Mit Differenzkontrakten (Contracts for Difference, CFD) ist es ein bisschen wie mit dem Rauchen. Ähnlich wie auf den Zigarettenpackungen gibt es auch bei CFDs neuerdings einen Warnhinweis. Der Handel mit ihnen schadet zwar nicht direkt der Gesundheit, dafür aber dem Kontostand. "81 Prozent der Kleinanleger verlieren Geld beim CFD-Handel mit diesem Anbieter", ist auf der Internetseite des Weltmarktführers im CFD-Trading, IG Markets, zu lesen. Bei Wettbewerbern sieht es nicht anders aus: Bei CMC Markets sind es 80 Prozent, bei Markets.com 76 Prozent. Und weiter: "Sie sollten überlegen, ob Sie verstehen, wie CFDs funktionieren, und ob Sie es sich leisten können, das hohe Risiko einzugehen, Ihr Geld zu verlieren."
Verantwortlich für den Risikohinweis ist die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA aus Paris, die den Anbietern im August 2018 zusammen mit den nationalen Finanzaufsehern gehörig auf die Finger geklopft hat - aus Anlegerschutzgründen, wie es bei den Behörden heißt. Neben dem Hinweis auf das Verlustrisiko haben die Aufseher um ESMA-Chef Steven Maijoor auch die Hebel gekappt, die viele CFD-Anleger gelockt hatten. Sie hatten es ermöglicht, auch bei kleinen Kursbewegungen dicke Gewinne einzufahren - oder eben große Verluste, weshalb es bis vor einiger Zeit sogar möglich war, mehr Geld zu verlieren, als überhaupt auf dem CFD-Konto war. Waren bis dato je nach Produkt Hebel von bis zu 500 erlaubt, ist nun bei 30 Schluss. Für Aktien-CFDs müssen zudem mindestens 20 Prozent des bewegten Kapitals hinterlegt werden, bei Kryptowährungen sogar die Hälfte (zur Funktionsweise von CFDs siehe Seite 3).
Die Behörde hatte die Regelungen zunächst nur für drei Monate erlassen, diese aber mittlerweile zweimal verlängert, zuletzt zum 1. Februar 2019. Eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) machte gegenüber €uro klar, dass die vorläufigen Beschlüsse immer wieder um drei Monate verlängert werden könnten, solange sich aus Behördensicht nichts Grundsätzliches an den Risiken für Anleger ändere. Eine finale Frist gebe es nicht. Allerdings strebten die "nationalen Regulierer eine dauerhafte Lösung an".
Kleinere Hebel bedeuten weniger Geschäft: Nach Erkenntnissen der ESMA sind die Zahl der Kleinanlegerkonten, das Handelsvolumen und das von Kleinanlegern in CFDs investierte Gesamtkapital in der EU in den ersten drei Monaten nach Inkrafttreten der Regeln gesunken. In Deutschland sei die Zahl der Konten laut heimischem CFD-Verband zwar zum Ende des dritten Quartals im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent angestiegen. Das gehandelte Volumen brach aber um knapp 40 Prozent auf 240 Milliarden Euro ein. Die Anzahl der Transaktionen fiel um gut 20 Prozent.
Auf Seite 2: Harte Zeiten für Broker
Harte Zeiten für Broker. Das hinterlässt Spuren in den Bilanzen der Broker. So berichtet die IG Group für das zweite Halbjahr 2018 von einem Minus der Nettohandelsumsätze in der EU von 30 Prozent. Die Zahl der aktiven Kunden fiel EU-weit um 15 Prozent. Außerhalb der EU wuchs das Geschäft zwar, konnte aber den Rückgang in der EU nicht kompensieren. CMC Markets teilte mit, Kunden hätten im Januar und Februar deutlich weniger umgesetzt. Der Londoner Broker erwartet für das erste Quartal 2019 einen Umsatzrückgang von 25 bis 35 Prozent im Vergleich zu 2018.
Das lässt auch die Erträge schrumpfen. IG verzeichnete im zweiten Halbjahr 2018 ein Minus beim operativen Gewinn von 18 Prozent. Es gibt zwei zentrale Einnahmequellen für die Broker: Zum einen verdienen sie an den Transaktionen, konkret an der Spanne zwischen Verkaufs- und Ankaufskurs sowie bei manchen Produkten durch Kommissionen pro Trade. Zum anderen streichen sie über die sogenannten Haltekosten Zinserträge ein. Das sind Zinsen auf das vom Anbieter geliehene Kapital, das die Anleger bewegen. Diese fallen an, wenn Positionen über Nacht gehalten werden.
Noch mehr Restriktionen? Die Lage der privaten CFD-Anleger hat sich durch die Regelungen offenbar verbessert. So haben die Aufseher "einen anhaltenden Rückgang der Zahl der automatischen Glattstellungen sowie der Fälle, in denen Konten negative Salden aufwiesen, und der Höhe der negativen Salden" festgestellt. Es gab also seltener und weniger hohe Verluste. Unterm Strich schreiben aber nach wie vor nur wenige der zuvor defizitären Kleinanlegerkonten schwarze Zahlen. Trotzdem schimpfen nicht nur Anbieter über die Restriktionen und verweisen darauf, dass es bei Zertifikaten und Optionen kaum Einschränkungen gebe. Auch mancher Privatanleger will die neuen Regeln nicht akzeptieren und hat sich deshalb als professioneller Kunde registrieren lassen.
