Deutsche Bank-Aktie: Was Christian Sewing 2019 alles hinkriegen muss
· Börse Online RedaktionNachfolgend die wichtigsten Punkte auf der To-Do-Liste des 48-Jährigen und von Aufsichtsratschef Paul Achleitner, dem nicht wenige eine Mitschuld an der Dauer-Misere geben. Schließlich steht er schon seit sechs Jahren an der Spitze der Deutschen Bank.
A WIE AKTIENKURS: Seit Jahresbeginn ist der Kurs des im Dax notierten Papiers in die Knie gegangen: Am 10. Dezember kostete die Aktie nur noch 7,24 Euro, so wenig wie nie. Der Börsenwert ist damit auf unter 16 Milliarden Euro implodiert - ein Zwerg, im Vergleich zur Konkurrenz in den USA, aber auch in Europa. Auch der neue, mit Vorschusslorbeeren bedachte Chef hat die Talfahrt nicht stoppen können. Seit Sewing Anfang April das Zepter in die Hand nahm, ging es für die Aktie um ein Drittel bergab. Anfang September fiel die Aktie dann sogar aus dem europäischen Leitindex EuroStoxx50.
Allerdings gibt es auch ein paar Lichtblicke: Immerhin nutzte im September der US-Hedgefonds Hudson Executive das niedrige Einstiegsniveau und beteiligte sich mit drei Prozent an den Frankfurtern. Hudson-Chef Doug Braunstein, früher Finanz-Vorstand der US-Großbank JP Morgan, sieht die Deutsche Bank als "missverstanden und unterbewertet" an und wird nicht müde, das neue Management zu loben. Glaubt man zudem jüngsten Spekulationen, denkt das Emirat Katar über eine Aufstockung seines Anteils nach - es wäre ein Vertrauensbeweis der Scheichs in das Institut, bei dem sie 2014 einstiegen.
C WIE COMPLIANCE: Nicht erst die zweitägige Großrazzia von Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt im November hat offenbart, dass bei der Deutschen Bank vieles nicht rund läuft. Recherchen von Reuters im Sommer brachten ans Licht, dass es dem Institut offenbar nach wie vor schwer fällt, seine Kunden so gut zu kennen, wie es die Gesetze vorschreiben. Dass die Bank als Korrespondenzinstitut am Rande mit im Geldwäsche-Skandal der Danske Bank steckt, sorgt auch nicht gerade für Vertrauen. Zudem schwelt das Dauerthema Steuerbetrug (Cum-Ex). Klar ist: Die für Compliance, also die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, zuständige Vorständin Sylvie Matherat steht Insidern zufolge unter Druck. Es brennt an allen Ecken und Enden.
E WIE ERTRÄGE: Wo sollen sie herkommen, wenn im klassischen Privat- und Firmenkundengeschäft die Margen immer stärker unter Druck stehen und die Vermögensverwaltung schwächelt? Unter den Niedrigzinsen leiden alle Banken. Doch bei der Deutschen Bank sorgen immer neue Hiobsbotschaften oder auch drastische Fernsehbilder wie von der Geldwäsche-Razzia in den Frankfurter Doppeltürmen Ende November dafür, dass Kunden Vertrauen verlieren. Bliebe noch die einstige Paradedisziplin, das Investmentbanking: Allerdings sieht es auch hier alles andere als rosig aus. Die großen US-Konkurrenten sind meilenweit enteilt. So weit, dass es eine der ersten Entscheidungen Sewings war, sich zumindest teilweise aus dem - aussichtslosen - Wettrennen um Marktanteile und Gebühren in den USA zurückzuziehen. Und wie weiter?
G WIE GEWINN: Drei Jahre lange mussten die Aktionäre Verluste schlucken, 2018 soll es wieder einen Gewinn geben. Das hat Sewing versprochen. Eine Dividende versprach er nicht. Wegen der Ertragsschwäche bleibt ihm kaum eine Alternative zur Kostenschraube, will er sein Versprechen halten. Daran drehen er und Finanzchef James von Moltke seit Monaten "bis es quietscht", wie altgediente Deutschbanker hinter vorgehaltener Hand kritisieren. Hunderte Sparideen haben die beiden angestoßen, vom Verbot zahlreicher Dienstreisen, vor allem für die unteren Ränge, bis zum Verzicht auf frisches Obst in den Besprechungsräumen. Manch einer in Frankfurt witzelt schon, dass die Deutschen Bank nicht mehr weit davon entfernt sei, sich zu einer "Spar"-Kasse zu mausern.
P WIE PERSONAL: Den Rotstift massiv angesetzt haben Sewing und von Moltke beim Personal. Deutlich unter 90.000 Mitarbeiter will sich das Duo mittelfristig noch leisten, bis Ende dieses Jahres soll die Zahl auf 93.000 sinken. Für die Übriggebliebenen heißt es dann Hoffen und Bangen, dass auf das Streichkonzert nicht noch eine Zugabe folgt. Nicht zuletzt die laufende Integration der Postbank in den Konzern sorgt dafür, dass Jobs wegfallen. Ein kaum zu stoppender Trend, wenn zudem immer mehr Tätigkeiten, die früher Menschen vorbehalten waren, von Computern gemacht werden: sei es als "Robo-Advisor" in der Vermögensverwaltung oder im Backoffice bei der Einschätzung von Kreditrisiken.
Z WIE ZUKUNFT: Am 10. März 2020 wird die Deutsche Bank 150 Jahre alt. Eine glanzvolle Vergangenheit: Seite an Seite mit der deutschen Industrie in der ganzen Welt und - zeitweise - als einziges heimisches Institut, dem es gelang an der New Yorker Wall Street und in der Londoner City mit den Großen der Branche mitzuspielen. Doch der Glanz verblasst und die Fragen nach der Zukunft werden immer drängender. Bislang lehnt Sewing eine Fusion mit einem anderen Geldhaus ab - jedenfalls für die nächsten "zwölf bis 18 Monate". Und danach?
Kommt es am Ende doch zu einer Fusion mit der Commerzbank, bei der es kaum besser aussieht? Dann wäre die Deutsche Bank nach der Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank und dem Verkauf der HVB an die italienische Unicredit die letzte Überlebende der einst so stolzen deutschen Großbanken. Oder schnappt sich doch ein internationaler Finanzkonzern mit Segen der Politik das Institut? 2019 könnte das Schicksalsjahr sein, in dem sich entscheidet, wohin die Reise geht.
rtr