Die restlichen 35,1 Prozent wolle Siemens innerhalb von 12 bis 18 Monaten "deutlich" abschmelzen. Die Beteiligungsquote war konzernintern lange umstritten; die Lösung dürfte ein Kompromiss sein. Siemens-Chef Joe Kaeser, der den Aufsichtsrat von Siemens Energy führen soll, hatte zuletzt bis zu 49 Prozent genannt, die aber schnell auf 25 Prozent abschmelzen sollten.
Die Informationen finden sich den Insidern zufolge im Abspaltungsvertrag mit Siemens Energy, der im Handelsregister hinterlegt wurde. Die Tageszeitung "Die Welt" hatte als erste daraus zitiert. Siemens und Siemens Energy wollten sich zu den Angaben zunächst nicht äußern. Sie verwiesen auf die geplante Veröffentlichung des Abspaltungsberichts am Dienstag. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 9. Juli soll formal über die Trennung entschieden werden.
Der Konzern will die renditeschwache Tochter Ende September an die Frankfurter Börse bringen, indem deren Aktien mehrheitlich an die Siemens-Aktionäre verteilt werden. Jeder Anteilseigner werde dem Abspaltungsvertrag zufolge für je zwei seiner Papiere je eine Siemens-Energy-Aktie ins Depot gebucht bekommen, wie die Insider sagten.
Mit einer Beteiligung von 35,1 Prozent an Siemens Energy muss der Münchner Konzern die Gewinne und Verluste der Tochter in der Bilanz nur noch anteilig berücksichtigen. Auf die beim Pensionsfonds liegenden 9,9 Prozent hat Siemens formal keinen Zugriff. Der Preisdruck bei konventionellen Kohle- und Gas-Kraftwerken und der Trend zu erneuerbaren Energien hatte die Renditen der Energie-Sparte in den vergangenen Jahren schmelzen lassen. Kaeser erhofft sich für das verbleibende Geschäft mit Industrieautomatisierung, Gebäudetechnik und Infrastruktur sowie Verkehrstechnik höhere Renditen und damit eine bessere Bewertung für die Siemens-Aktie. In Siemens Energy soll auch die spanische Windkraft-Tochter Siemens Gamesa aufgehen, an der der Konzern 67 Prozent hält.
Der Streit um die Konditionen für die Abspaltung hatte Ende März zum abrupten Abgang von Michael Sen geführt, der Siemens Energy als Vorstandschef an die Börse führen sollte. Er hatte Insidern zufolge auf mehr Freiheit und einen geringeren Siemens-Anteil gepocht, wurde infolge des Streits aber kurzerhand durch den Linde-Manager Christian Bruch ersetzt. Dem Abspaltungsvertrag zufolge begnügt sich die Siemens AG mit drei Sitzen im 20-köpfigen Aufsichtsrat von Siemens Energy, einen davon besetzt Finanzvorstand Ralf Thomas.
Mit Spannung erwartet wird, wie Siemens Energy finanziell ausgestattet wird. Offen ist auch das Hauptquartier: Kaeser hatte gesagt, der Vorstand werde an einem der großen Standorte von Siemens Energy sitzen; zuletzt galten München und Berlin als Favoriten. Juristischer Sitz von Siemens Energy ist jedenfalls die bayerische Landeshauptstadt.
rtr