Die Finanzaufsicht BaFin und die beim Wirtschaftsministerium in Wiesbaden angesiedelte hessische Börsenaufsicht erklärten nur Stunden nach Bekanntwerden des Rücktritts, dass sie die angekündigte Zuverlässigkeitsprüfung Kengeters nicht mehr vornehmen werden.

Zuletzt hatten Insider dem bisherigen Finanzchef Gregor Pottmeyer die besten Chancen eingeräumt, wenigstens für eine Übergangszeit. Aber auch andere Vorstandsmitglieder wurden genannt. Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) sagte zu Reuters, die Börse benötige nun einen nicht nur in der Branche gut vernetzten Chef, sondern einen Top-Manager, der auch intensive Beziehungen zur Landes- und Bundespolitik habe. Denn die Politik hat bei der Börse einen großen Einfluss. "Für die Deutsche Börse AG gilt es nach der britischen "Brexit"-Entscheidung jetzt, die führende europäische Börse zu werden", sagte Nieding.

An den Finanzmärkten wurde die Aussicht auf einen personellen Neuanfang mit Erleichterung aufgenommen. Die im Leitindex Dax notierte Börse-Aktie verteuerte sich um fast ein Prozent. Nach Handelsschluss werden auch noch die Quartalszahlen des Konzerns erwartet.

WIE GEHT ES WEITER?



Der Druck auf Kengeter war zuletzt massiv gestiegen: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte erst Anfang der Woche die Ermittlungen gegen ihn wieder aufgenommen, nachdem zuvor ein Deal mit der Justiz am Widerspruch des zuständigen Gerichts gescheitert war. Sowohl im Aufsichtsrat als auch bei großen Aktionären der Börse hatten sich zuletzt die Stimmen gemehrt, die eine Ablösung Kengeters forderten. Der durch die Affäre enstandene Imageschaden für die Börse sei zu groß.

Kengeter wird vorgeworfen, er habe Aktien der Deutschen Börse erworben, um von Kursgewinnen zu profitieren - als er bereits plante, die Londoner Börse LSE zu übernehmen. Dieses Vorhaben war später gescheitert. Kengeter beteuert bis heute seine Unschuld. Aufsichtsratschef Joachim Faber, der das umstrittene Aktienoptionsprogramm auf den Weg brachte, hatte sich lange hinter Kengeter gestellt. Allerdings war der Druck zuletzt auch auf Faber gestiegen - intern wie extern.

Der Deal mit der Staatsanwaltschaft sah die Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung von 500.000 Euro durch Kengeter vor. Das Amtsgericht Frankfurt durchkreuzte die Pläne. Insider hatten daraufhin die Chanchen auf eine Verlängerung des Ende März 2018 auslaufenden Vertrages für den Manager als mehr oder weniger gleich null bezeichnet.

Doch selbst wenn der Deal geklappt hätte, wäre Kengeter noch nicht vom Haken gewesen. Denn die Finanzaufsicht BaFin und die hessische Börsenaufsicht in Wiesbaden wollten anschließend die Zuverlässigkeit Kengeters in zwei getrennten Verfahren unter die Lupe nehmen. Die beiden Aufsichtsbehörden teilten am Donnerstag mit, dass diese Untersuchungen nicht mehr erfolgen sollen, da sie ohnehin nicht bis Kengeters Abgang beendet worden wären. "Wir erwarten unabhängig davon, dass das Unternehmen weiterhin seinen Aufgaben als Träger der Frankfurter Wertpapierbörse in vollem Umfang nachkommen wird", sagte ein Sprecher des hessischen Wirtschaftsministeriums.

rtr