von Franz-Georg Wenner




Für den Erfolg an der Börse ist es entscheidend, den Einfluss von Emotionen so gering wie möglich zu halten. Gerade die Psychologie macht uns Anlegern aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Stoppkurse werden im letzten Moment in der Hoffnung gelöscht, dass der Kurs sich in die richtige Richtung bewegt. Auf der anderen Seite verleitet die Gier zu riskanten Entscheidungen, die rational betrachtet keinen Unterschied mehr zum Glücksspiel aufweisen.

Wir setzen daher bei unseren Analysen verstärkt auf statistische Daten und mathematische Modelle. So erhält man recht zuverlässige Prognosen, welche realistischen Ziele der DAX in den kommenden Jahren erreichen kann. Hier hilft ein Blick in die Vergangenheit, um Erwartungswerte für die Zukunft zu erhalten. Seit 1988 kletterte der DAX Performance-Index im Durchschnitt um 9,1 Prozent pro Jahr, der Kursindex um 6,5 Prozent . Natürlich kann es dabei immer zu Abweichungen nach oben und unten kommen. Im vergangenen Jahr rückte der DAX nur um 2,7 Prozent vor, in 2013 waren es hingegen 25,5 Prozent. Bereits dieser kurzfristige Vergleich zeigt, dass Übertreibungen in eine Richtung zügig wieder ausgeglichen werden. In der Tabelle sehen Sie verschiedene Szenarien für die kommenden Jahre bei jeweils unterschiedlichen Jahresrenditen. Grün markiert haben wie jeweils den Zeitpunkt, wenn der DAX erstmals die 20.000er-Schwelle knackt. Auf Basis des statischen Durchschnitts wäre dies in ungefähr sieben Jahren der Fall.

Chart 1: Prognosemodell DAX



Bis es soweit ist, dürften noch einige Kurskorrekturen den Mut der Käufer vor eine ernste Probe stellen. Gerade nach der beeindruckenden Rally der vergangenen Wochen sind inzwischen verstärkt wieder Pessimisten zu hören, die vor einem Crash warnen. Wir haben daher untersucht, ob die Rally von rund 28 Prozent auf Schlusskursbasis seit dem Oktober-Tief 2014 ungewöhnlich ist. Wie der zweite Chart zeigt, kam es in den vergangenen 20 Jahren bereits mehrfach zu vergleichbaren prozentualen Zuwächsen. Besonders häufig und teilweise noch ausgeprägter waren die Rallybewegungen zwischen 1997 bis 2000. Weitere Beispiele finden sich 2003, 2009 sowie 2012. Gerade die letzten drei Phasen unterscheiden sich aber wesentlich von der aktuellen Situation. Anders als heute kam es zu einer technischen Gegenbewegung, nachdem der Markt zuvor kräftig verloren hatte. Die derzeitige Lage ist daher eher vergleichbar mit der Situation in der Zeit vor der Jahrtausendwende.

Dennoch wäre es falsch, jetzt bereits aktiv auf die Short-Seite zu wechseln. Der mittelfristige Trend ist eindeutig aufwärts gerichtet, klare Schwächesignal sind nicht vorhanden. Nach einer Rally von mehr als 2600 Punkten rückt aber der Zeitpunkt, an dem verstärkt Gewinnmitnahmen einsetzen werden, immer näher. Anleger die investiert sind sollten daher je nach Positionsgröße und Einstiegszeitpunkt ihre Gewinne sichern und Stopps nachziehen. Dabei bietet es sich auch an, mehrere Verkaufsaufträge zu platzieren, um nicht unglücklich bei einer kurzen Gegenbewegung komplett aus dem Markt gespült zu werden.

Der hochaufgelöste Chart auf Fünf-Minuten-Basis liefert die entscheidenden Handelsmarken. Eine erste schwächere Haltemarke liegt im Bereich 10.770 / 10.830. Sollte die Nachfrage nicht ausreichen, stellt die seit Ende Januar bereits mehrfach bewährte Zone um 10.550 / 10.600 eine gute Unterstützung dar. Erst wenn der DAX auch hier noch keine Gegenbewegung zeigen sollte, muss die positive Prognose in Frage gestellt werden. Kurzfristige gehebelte Positionen sollten daher unter dieser Schwelle abgesichert werden.