Hintergrund: Profis unterliegen den ESMA-Vorgaben nicht und können deshalb weiter mit hohen Hebeln handeln. Die Änderung ist zwar auf Antrag möglich; der Status ist aber eigentlich nur für besonders vermögende Anleger gedacht. So müssen sie laut IG mindestens ein Jahr in der Finanzbranche in einer professionellen Position gearbeitet haben und über ein CFD-Portfolio von mindestens 500 000 Euro verfügen.
Zugleich sind die Risiken deutlich höher. Bei Profi-Konten besteht auch weiterhin eine Nachschusspflicht. Das heißt: Profis müssen für alle Verluste aus ihren CFD-Geschäften geradestehen, auch wenn sie höher sind als ihre Einlagen. Nichtsdestoweniger haben Anbieter nach den Erkenntnissen der Aufsichtsbehörden auch solche Privatanleger als professionell anerkannt, die diese Auflagen nicht erfüllen. Damit begeben sie sich auf dünnes Eis. ESMA-Chef Maijoor hat angekündigt, dass die EU-weite Regulierung auch auf professionelle Kunden ausgedehnt werden könnte.
Auf Seite 3: Praktische Tipps für den CFD-Handel
Praktische Tipps für den CFD-Handel
Wie funktionieren CFDs und für wen eignen sie sich?
Mit CFDs setzt man auf Preisunterschiede bei Anlageklassen wie Aktien, Rohstoffe, Währungen oder Staatsanleihen. Außerdem bieten sie einen relativ einfachen Zugang zu Kryptowährungen. Anders als bei Direktinvestments - beispielsweise in Aktien - wird man aber nicht Teilhaber einer Firma, sondern geht wie mit Zertifikaten oder Optionen eine Finanzwette ein, dass ein Kurs steigt oder fällt. Solche Wetten sind mit großen Hebeln möglich (Währungen maximal mit Hebel 30, Indizes mit 20, Aktien mit 5 und Kryptowährungen maximal mit Hebel 2). Das bedeutet: Steigt oder sinkt zum Beispiel der DAX um ein Prozent, gewinnt oder verliert der CFD-Anleger bei einem Hebel von 20 ganze 20 Prozent. Bei fünf Prozent Kursausschlag liegt der Gewinn/Verlust bei 100 Prozent.
Diese Finanzinstrumente sind also nichts für Anleger, die langfristig und sicher Kapital anlegen wollen. Denn mit CFDs ist in kurzer Zeit ein hohes Plus, aber auch ein großes Minus bis hin zum Totalverlust möglich. Und das Gros der Kleinanleger verliert beim CFD-Handel statistisch gesehen Geld. Für Anleger, die keine Angst vor Risiken haben und auf das investierte Geld schlimmstenfalls komplett verzichten können, sind CFDs durchaus eine Möglichkeit, schnell viel Gewinn zu machen.
Meist sind das Trader, die täglich handeln und ihre Positionen abends schließen. Denn wer seine Positionen über Nacht hält, dem stellt der Anbieter Haltekosten in Rechnung, die durchaus üppig ausfallen können. Sie betragen zum Beispiel bei Rohstoffwetten bei manchen Anbietern 20 Prozent pro Jahr. Dadurch werden Gewinne schnell aufgezehrt. Weitere Kosten entstehen beim Kauf und Verkauf bestimmter Produkte wie Aktien. Transaktionen von Index-, Devisen- und Rohstoff-CFDs sind dagegen oft kostenlos. Das macht Handeln dort schmackhaft.
Wie findet man gute Anbieter? Die Höhe der Kosten ist ein wichtiges Instrument zur Beurteilung der Seriosität der Anbieter. Auch der Spread - also die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs, die möglichst niedrig sein sollte - ist hierbei aufschlussreich. Auszahlungen sollten jederzeit und ohne Gebühren möglich sein, was nicht bei allen Anbietern der Fall ist. Eine weitere zentrale Frage, die sich CFD-Käufer stellen sollten: Wie ist ihr Geld bei den Anbietern geschützt? Darüber geben der Firmensitz des Brokers und die zuständige Regulierungsbehörde Aufschluss. Ein Siegel der Bafin oder der britischen FCA ist beruhigend.
Zudem sollten die Broker einen kompetenten Kundendienst und eine Trainingsplattform anbieten. Gerade Neulingen ist zu empfehlen, sich auf solchen Demoplattformen zunächst mit der Funktionsweise von CFDs vertraut zu machen, bevor sie mit echtem Geld handeln. Schwarze Schafe lassen sich auch durch Tests herausfiltern. Unser Schwestermagazin €uro am Sonntag hat 2018 einen entsprechenden Test durchgeführt. Dabei schnitten WH Selfinvest, CMC Markets, Comdirect und Onvista sehr gut ab.
Sie wollen weitere Artikel aus dem aktuellen €uro Magazin lesen? Hier kommen Sie zur Digital-Ausgabe.