Auch wenn es zunächst etwas seltsam klingt, so kann man als Anleger doch zur gleichen Zeit sowohl positiv als auch negativ für die Börse gestimmt sein. Den Unterschied macht der Faktor Zeit. Aktuell etwa sieht es danach aus, als ob 2019 ein gutes Börsenjahr wird. Basis dafür sind der spektakuläre Ausverkauf und das Stimmungstief an den Märkten rund um Weihnachten sowie der ähnlich spektakuläre Umschwung im Januar.

Zweifel sind allerdings angebracht, wenn es um einen etwas kürzeren Anlagehorizont geht - aktuell etwa um die kommenden drei, vier Monate. Denn die vielen Indikatoren, die inzwischen weltweit ein langsameres Wirtschaftswachstum oder gar eine Rezession signalisieren, könnten durchaus auch an den Börsen für Druck und Verkaufslust sorgen.

Gerade um die Konjunktur in europäischen Gefilden muss man sich Sorgen machen. Die Industrieproduktion in Deutschland beispielsweise gab inzwischen vier Monate in Folge nach und veranlasste sogar das angesehene Wirtschaftsmagazin "The Economist" zu einem Artikel mit der Überschrift "It is Time to Worry About Germany’s Economy - A Sputtering -Engine". Und wenn der Motor der Wachstumsmaschine stottert, dann kommt auch der ganze Euroraum nicht voran: In Brüssel rechnet man für die Währungsunion in diesem Jahr nur noch mit einem enttäuschenden Wachstum von 1,3 statt wie bisher erwartet 1,9 Prozent.

Einen Grund für die gesenkte Prognose liefert natürlich der Brexit. Abgesehen davon, dass Großbritannien unter einem ungeordneten Abschied aus der EU am meisten leiden dürfte, wären auch die beiden größten Volkswirtschaften im Euroraum, Deutschland und Frankreich, stark betroffen. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle geht in einer neuen Studie beispielsweise davon aus, dass allein in Deutschland in einem solchen Fall gut und gern 100 000 Arbeitsplätze in Gefahr sind.

Auch ein inzwischen sehr wahrscheinliches Handelsabkommen zwischen der Volksrepublik China und den USA könnte Europa an empfindlicher Stelle treffen. Wenn China tatsächlich wie angekündigt künftig mehr Güter aus den USA importiert, dann wird man das an anderer Stelle "einsparen". Um ein Beispiel zu nennen, könnten also mehr Aufträge für Boeing zulasten von Airbus gehen.

Insgesamt also viele belastende Faktoren. Und dennoch sieht es langfristig für Börsianer gar nicht so schlecht aus. So scheinen die aktuellen Rezessionswarnungen übertrieben. Schaut man sich etwa die vergangenen US-Rezessionen an, stellt man fest, dass entweder die Notenbank Fed das Wachstum ausgebremst hat (1973, 1980, 1982 und 1990) oder dass Exzesse und Blasen ein Ende fanden (2000 und 2008). Im Moment kann aber weder von dem einen noch dem anderen die Rede sein. Die geldpolitischen Falken der Fed sind derzeit recht zahm. Und ökonomische Schieflagen scheinen - zumindest Stand jetzt - unter Kontrolle, etwa was das weiterhin instabile Bankensystem in Europa angeht oder die scheinbar überbordende Verschuldung in China.

Doch bei allem langfristigen, vorsichtigen Optimismus könnte es an den Märkten auf kurze Sicht wie beschrieben unruhig werden. Im Extrem tendieren die Kurse dann wohl noch einmal Richtung Dezember-Tiefstände. Stimmt jedoch der zweite Teil der Investmentthese, wäre dies dann aber noch einmal eine gute Kaufgelegenheit.