Nach der Nominierung von Christine Lagarde für den EZB-Chefposten sehen Investoren die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung der europäischen Währungshüter Ende Juli bei etwa 50 Prozent. Da die IWF-Chefin keine Ökonomin sei, wachse das Gewicht des neuen EZB-Chefvolkswirts Philip Lane, schrieben die Analysten der BayernLB. Dieser scheine die lockere geldpolitische Haltung des aktuellen EZB-Chefs Mario Draghi zu befürworten. "Nach der Wahl von Christine Lagarde als EZB-Chefin scheinen in der Eurozone wieder alle Optionen auf dem Tisch zu liegen, um die europäische Inflation zu stützen", sagte Wolfgang Bauer, Fondsmanager bei M&G Investments. Die Spekulationen auf eine baldige EZB-Ankündigung einer neuen Version des Programms zum Ankauf von Unternehmensanleihen nähmen zu.

BUNDESANLEIHEN RENTIEREN ERSTMALS UNTER EZB-EINLAGENSATZ


Vor diesem Hintergrund blieben auch Staatsanleihen gefragt. Die Renditen der zehnjährigen deutschen Bonds fielen auf ein Rekordtief von minus 0,409 Prozent und lagen damit erstmals unter dem Zins für Einlagen bei der europäischen Zentralbank von minus 0,4 Prozent. Ihre französischen und niederländischen Pendants rentierten mit minus 0,115 und minus 0,241 Prozent so niedrig wie noch nie.

Am Aktienmarkt griffen Anleger vor allem zu italienischen Banken, nachdem die EU-Kommission im Haushaltsstreit mit Italien vorerst keine Sanktionen mehr vorantreiben will. Zu den Favoriten zählten in Mailand UBI Banca, Unicredit und Banco BPM mit Kursgewinnen von bis zu 4,3 Prozent. Der Mailänder Leitindex kletterte auf den höchsten Stand seit zwei Monaten.

Bei den deutschen Aktienwerten standen Osram im Rampenlicht. Die Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle bieten für den kriselnden Leuchten-Hersteller 35 Euro je Aktie oder insgesamt 3,4 Milliarden Euro. Osram-Aktien stiegen um weitere bis zu 5,1 Prozent auf 33,90 Euro, nachdem sie schon am Mittwoch nach einer Reuters-Meldung in Erwartung des Deals gut zehn Prozent zugelegt hatten. Ob Bain und Carlyle zum Zug kommen, ist aber noch offen. Mindestens 50 Prozent brauchen die Bieter, um durchgreifen zu können. "Sollte die Offerte scheitern, dann droht der Osram-Aktie ein deutlicher Kursrückgang", warnten die Analysten von Independent Research.

Kopfzerbrechen bereiteten Devisenanlegern erneute Tiraden von US-Präsident Donald Trump. "Die verstärkten Angriffe des US-Präsidenten auf die aus seiner Sicht 'Währungsmanipulateure' China und Europa erwecken zunehmend den Eindruck, dass er es auf einen Währungskrieg ankommen lassen will", sagte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen. So gehe das Schreckgespenst Devisenmarktinterventionen erneut um. Der Euro lag mit 1,1285 Dollar nahe seines kürzlich markierten Zwei-Wochen-Tiefs.

Im Handelsstreit gab es hingegen einen Lichtblick: Nach dem Treffen von Trump und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping wollen beide Seiten ihre Handelsgespräche wieder in Gang bringen. Die ersten Telefonate seien für kommende Woche angesetzt, sagte Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow.

rtr