Autoanalyst Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore geht nur noch von 6,5 Milliarden Euro Ebit aus. "Daimler hat sich in eine schwierige Lage manövriert", sagte Ellinghorst. Der Konzern führt allein 3,1 Milliarden Euro Sonderbelastungen auf, die ihm im abgelaufenen zweiten Quartal einen Verlust von 1,6 (Vorjahr: Gewinn 2,6) Milliarden Euro einbrocken. Dazu kommen Anlaufschwierigkeiten bei neuen Modellen und die schwächelnden Automärkte.

Källenius hat mit dem Erbe von Dieter Zetsche schwer zu kämpfen: Für Daimler ist es bereits die vierte Gewinnwarnung binnen 13 Monaten. Der Schwede, vorher Entwicklungschef von Daimler, hatte Ende Mai die Nachfolge des langjährigen und beliebten Vorstandschefs angetreten. Der Konzern steckt mitten im Umbau.

Schon Ende Juni hatte Daimler die Erwartungen gedrosselt, weil Rückrufe von Diesel-Autos und anderen behördliche Maßnahmen in Deutschland fast eine Milliarde Euro mehr kosten als gedacht: Statt eines leichten operativen Gewinnzuwachses sei nur noch ein stagnierendes Ergebnis drin. Nun kostet der Diesel-Ärger nochmal 1,6 Milliarden Euro mehr. Es gehe um "laufende behördliche und gerichtliche Verfahren und Maßnahmen in verschiedenen Regionen", erklärte Daimler. In Amerika laufen Untersuchungen, weil Mercedes-Diesel mehr Stickoxid ausstoßen als erlaubt. Dabei geht es auch um den Verdacht, dass Daimler die Abgasreinigung illegal manipuliert hat.


"DAS GROSSE AUFRÄUMEN"

Schon bei der ersten Gewinnwarnung hatten Analysten geunkt, dass weitere Hiobsbotschaften folgen könnten. An der Börse wurden die Nachrichten aus Stuttgart gelassen aufgenommen: Die Daimler-Aktie verlor 1,2 Prozent auf 46,11 Euro. Womöglich habe das neue Management um Källenius einfach reinen Tisch gemacht, schrieb Ellinghorst. "Das große Aufräumen" betitelte er seine Analyse. "Ob das aber die letzte Warnung für dieses Jahr war, bleibt abzuwarten." Immerhin habe Daimler nun eingeräumt, dass sich der Automarkt im zweiten Halbjahr noch nicht wie erhofft berappeln werde. Im Mai hatte bereits der Rivale BMW seine Erwartungen korrigieren müssen, Volkswagen ist für die Umsatzrendite im Pkw-Geschäft ebenfalls skeptisch.

Im Juni schrumpfte der Pkw-Absatz bei Mercedes-Benz um 3,7 Prozent. Im ersten Halbjahr wurden 1,13 Millionen Autos mit dem Stern verkauft, 4,6 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Modellwechsel, die Daimler als einen Grund für das Minus nennt, gestalten sich holpriger als erwartet. Verschiedene Modelle seien wegen "verlangsamter Produktionshochläufe" das ganze Jahr über zum Teil nicht verfügbar.

Im Van-Geschäft hat der Vorstand bereits erste Einschnitte beschlossen, die das zweite Quartal mit einer halben Milliarde Euro belasten. Welche Modelle davon betroffen sind, erklärte Daimler nicht. Experte Ellinghorst geht davon aus, dass es vor allem um die erfolglosen Pick-Ups der "X-Klasse" geht.

Eine Milliarde Euro zusätzlich hat Källenius für weitere Rückrufe von Airbags des japanischen Herstellers Takata reserviert. In den USA sind sie abgeschlossen, nun sind Europa und andere Teile der Welt an der Reihe.


MERCEDES-PKW SCHREIBEN ROTE ZAHLEN

Allein in der Van-Sparte ergibt sich ein Quartalsverlust von zwei Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte sie noch 200 Millionen Euro Gewinn geschrieben. Aber auch das Pkw-Geschäft von Mercedes-Benz schreibt rote Zahlen: 700 Millionen (Vorjahr: plus 1,9 Milliarden) Euro Minus stehen zu Buche. Im Gesamtjahr erwirtschaftet Daimler mit Pkw damit nur noch eine operative Rendite von drei bis fünf Prozent; bisher waren sechs bis acht Prozent geplant. Bei Vans verbucht Daimler sogar mit jedem Euro Umsatz 15 bis 17 Cent Verlust.

Die kompletten Quartalsbilanz will Daimler am 24. Juli präsentieren.

rtr