Im Moment melden sich einige zu Wort. "Bei BMW ist nur jeder zweite Chef richtig gut", sagt ein Branchenexperte, der Biss und klare Kante vermisst. Skeptiker legen Krüger seine zurückhaltende Art als Führungsschwäche aus. Keine Frage: Im Vergleich zur Konkurrenz ist es ruhig geworden um BMW. Beim Thema Elektromobilität trommeln viele Rivalen lauter. Krüger hat verstanden: "Wir schalten jetzt auf Angriff", kündigt er auf der Jahrespressekonferenz an.

Viele neue Modelle sollen es richten. "Wir waren immer ein ehrgeiziges Unternehmen", betont Krüger. "Ich verspreche Ihnen, das wird so bleiben. Der Nummer-1-Anspruch gilt für uns." Das ist auch ein Signal an seinen machtbewussten Vorgänger Norbert Reithofer. Er hatte BMW zum unangefochtenen Marktführer in der Oberklasse gemacht und große Fußstapfen hinterlassen. Die ersten fünf von bislang sieben Rekordjahren in Folge gehen auf Reithofers Konto. Krüger präsentiert nun in seinem ersten vollen Jahr als Vorstandschef zwar ebenfalls eine Bestmarke beim Konzerngewinn. Aber es ist dennoch eine Bilanz mit Makeln: BMW wurde 2016 beim Absatz vom Dauerrivalen Daimler überholt - die Premiummarke Mercedes verkaufte mehr Fahrzeuge als die Kernmarke der Münchner. Noch dazu fuhren die Schwaben in der zentralen Autosparte etwas mehr Rendite ein. Nach Einschätzung von NordLB-Branchenanalyst Frank Schwope erhöht das den Druck auf Krüger. "Er muss zeigen, dass ihm das Geschäft nicht aus dem Ruder läuft. Er muss zeigen, dass er mit Mercedes wirklich konkurrieren kann."

Dass BMW nicht mehr die Nummer 1 in der Oberklasse ist, wurmt besonders Reithofer, der inzwischen als Aufsichtsratschef die Fäden in der Hand hält. Er machte seinem Ärger unlängst bei einem Treffen mit Führungskräften Luft, wie Insider berichten. Nicht bei allen sei das gut angekommen. Auch Reithofer wisse, dass Mercedes im Moment das frischere Design und die jüngeren Modelle habe. Und dass künftig die höchsten Verkaufszahlen nicht mehr ausreichten, um hohe Margen zu sichern. Denn das Geschäft der Autobauer wandelt sich, weg vom bloßen Verkauf von Fahrzeugen hin zum Angebot vernetzter Mobilität.

Autos sollen nicht nur sauberer werden. Sie sollen künftig auch digitale Diener sein, die ihrem Nutzer online bei der Routen-, Termin- oder Alltagsplanung helfen. Krüger muss den Konzern durch diesen Umbruch der gesamten Branche lotsen. Weitere Herausforderungen kommen hinzu: Die weltgrößten Absatzmärkte China und USA schwächeln, der bevorstehende Brexit sorgt für Unsicherheit.

"SO STARK WIE NIE"



Ein Top-20-Investor findet die Themen 'Vernetztes Fahren' und E-Mobilität viel wichtiger als die ewige Debatte über die Absatzkrone. Unter Krüger arbeitet BMW zwar mit dem US-Chipriesen Intel und dem israelischen Kamera-Spezialisten Mobileye an selbstfahrenden Autos, tüftelt mit dem IT-Dienstleister IBM an künstlicher Intelligenz. Aber der Fondsmanager würde sich wünschen, dass Krüger die Zukunftsstrategie klarer umreißt und kommuniziert: "Man hört wenig von BMW, wo sie hinwollen. Bei der Elektromobilität hört man von anderen Herstellern mehr." Die Münchner seien 2013 mit ihrem strombetriebenen i3 zu früh auf den Markt gekommen und hätten wegen der enttäuschenden Verkaufszahlen dann stark auf die Bremse getreten. Als die E-Mobilität in den vergangenen zwei Jahren dank Dieselgate und Kaufprämie wieder schick wurde, habe BMW nichts Neues im Angebot gehabt - während die Konkurrenz mit Ankündigungen glänzte. Auch beim Thema automatisiertes Fahren müsse der BMW-Chef klarer machen, womit sich sein Haus von der Konkurrenz unterscheiden wolle, fordert der Investor. "Das ist Krügers Chance. Aber er hat sie noch nicht genutzt."

Die Börse scheint das ähnlich zu sehen, die BMW-Aktie ist seit dem Amtsantritt von Krüger im Mai 2015 nicht in Fahrt gekommen, im Gegenteil: Der Index für die Automobil-Branche der Euro-Zone verlor seither rund zwölf Prozent. BMW büßte im gleichen Zeitraum 21 Prozent ein und ist damit nach Volkswagen und dessen Mehrheitsaktionär Porsche SE, die wegen "Dieselgate" jeweils mehr als 40 Prozent eingebüßt haben, der schwächste Wert des Sektors. Krügers Antwort: "Der Aktienkurs ist etwas, was uns wichtig ist. Deshalb erhöhen wir die Dividende."

In der Belegschaft erfreut sich der 51-Jährige trotz aller Kritik nach wie vor großer Beliebtheit. Der Chef diskutiere viel, höre zu, habe BMW im Innern demokratischer gemacht, loben Mitarbeiter. Sein großer Vorteil: Nach einem Vierteljahrhundert im Konzern ist der gebürtige Freiburger ausgesprochen gut verdrahtet. Er startete 1992 als Trainee bei BMW und stieg über Stationen in den USA, Deutschland und Großbritannien steil auf. Seine makellose Karriere führte ihn dann direkt in die Vorstandsetage.

Die wichtigste Rückendeckung bekommt Krüger derzeit von der Familie Quandt, der fast die Hälfte an BMW gehört und die eher in Generationen als in Jahren denkt. Die Familie habe sich erst vor kurzem wohlwollend über Krüger und seine neue Strategie geäußert, berichtet einer, der mit den internen Beratungen vertraut ist. "Da gibt es überhaupt keinen Zweifel an Krüger." Ein anderer hochrangiger Entscheider, der Konzern und Manager seit Jahren kennt, meint: "Harald Krüger ist so stark wie nie."

rtr