Auf den ersten Blick wirkt der EQS mehr elegant denn spektakulär. Rund und flach kommt die soeben vorgestell- te Oberklasse-Elektrolimousine von Mercedes-Benz daher, der Auftrag an die Ingenieure war ein extrem windschnittiges Fahrzeug, das mit einer riesigen Batterie bestückt sein sollte. Das Ziel: eine Reichweite, die ihresgleichen sucht. 770 Kilometer schafft das luftgefederte Luxusschiff laut WLTP-Zyklus. Da kommt nicht mal ein Tesla mit.
Nie gesehene Extras locken Kunden zusätzlich, etwa ein mit künstlicher Intelligenz gesteuerter, gut 140 Zentimeter großer Bildschirm, der sogenannte Hyperscreen, der über dem gesamten Cockpit liegt und auch dem Beifahrer zahlreiche Bedien- und Info-Optionen bietet. Daimler-Chef Ola Källenius zeigte sich vor der Premiere begeistert: "Der EQS ist das erste elektrische Auto in dieser Größenordnung. Bisher gibt es kein vergleichbares Produkt", so der Konzernlenker. Auch die markigen Worte machen klar: Mercedes-Benz greift den globalen Primus Tesla an. Daimler soll dahin, wo die Kalifornier in der Automobilwelt bereits fahren, technologisch und bei der Börsenbewertung an der Spitze.
Kein Zufall, dass die Schwaben ihren Luxusstromer, der innen flüsterleise ist, so lautstark vor der Automesse in Shanghai präsentierten. China, das dokumentieren jüngste Daten, entwickelt sich nach der Pandemie immer stärker zum weltweiten Wachstumsmarkt Nummer 1. Der Marktanteil der Volksrepublik ist laut Duisburger Center Automotive Research (CAR) in den vergangenen zehn Jahren von 18 auf 28 Prozent gestiegen. Bis Mitte des Jahrzehnts wird der weltgrößte Markt demnach rund ein Drittel des Absatzes auf sich ziehen. Auch die E-Mobilität kommt mächtig in Fahrt, 2025 wird dort laut CAR jedes vierte verkaufte Auto elektrisch angetrieben.
Elektro-Offensive mit Stern
Die Stuttgarter legten in Shanghai denn auch gleich mit der Vorstellung des elektrischen Kompakt-SUVs EQB nach. Daimler profitiert stark vom Absatzturbo in Fernost, bislang vor allem dank mit Verbrennern bestückter Luxusmobile. Die vorab präsentierten Ergebnisse von Januar bis März belegen zudem: Die Schwaben machen auch betriebswirtschaftlich Tempo. Die Autosparte Mercedes-Benz Cars & Vans soll nach der Abspaltung von Daimler Trucks solo fahren und wies fürs erste Quartal eine operative Marge von 14,3 Prozent aus - im Vorjahr waren hier nur 2,3 Prozent geblieben. Das liegt auch daran, dass das gewinnträchtigste Modell, die S-Klasse, im Herbst in einer Neuauflage startete. Zum Vergleich: Premiumrivale BMW steigerte seine automobile Profitabilität im Quartal laut Vorabzahlen ebenfalls dramatisch, konnte aber mit 9,8 Prozent nicht mithalten.
Chef Källenius und Finanzvorstand Harald Wilhelm dürfen sich ins Fahrtenbuch eintragen, dass das von ihnen angestoßene Sparprogramm Früchte trägt. Der Betriebsgewinn von Daimler verzehnfachte sich im ersten Quartal beinahe auf 5,8 Milliarden Euro - im Gesamtjahr 2020 waren es lediglich 6,6 Milliarden. Finanziell steht der Premiumhersteller so gesund da wie lange nicht. Denn auch nach hohen Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung blieben im ersten Jahresviertel 1,8 Milliarden Euro an freien Mitteln übrig. Im Vorjahr flossen noch 2,3 Milliarden Euro ab.
Bei der Bewertung fährt US-Rivale Tesla gewiss noch meilenweit voraus. Die Kursentwicklung der Schwaben-Aktie aber zeigt, dass Börsianer Daimler genau im Blick haben.
Tempo: Fundamental beschleunigt der Konzern mit dem Stern.
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