Projekt Bitcoin erfunden und für die digitale Währung optimiert wurde. Man kann sich eine Blockchain als eine Kette von Datenblöcken vorstellen, die Transaktionen präzise speichert (daher auch der Name).

Wenn Person A in China 100 Geldeinheiten an Person B in Argentinien überweist, wird dies in einem neuen Datenglied der Blockchain vermerkt und an die Kette angehängt. Wenn B davon 50 Geldeinheiten an C in Berlin weiterreicht, entsteht der nächste Datenblock. Die Kette ist damit so etwas wie eine sich ständig aktualisierende Datenbank. Jedoch gibt es einen gravierenden Unterschied: Die Blockchain ist nicht - wie eine konventionelle Datenbank - auf einem zentralen Rechner gespeichert. Sie liegt und aktualisiert sich ständig auf jedem Rechner, der Teil eines Blockchain-Netzes ist. Dadurch sollen sich folgende Vorteile ergeben:

Dezentralität: Es gibt keine zentrale Kontroll- oder Überwachungsinstanz. Willkürliche Eingriffe in das System, zum Beispiel von Kriminellen oder staatlichen Stellen, sind ausgeschlossen.

Anonymität: Kontoinhaber in einem auf der Blockchain basierenden Zahlungssystem sind anonym. Niemand kann auf den Besitzer einer digitalen Geldbörse ("Wallet") schließen, da kein öffentlicher Schlüssel existiert. Menschen können alle erdenklichen Geschäfte miteinander machen und Verträge schließen, auch wenn sie sich nicht persönlich kennen. Die Bitcoin-Blockchain beweist seit rund zehn Jahren, dass dies sogar möglich ist, wenn die Partner anonym bleiben.

Transparenz: Transaktionen sind immer öffentlich, weil sie dem gesamten Netzwerk mitgeteilt und für alle sichtbar in der Blockchain vermerkt werden.

Unmöglichkeit von Manipulationen: Nachträgliche Veränderungen der Blockchain sind ausgeschlossen, weil jede Transaktion fest mit einer vorangegangenen Transaktion verkettet ist. Transaktionen können, nachdem sie einmal verifiziert sind, nicht mehr rückabgewickelt werden.

Schnelligkeit: Transaktionen können schneller abgewickelt werden als in vielen anderen elektronischen Zahlungssystemen, weil die Verifikation bereits Teil des Systems ist.

Die Entwicklung der Technologie ist rasant. Mehr als eine Milliarde US-Dollar wurde im vergangenen Jahr in rund 120 Blockchain-Start-ups investiert. Eine Open-Source-Technologie wie die Blockchain soll eine Welt ohne Notare ermöglichen, die gigantische Summen für Beurkundungen aufrufen, die nur wenige Minuten in Anspruch nehmen. Blockchain könnte Banken helfen, effizienter zu arbeiten, mit ihr ließen sich alternative Online-Marktplätze schaffen, bei denen die großen Anbieter des Internets nicht bei jeder Transaktion kräftig mitkassieren - integre und transparente Handelspattformen ohne Besitzer.





Die Profiteure



Versicherungen stehen wegen des Niedrigzinsumfelds vor großen Herausforderungen. Die Allianz setzt deshalb auch auf Zukunftstechnologien wie Blockchain. Der Konzern hat kürzlich einen erfolgreichen Testlauf mit einer Blockchain für Finanzinstrumente durchgeführt. Sowohl der Handel mit sogenannten Katastrophen-anleihen ("Cat-Bonds") als auch die Verwaltung dieser Wertpapiere lasse sich mit dem "digitalen Kassenbuch" vereinfachen und deutlich beschleunigen. "Auf unserem Weg hin zu einem digitalen Versicherer verspricht die Blockchain transparentere, bequemere und schnellere Leistungen für unsere Kunden", betont Solmaz Altin, Chief Digital Officer bei der Allianz.

IBM setzt auf Zukunftstechnologien wie Cloud, Analytics und Blockchain. Das starke Wachstum macht Hoffnung, dass IBM die jahrelange Durststrecke endlich überwinden kann. IBM hat dabei ein relativ konkretes Geschäftsmodell im Auge: Blockchain-as-a-Service. Das klingt zunächst widersinnig, weil es dem Gedanken einer gänzlich transparenten Blockchain widerspricht. Doch eine solche kundenfreundliche Lösung wird IBM wohl schon in diesem Jahr vorlegen (während die bröckelnde Bitcoin-Community noch um den richtigen Kurs streitet). In der IBM-Cloud können Blockchain-Netzwerke relativ einfach umgesetzt und für Tausende Nutzer verfügbar gemacht werden. Dafür hat der Cloud-Anbieter eine eigene Architektur entwickelt, die an bestehende Sicherheitsstandards und regulatorische Vorgaben (etwa im Gesundheitswesen) angepasst ist.

Der weltweit größte Kreditkartenanbieter, Visa, lässt vor allem in Indien künftige Anwendungen der Blockchain-Technologie erforschen. DocuSign, ein Blockchain-Start-up, das sich auf digitale Transaktionen und elektronische Signaturen konzentriert, hat für Visa eine App entwickelt, die in einigen Jahren Carsharing und vernetztes Fahren unterstützen soll. Auch Autokauf und -leasing sollen auf diesem Wege digitalisiert und deutlich einfacher abzuwickeln sein. Mit der "Visa payWave card" bietet der Kreditkartenkonzern zudem die Möglichkeit, kontaktlos direkt per Near Field Communication (NFC) durch Vorhalten der Karte an einem gesicherten System zu bezahlen. Im August 2010 startete Visa Europe auch in Deutschland ein Pilotprojekt zusammen mit der DKB zur Einführung der "Visa CodeSure"-Karte, die über einen zufälligen Sicherheitscode verfügt, der über ein Tastenfeld auf der Karte generiert wird.