Gute Nachrichten für Autofahrer mit Reichweitenangst: In einer vierjährigen Studie haben Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) herausgefunden, dass die Akkus gängiger Elektroautomodelle für knapp 90 Prozent der Fahrten in den USA ausreichten. Dennoch verhindern Reichweiten im Durchschnitt von etwa 200 Kilometern und lange Ladezeiten bisher einen Durchbruch auf dem Massenmarkt. Auch hierzulande sind die Verkaufszahlen elektrifizierter Autos bisher gering: 2015 gab es laut Kraftfahrt-Bundesamt insgesamt rund 3,21 Millionen Pkw-Neuzulassungen, darunter 45 960 E-Autos. Trotz der überschaubaren Absatzzahlen ist Elektromobilität das Topthema 2016. Auf der Pariser Automesse Ende September stellt Volkswagen ein neues E-Modell mit bis zu 600 Kilometer Reichweite vor. Der Konzern plant den Umbau zum Massenanbieter für E-Autos. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnts will VW jährlich eine Million Elektroautos bauen, geplant sind rund 30 verschiedene E-Modelle. Auch bei BMW stehen die Themen Elektrifizierung, E-Mobilität und Vernetzung ganz oben auf der Agenda. Seit Beschluss der Umweltprämie Ende Mai hat sich der Auftragseingang für das Elektromodell BMW i3 im Vergleich zu den Vormonaten verdoppelt.

Als Vorreiter bei E-Autos gilt das US-Unternehmen Tesla. Es beweist schon länger, was bei Reichweiten und Ladezeiten möglich ist: Fahrer des Luxusautos Model S kommen mit einer vollen Akkuladung rund 470 Kilometer weit, ein Upgrade auf über 600 Kilometer Reichweite steht kurz bevor. Und mit dem Supercharger-Netzwerk können Tesla-Kunden ihre Autos mithilfe von 120 Kilowatt Leistung in 30 Minuten wieder auf 270 Kilometer laden. In einem Markt, in dem viele Konkurrenten seit mehr als 50 Jahren aktiv sind, durchläuft Tesla eine enorm steile Lernkurve. Temporäre Rückschläge wie die Problematik mit den Flügeltüren beim Model X gehören zum Entwicklungsprozess und führen zu einer hohen Volatilität der Aktie.

Doch trotz Kursschwankungen und jüngster Negativschlagzeilen wie Produktionsproblemen und Unfällen mit dem Assistenzsystem entfacht Tesla immer wieder Begeisterung für Produkte und Marke. Laut einer Studie der Nürnberger Marktforschung Puls sehen 42 Prozent der deutschen Autokäufer Tesla als führende Marke für Elektroautos - eine erhebliche Eigenmarketingleistung, ohne dass Tesla über ein Marketingbudget verfügt.

Viel Geld fließt dagegen in kapitalintensive Projekte wie das Model 3, das erste Auto von Tesla für die breite Masse. Trotz Investitionen in die Produktion von 750 Millionen US-Dollar für 2016 hat Tesla kürzlich noch einmal die Hälfte der Summe nachgeschossen. Richtig ist, bei der Batteriefertigung mit Panasonic zusammenzuarbeiten und vom Know-how des japanischen Elektronikkonzerns zu profitieren. Mit der Zeit und steigenden Stückzahlen werden die Preise für Akkus weiter drastisch sinken. VW will die Technik für leistungsfähige Akkus künftig selbst entwickeln und plant den Bau einer eigenen Fabrik. Andere Anbieter haben bei der Entwicklung von Batteriezellen aber schon enormen Vorsprung. Die "Gigafactory" von Tesla und Panasonic, eine Massenfabrik zur Batteriefertigung, geht voraussichtlich 2018 in Betrieb.

Tesla lebt klar von der Vision vom emissionsfreien Fahren und auch von der lang enttäuschenden Leistung etablierter Hersteller auf diesem Gebiet. Dabei wird es im Automobilsegment in den kommenden fünf Jahren vermutlich mehr technologische Innovationen geben als in den vergangenen 30 Jahren. Wer das erfolgreichste Geschäftsmodell mit Elektroautos aufbaut, bleibt noch offen, insbesondere Fragen zur Ladeinfrastruktur und gemeinsamen Standards müssen noch beantwortet werden. Die deutsche Autoindustrie hat sich spät, aber wohl noch rechtzeitig dem Thema Elektromobilität verschrieben - ein nachhaltig relevanter Trend, den Anleger bei Investments in den Automobilsektor unbedingt im Blick haben sollten.

Moritz Rehmann



Der Diplom-Kaufmann ist seit März 2005 im Research- und Portfoliokonzeptionsteam der DJE Kapital AG. Seit Juli 2010 betreut er als Fondsmanager gemeinsam mit Jan Ehrhardt den GAMAX Funds Junior. Zuvor absolvierte Rehmann den Master in Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Oldenburg mit Schwerpunkt Finanz- und Kapitalmärkte und studierte Wirtschaftswissenschaften in Osnabrück und Münster.