Deutschlands größtes Geldhaus zerlegt sich nicht in eine Privatkundenbank und eine Investmentbank, wie es das lange favorisierte "Model Five" vorgesehen hatte. Stattdessen wird nur die Postbank verkauft - "Model Two", die "kleine" Lösung.

Irgendwann in den vergangenen Wochen, in der heißen Phase der Suche nach der neuen Strategie, hat es einen Stimmungsumschwung gegeben. Der Führungsetage fehlte der Mut zum großen Wurf - so berichten es Eingeweihte, die in den Strategiesitzungen dabei waren.

Für Neske, bislang Privatkunden-Vorstand, macht das einen großen Unterschied. Bei einer Zerlegung hätte er auf den Chefposten einer großen Filialbank aus der Postbank und den Deutsche-Bank-Filialen hoffen dürfen. Jetzt, da die Postbank wieder eigenständig werden soll, verliert er 14 Millionen Kunden, 15.000 Mitarbeiter und fast 50 Milliarden Euro an Spareinlagen. Und auch die verbleibenden sogenannten "blauen" Filialen des Mutterhauses dürften ordentlich zusammengestrichen werden, wie Insider berichten. Ein Drittel der Standorte steht zur Disposition.

"Neske steht jetzt ziemlich allein da", sagt ein Insider. Aber resigniert habe er nicht gewirkt, als er dem Aufsichtsrat am Freitag seine Ideen für die Reste der Sparte präsentieren durfte. "Im Gegenteil: eher kämpferisch." Kämpfen muss er auch, sonst könnte von seinem Zuständigkeitsbereich bald nichts mehr übrig sein. Neske selbst schweigt.

JEDER KÄMPFT FÜR SICH



Die Präsentation im Aufsichtsrat, das übernahmen die beiden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen höchstpersönlich, zusammen mit Strategiechef Stefan Krause, der in seiner neuen Funktion in den vergangenen Monaten zunächst fünf Modelle ausgearbeitet hatte. Alle drei Manager hatten Finanzkreisen zufolge zunächst die große Lösung favorisiert, als letzter schwenkte auch Krause um. Was am Ende den Ausschlag gab für die "kleine" Lösung - darüber gibt es im Konzern verschiedene Theorien.

Die einen sagen, die Politik in Berlin habe auf eine starke Verankerung im Heimatmarkt gepocht. Öffentlich weist die Regierung jede Einmischung von sich. Andere sagen, die Finanzierung einer reinen Investmentbank wäre deutlich teurer geworden, die Ratingagenturen hätten Druck gemacht. Dafür gibt es einige Anzeichen.

Vor allem aber fühlen sich nun diejenigen bestätigt, die sagen, die Deutsche Bank habe Angst vor der eigenen Courage. Eine Trennung vom gesamten Privatkundengeschäft, die viele Analysten und etliche Großinvestoren bevorzugt hätten, wäre der deutschen Öffentlichkeit schwer zu vermitteln gewesen. Zudem gab es im Unternehmen Zweifel, ob die Führungsmannschaft einen solch radikalen Umbau hinbekommen hätte. "Die Zerlegung wäre das mutigere Modell gewesen, aber sie hätte auch enorme Kapazitäten gebunden", sagt ein Insider. "Und die Integration der Postbank in die Deutsche Bank hat schon in den vergangenen Jahren nicht geklappt. Warum sollte das dieses Mal anders sein?"

Die Betriebsräte und Gewerkschafter im Aufsichtsrat hatten lange darauf gesetzt, dass bei einer großen Aufspaltung unter dem Strich mehr Arbeitsplätze erhalten blieben. Am Ende waren aber auch sie mit im Boot, und der Aufsichtsrat konnte den gewünschten breiten Konsens präsentieren. Ein "Showdown" in der entscheidenden Sitzung - das wollte Aufsichtsratschef Paul Achleitner tunlichst vermeiden.

Als erstes schwenkte Verdi auf die "kleine" Lösung ein - als sich im Verhandlungspoker hinter den Kulissen abzeichnete, dass die Postbank zwar für die Börse aufgehübscht werden soll, der Rotstift aber bei den Deutsche-Bank-Filialen angesetzt werden könnte. "Hier kämpft jetzt jeder für sich", kommentierte ein Verdi-Funktionär die Gräben zum Deutschen Bankangestellten-Verband (DBV), der in den "blauen" Filialen stärker ist.

Bei der Postbank in Bonn wird der Börsengang angesichts der Ausgangslage als bestmögliches Ergebnis gesehen. "Die Lust, Französisch oder Spanisch zu lernen, hält sich in Grenzen", sagt ein Mitarbeiter mit Blick auf Gerüchte über Interessenten aus Frankreich oder Spanien. Unklar ist allerdings, was die Deutsche Bank macht, wenn wirklich ein potenzieller Käufer um die Ecke kommt. Winkt sie dann ab?

"NOCH KEINE LEIBESVISITATIONEN"



Was die Deutsche Bank völlig unterschätzt hat, war die Dynamik der Strategiedebatte, das geben Mitarbeiter zu. Kurz vor Weihnachten hatte das Institut - getrieben von Medienberichten - erklärt, an einer "Weiterentwicklung" der Strategie zu arbeiten, quasi einer logischen Fortsetzung der Ziele für 2015. Doch diese waren schlicht außer Reichweite. Schon im Januar zeichnete sich daher ab, dass in den Frankfurter Doppeltürmen auch über fundamentale Veränderungen nachgedacht wird - die Abkehr vom Geschäft mit einfachen Privatkunden. Regelmäßig sickerten vertrauliche Informationen aus den Strategieberatungen nach außen - so regelmäßig, dass die Bank laut Finanzkreisen demnächst eine interne Untersuchung starten will, wo die Lecks sind. Denn auch die Finanzaufsicht BaFin wird wohl genauer hinschauen.

Aufsichtsratschef Achleitner stützt die Suche nach den undichten Stellen, wie Insider berichten. Er hat das Problem der Deutschen Bank unlängst ganz nüchtern so beschrieben: Sie habe einfach das "Pech", die einzige globale Bank in Deutschland zu sein, daher stürzten sich die Medien auf alles, was sie kriegen könnten. Achleitner hat darauf auf seine Art reagiert: Er nimmt seinen Kollegen vor jeder Sitzung die Handys ab. Ein Aufsichtsrat unkt bereits: "Leibesvisitationen gibt es noch nicht." rtr