In den vergangenen Tagen hatten einige Anleger bereits Kasse gemacht. Der Dax stand mit einem Minus von rund einem Prozent vor dem größten Wochenverlust seit gut einem Monat. Die längerfristigen Aussichten blieben aber positiv, sagt Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank in Essen. Schließlich mangele es wegen der ultra-lockeren Geldpolitik der Notenbanken weiterhin an Anlage-Alternativen. Außerdem habe die Wirtschaft des wichtigen Handelspartners China wieder das Niveau vor Ausbruch der Pandemie erreicht.
Aber auch dort stiegen die Infektionszahlen wieder, warnt Carsten Mumm, Chef-Analyst der Privatbank Donner & Reuschel. Sollte die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft die Lage nicht schnell wieder unter Kontrolle bringen, seien die Gewinnerwartungen vieler Unternehmen Makulatur.
BIDEN KOMMT - TRUMP GEHT
Daneben blicken Börsianer auf die Vereidigung von Joe Biden als 46. US-Präsidenten am Mittwoch. Sein knapp zwei Billionen Dollar schweres Programm zur Abfederung der Pandemie-Folgen werde aber kaum vom Kongress durchgewunken, gibt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets zu Bedenken. Denn für Teile des Pakets bedürfe es die Zustimmung der Republikaner. "Hier erwartet die Börsen möglicherweise ein zäher Prozess mit vielen Rückschlägen und Unsicherheit."
Außerdem bleibe die Stimmung in Washington seit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar angespannt, warnt Ned Rumpeltin, Chef-Devisenstratege für Europa beim Brokerhaus TD Securities. "In den nächsten Tagen könnte etwas passieren." Das halte Investoren von größeren Engagements ab. Unabhängig davon steht die Wall Street vor einer verkürzten Handelswoche, weil wegen des Martin Luther King Day die Börsen am Montag geschlossen bleiben.
KONJUNKTURAUSSICHTEN
Da die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer Geldpolitik am Donnerstag wohl festhalten wird, konzentrieren sich Anleger auf Aussagen zu den Konjunkturaussichten vor dem Hintergrund der angelaufenen Massenimpfungen. Außerdem erhoffen sie sich Hinweise auf erste Ergebnisse der Strategie-Überprüfung.
Relevante Konjunkturdaten stehen in der neuen Woche nur wenige auf dem Terminplan. Beim Einkaufsmanager-Index für die deutsche Dienstleistungsbranche (Freitag) müsse mit einem Rückgang von 47 auf 44 Punkte gerechnet werden, prognostiziert Commerzbank-Analyst Christoph Weil. Alles andere wäre wegen der Schließung eines Großteil des Einzelhandels und zahlreicher Dienstleistungsgeschäfte eine Überraschung. In den USA veröffentlicht die Federal Reserve Bank von Philadelphia am Donnerstag ihr Konjunkturbarometer.
Parallel dazu nimmt die US-Bilanzsaison Fahrt auf. Wegen der Pandemie müsse für 2020 mit deutlichen Gewinnrückgängen gerechnet werden, sagt Marc Decker, Chef der Vermögensverwaltung bei der Bank Merck Finck. "Bei den Gewinnerwartungen gehen wir allerdings von einem deutlichen Anstieg aus." In der neuen Woche wollen unter anderem die Großbanken Goldman Sachs, Morgan Stanley und Bank of America ihre Bücher öffnen. Auch die Online-Videothek Netflix gibt Geschäftszahlen bekannt.
rtr