Auf der Oberseite wird sich nun sehr schnell zeigen, ob die 11.000er-Marke zu einer charttechnisch relevanten Barriere wird oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit ist durchaus gegeben. Zwischen Ende Mai bis Anfang Juni 2014 pendelte der DAX in einer Range von rund 300 Punkten um die 10.000er-Schwelle. Weiteres Aufwärtspotenzial auf Basis unseres bewährten Systems der 21-Tage-Linie wäre nach der jüngsten Konsolidierung vorhanden. Der Abstand zum Monatsmittelwert liegt mit 2,8 Prozent auf einem unauffälligen Niveau. Erst ab einer Differenz von 3,8 Prozent steigt wieder die Gefahr von Gewinnmitnahmen. Ein weiterer Anstieg bis 11.075 ist daher durchaus zu erwarten.

Chart 2 - DAX Intradaychart auf Fünf-Minuten-Basis



Auf Seite 2: Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Chart 3 - Tageschart mit Abstand zur 21-Tage-Linie in %



Nach der starken Rally, die im Oktober 2014 startete, ist das Potenzial nach oben beschränkt. Der in den vergangenen Jahren gemessene maximale Abstand zur 21-Tage-Linie (dem Monatsdurchschnittskurs) des DAX beträgt knapp über neun Prozent - ein Extremwert, der im zurück liegenden Jahrzehnt nur in vier Fällen erreicht wurde, meist nach stärkeren Korrekturen. Zuletzt notierte der Index Ende Januar mehr als acht Prozent über seinem Durchschnitt, was bereits auf eine massive Überhitzung des Marktes hin deutet.

Das letzte Mal war der DAX im Herbst 2011 so überkauft. Damals schlugen die Kurse anschließend fast in gleichem Maße nach unten aus und fielen um 8 Prozent unter ihren Monatsmittelpreis. Umgerechnet auf das aktuelle Kursniveau ergäbe sich daraus beträchtliches Korrekturpotenzial bis fast an die 9700er-Marke. Es gibt zwar keine Wiederholungsgarantie, doch folgt auf eine Übertreibung in eine Richtung häufig auch ein stärkerer Ausschlag zur Gegenseite - das ist mehr oder weniger ein Gesetz der Marktphysik und lässt sich auch mit gesundem Menschenverstand nachvollziehen. Anleger mit längerem Zeithorizont sollten entsprechend vorsichtig agieren und nicht zwangsläufig jetzt frisches Kapital investieren. Es ist aus dem oben geschilderten Blickwinkel wahrscheinlich, dass wir auf absehbare Zeit noch einmal tiefere Indexstände zu sehen bekommen.

Auf Seite 3: Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Chart 4 - Wochenchart mit Abstand zur 200-Tage-Linie



Wie weit kann es langfristig nach den neuen Allzeithochs nun noch gehen? Die Statistik hilft, diese Frage zu beantworten: Unter dem Kursverlauf des DAX haben wir im Wochenchart den Abstand der Kurse zur 200-Tage-Linie (entspricht etwa dem 40-Wochen-Durchschnitt) abgebildet. Mit dieser Methode lassen sich Kursziele auf der Oberseite bei maximal rund 11.000 bis 11.600 Zählern errechnen - diese Werte entsprechen den in der Vergangenheit im Idealfall gemessenen 14 bis 20 Prozent Abstand des Index zu seinem langfristigen Durchschnittspreis.

Zu Beginn des Jahrtausends waren es auch mal 33 Prozent und mehr - doch das sollten sich Anleger lieber nicht wünschen, auch wenn der DAX dadurch noch rechnerisches Potenzial bis jenseits der 12.800er-Marke hätte. Denn anschließend startete damals der dreijährige Abwärtstrend, im Zuge dessen sich der Indexstand fast viertelte.

Auf Seite 4: Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis



Chart 5 - Kerzenchart auf Tagesbasis



Auf Seite 5: Tabelle Unterstützungen und Widerstände



Tabelle Unterstützungen und Widerstände



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Trading-Ideen

























































Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de