"Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann", begründete Gauck seinen Rückzug. Die Entscheidung wurde parteiübergreifend mit Respekt und Bedauern aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigten an, bei der Suche nach einem Nachfolger Gespräche über ihre Parteigrenzen hinweg zu führen. Die Nachfolgedebatte gewann unterdessen an Fahrt. Als mögliche Anwärter auf das höchste Staatsamt wurden unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier oder Verfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle genannt.

Gauck sagte, die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. Ihm sei aber bewusst, "dass die Lebensspanne zwischen dem 77. und dem 82. Lebensjahr eine andere ist als die, in der ich mich jetzt befinde". Er werde bis zum Ende seiner Amtszeit am 17. März 2017 seine Aufgaben weiter "mit Hingabe und mit Freude erfüllen". Die Wahl des neuen Staatsoberhaupts durch die Bundesversammlung soll am 12. Februar stattfinden.

Der ehemalige evangelische Pfarrer und langjährige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde war im Mai 2012 zum Nachfolger des zurückgetretenen Christian Wulff gewählt worden. Er wurde von einer Fünf-Parteien-Allianz aus CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen unterstützt. Umfragen bescheinigen Gauck hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Maximal sind zwei Amtsperioden von je fünf Jahren als Bundespräsident möglich.

"WIR HABEN GUTE GRÜNDE, UNS ZUKUNFT ZUZUTRAUEN"



Das Staatsoberhaupt betonte, Deutschland habe funktionierende Institutionen, so dass der Wechsel im Amt des Bundespräsidenten kein Grund zur Sorge sei, sondern "vielmehr demokratische Normalität". Dies gelte "auch in fordernden, auch in schwierigen Zeiten". "Wir haben gute Gründe, uns Zukunft zuzutrauen", sagte der im Januar 1940 in Rostock geborene Gauck.

Merkel hätte sich nach eigenen Worten eine zweite Amtszeit Gaucks gewünscht. Sie versprach, Gespräche über einen Nachfolgekandidaten würden von ihr nicht nur zwischen CDU und CSU geführt. "Wir werden auch darüber hinaus Gespräche führen", sagte die Kanzlerin. Sie verwies auf die Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Herbst, nach denen erst die Stimmverteilung in dem Wahlgremium klar ist. Entscheidungen würden "in aller Ruhe ... im Lichte der Zusammensetzung der Bundesversammlung" getroffen.

GABRIEL: ALLE REDEN MIT ALLEN



SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigte an: "Es werden in den nächsten Wochen und Monaten alle mit allen reden." Zugleich würdigte der Vizekanzler Gauck als "großen Präsidenten". Er habe sein Versprechen umgesetzt, ein Präsident aller Deutschen zu sein. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, Gauck habe den Menschen Orientierung gegeben und sie zusammengeführt. Die CSU werde "in aller Ruhe mit Vernunft und Disziplin" über die Nachfolge sprechen. "Zu einem hektischen Übereifer besteht kein Anlass".

Während die Grünen Gaucks Ausscheiden ebenfalls bedauerten, sagte Linken-Chefin Katja Kipping, die Entscheidung stoße ein Fenster auf. Ihre Partei stehe für eine parteiübergreifende Kandidatur "im Zeichen von sozialer Gerechtigkeit und Weltoffenheit" zur Verfügung. FDP-Chef Christian Lindner sagte, das Land brauche weiter einen "Mutmacher" an der Spitze. Für die FDP zähle "die Persönlichkeit, nicht die Parteizugehörigkeit".

VIELE NAMEN WERDEN GEHANDELT



Die Kandidatensuche gilt als heikel, da mögliche Parteienabsprachen als Signal für die im Herbst anstehende Bundestagswahl gewertet werden dürften. Sowohl Merkel wie auch Gabriel sehen sich mit Forderungen aus ihren Parteien konfrontiert, einen Kandidaten aus den eigenen Reihen ins Rennen zu schicken und diesen notfalls gegen den Koalitionspartner durchzusetzen.

Schon am Wochenende hatte nach einem Medienbericht zu Gaucks Entscheidung die Debatte über Nachfolger begonnen. Als mögliche Anwärter auf das höchste Staatsamt gelten Bundestagspräsident Lammert (CDU), CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Bundesaußenminister Steinmeier (SPD), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ebenso wie Verfassungsrichter Voßkuhle genannt. Aus dem Lager der Nicht-Politiker wurden der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Allmendinger, und dem Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, Chancen eingeräumt.

Reuters