Die Deutsche Bank reagiert also, aber sie reagiert spät. Denn bereits in den Jahren 2013 und 2014 gab es Warnungen eines hochrangigen US-Managers, die das Institut in den Wind geschlagen hat. Das zeigen interne E-Mails, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegen. Der Risikomanager William Broeksmit weist darin mehrfach darauf hin, dass die US-Tochter der Deutschen Bank ihre Lage viel zu rosig darstellt.

Broeksmit hat sich Anfang 2014 in seiner Londoner Wohnung erhängt. In der Bankenbranche genoss der Amerikaner als Risikoexperte hohes Ansehen. Er galt als enger Vertrauter von Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain, mit dem er bereits bei Merrill Lynch zusammenarbeitete. Später holte Jain ihn zur Deutschen Bank und wollte ihn 2012 zum Risikovorstand machen. Doch die deutsche Finanzaufsicht BaFin legte sich quer: Sie zweifelte Broeksmits fachliche Qualitäten nicht an, bemängelte aber seine fehlende Führungserfahrung.

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TAUBE OHREN IM "CENTER OF EXCELLENCE"

Die Deutsche Bank hat dieses Jahr zum ersten mal am US-Stresstest teilgenommen. Bereits im vergangenen Jahr musste das Institut jedoch eine Art Generalprobe machen und bestimmte Szenerien durchspielen. Bei den Vorbereitungen auf diesen internen Stresstest hat Broeksmit die Kalkulationen der Bank mehrfach als zu optimistisch kritisiert. Bei der Bewertung strukturierter Produkte müsse die Bank stärker berücksichtigen, dass es von 2001 bis 2004 zahlreiche Probleme mit solchen Papieren gegebe habe, schrieb er in einer E-mail. Das Institut müsse hier im Stresstest höhere Verluste ansetzen oder explizit erklären, warum es die Problemfälle in der Vergangenheit nicht beachte.

Das Gremium, das bei der Deutschen Bank in den USA für den internen Stresstest zuständig war und den Namen "Center of Excellence" trug, bügelte die Kritik ab. Nach einer ausführlichen Diskussion habe das Gremium entschieden, das Portfolio nicht härter zu stressen, schrieb Deutsche-Bank-Manager Angelo Del Giudice. Auch die Forderung von Broeksmit, das Thema im Vorstand der Bank zu diskutieren, lehnte er ab. Doch Broeksmit ließ nicht locker. Zwei Tage später forderte er erneut, die Angelegenheit im Vorstand zu debattieren. "Das Thema ist zu wichtig, um es schnell beiseite zu wischen."

Doch auch damit drang er nicht durch. Stattdessen schlug das "Center of Excellence" vor, dass der Kritiker die internen Berechnungen des Gremiums zum Stresstest im Vorstand vorstellen soll. Broeksmit lehnte das ab, schließlich waren die Kalkulationen aus seiner Sicht viel zu positiv. "Das würde so aussehen, als wenn ich auf einer Linie mit dem Management wäre, dabei soll ich ein unabhängiger Direktor sein", schrieb er in einer E-Mail. Das Gremium beschloss daraufhin, dass jemand anderes die internen Berechnungen im Vorstand präsentiert.

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"WIR SOLLTEN HÄRTER STRESSEN"

Kritik äußerte Broeksmit auch an der Bewertung von Unternehmenskrediten. Viele dieser Darlehen wurden von Banken anschließend gebündelt und an Investoren weitergereicht. Der Konkurrent Morgan Stanley gehe in diesem Bereich viel konservativer vor, schrieb Broeksmit. Die Ausfälle, mit denen die Deutsche Bank im Stresstest 2014 und 2015 kalkuliere, sähen "mikroskopisch klein" aus und seien angesichts von Ausfallraten in der Vergangenheit nicht nachvollziehbar. "Vielleicht sind wir hier zu optimistisch. Ich glaube, wir sollten härter stressen."

Deutsche-Bank-Manager David Waill wies die Forderung zurück. Vielleicht weise das Kreditbuch von Morgan Stanley einfach eine schlechtere Qualität auf, schrieb er in einer E-Mail. Morgan Stanley, Waill und sein Ex-Kollege Del Giudice, der mittlerweile für das britische Institut Barlcays arbeitet, wollten sich zu dem Thema nicht äußern.

Eine Sprecherin der Deutschen Bank sagte, Broeksmits Warnungen seien Teil von routinemäßigen Diskussionen innerhalb des Instituts gewesen. Sie dürften nicht als Zeichen für grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten interpretiert werden. Broeksmits Kollegen hätten ihn und seinen Rat sehr geschätzt. "Er hat ihre Ansichten und ihr Handeln stark beeinflusst."

Reuters