Die Deutsche Bank hatte am Sonntag den Abbau von weltweit 18.000 Jobs verkündet - jede fünfte Stelle fällt weg. "Das ist schmerzhaft, aber unvermeidbar, um den langfristigen Erfolg der Deutschen Bank sicherzustellen", verteidigte Konzernchef Christian Sewing die Pläne. Aus dem Aktienhandel will er komplett aussteigen, auch der Anleihehandel - lange Zeit das Aushängeschild der Deutschen Bank - muss abspecken.

Die Verunsicherung bei den Mitarbeitern ist groß. "Meine Zugangskarte funktioniert noch. Aber wer weiß, was morgen passiert", sagte ein Banker in Singapur. "Die Stimmung ist ziemlich düster. Einer nach dem anderen wird in einen Konferenzraum gebeten, bekommt nach Gespräche mit Personalern einen Umschlag gereicht und muss dann das Gebäude verlassen", sagte ein Aktienhändler, der seit sechs Jahren für das Geldhaus arbeitet.

Auch in London, dem Herz des Investmentbanking der Deutschen Bank in Europa, wurden Mitarbeiter am Montag informiert. "Ich wurde heute morgen entlassen. Ein kurzes Meeting und das war es dann", sagte ein IT-Mitarbeiter, der seit zweieinhalb Jahren an einem Projekt in der Bank arbeitete. Gleichzeitig war Sewing in London, um Analysten über die Umbaupläne zu informieren. In der britischen Finanzmetropole, wo das Geldhaus rund 8000 Menschen beschäftigt, wurden Hunderte Kündigungen erwartet.

In New York blieb die Kantine der Bank am Vormittag geschlossen, sie wurde für Gespräche zwischen Personalern und Mitarbeitern in Beschlag genommen. Hunderte Angestellte seien informiert worden, dass ihre Dienste nicht mehr benötigt werden, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Sewing wollte sich nicht zu Details der Stellenstreichungen äußern. Auch Deutschland dürfte nicht ungeschoren davonkommen.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier hofft auf eine Wende bei dem Frankfurter Geldhaus. "Der angekündigte Stellenabbau, der Arbeitsplätze weltweit betrifft, ist ein herber Einschnitt", sagte der CDU-Politiker auf Anfrage während er in New York für den Finanzplatz Frankfurt warb. Er hoffe, dass der Kurswechsel die Bank stabilisiere und auf einen Erfolgspfad bringe.


"WIR GREIFEN NICHT NACH DEN STERNEN"

Mit dem Umbau will Sewing die jahrelange Talfahrt der Deutschen Bank stoppen. Seine Vorgänger - Josef Ackermann, Anshu Jain, Jürgen Fitschen, John Cryan und auch Aufsichtsratschef Paul Achleitner - scheuten tiefe Einschnitte im Investmentbanking. Sewing, seit 15 Monaten im Amt, hat sich nun, für viele Beobachter durchaus überraschend, unerwartet schnell emanzipiert und fährt eine harte Linie. Sein Ziel: "2022 wird die Deutsche Bank eine wachsende, effiziente und profitable Bank mit einem Vorsteuergewinn von mindestens sechs Milliarden Euro sein." Die Kosten will der 49-Jährige um sechs Milliarden auf 17 Milliarden drücken. "Das ist für mich nicht verhandelbar." Die Erträge in der Kernbank will er bis 2022 auf 25 Milliarden Euro steigern, von 22,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Analysten sind jedoch skeptisch, schließlich hat die Bank bei früheren Strategieänderungen ihre Ziele oft verfehlt. "Diesmal wird es anders sein", versprach Sewing. Die Ziele seien realistisch. "Wir greifen nicht nach den Sternen."

Große Hoffnungen setzt der seit gut einem Jahr amtierende Konzernchef auf eine Unternehmensbank. In ihr soll das deutsche Geschäft mit Firmenkunden und die Transaktionsbank, die für viele nationale und internationale Unternehmen Dienstleistungen wie etwa den Zahlungsverkehr anbietet, gebündelt werden. Auch viele kleine und mittlere Firmen, die bisher von der Privatkundenbank bedient wurden, sollen künftig dort angebunden sein. Was von der Investmentbank übrig bleibt, soll sich ebenfalls hauptsächlich auf Dienstleistungen für Unternehmen konzentrieren. Am Ende werde die Deutsche Bank eine kleinere, einfachere und weniger von den Launen des Marktes abhängige Bank sein, sagte Sewing.

Doch bevor die Bank die Früchte des Umbaus ernten kann, steht ihr zunächst eine weitere Durststrecke bevor. 2019 erwartet die Bank rote Zahlen - das wäre der vierte Verlust binnen fünf Jahren. Für das zweite Quartal verbuchte das Geldhaus bereits einen Fehlbetrag von 2,8 Milliarden Euro. Auch im kommenden Jahr drohen rote Zahlen. "Wir arbeiten daran, 2020 ein ausgeglichenes oder besseres Ergebnis zu erreichen", sagte Finanzchef James von Moltke. Allerdings gebe es erhebliche Unsicherheiten. Die Aktionäre sollen für 2019 und für 2020 auf eine Dividende verzichten.


VOLLES RISIKO

Bei Analysten und Börsianern müssen Sewing & Co noch viel Überzeugungsarbeit leisten, anfängliche Kursgewinne verpufften zu Wochenbeginn schnell. Am Nachmittag fiel die Aktie zeitweise um gut sieben Prozent und war mit Abstand schlechtester Wert im europäischen Bankenindex. Einhelliges Echo: Die Pläne seien zu sehr auf Kante genäht. "Jetzt kann man nur hoffen, dass es in den nächsten drei Jahren an den Finanzmärkten ruhig bleibt", sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance, bei der Deka, dem Fondshaus der Sparkassen. "Die Deutsche Bank wird durch den laufenden Umbau fragiler, die Kernkapitalquote geht runter. Kleiner werden und zugleich die Erträge steigern - das wird schwierig. Alles in allem ist es eine Hochrisiko-Strategie." Durch das geplante Abschmelzen der Kapitalpolster gebe es nicht viel Spielraum für Fehler, warnten auch die Analysten von RBC Capital Markets. Sewing will sich künftig mit einer harten Kernkapitalquote (CET1) von mindestens 12,5 Prozent begnügen, nachdem er bislang mindestens 13 Prozent angestrebt hatte. Die Aktionäre sollen vorerst nicht wieder zur Kasse gebeten werden.

Sewing und von Moltke betonten, dass das geringere Kapitalpolster mit den Aufsehern von der Europäischen Zentralbank besprochen und von diesen akzeptiert worden sei. Aber auch in Aufsichtskreisen hieß es, dass die Pläne der Bank auf recht optimistischen Annahmen basierten.

Konkurrenten wie die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse haben schon vor Jahren abgespeckt - und sind der Deutschen Bank nun um Meilen voraus. Sie können sich auf ihr Tagesgeschäft konzentrieren. Neil Wilson vom Brokerhaus Markets.com sprach denn auch von einem überfälligen Schritt für die Frankfurter: "Jetzt ist es die richtige Medizin, sie hätte nur ein paar Jahre früher genommen werden müssen."

rtr