Die Kosten für Dieselgate steigen inzwischen auch bei Daimler - ein Überblick über die verschiedenen Fronten:


DIESEL-RÜCKRUFE IN EUROPA

Im Juni 2019 ordnete das KBA den jüngsten Rückruf an: Beim Mercedes-Geländewagen GLK sei eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut - das heißt, der Grenzwert für Stickoxid wird mittels Softwaresteuerung nur auf dem Prüfstand, nicht aber auf der Straße eingehalten. Dem Verkehrsministerium zufolge handelte es sich um 60.000 Fahrzeuge, Daimler nannte die Zahl 41.000 für Europa. Beanstandet wird dabei die Steuerung des Kühlthermostats, die nur auf dem Prüfstand gesetzeskonforme Stickoxid-Emissionen sicherstelle. Der Konzern hält die Funktion für rechtlich zulässig und legt gegen diesen wie gegen die vorangegangenen Bescheide Widerspruch ein. Das KBA untersucht unterdessen noch weitere Modelle.

Im Juni 2018 verhängte die Behörde aus Flensburg einen Rückruf über 670.000 Mercedes-Diesel, unter anderem der Modelle C-Klasse und GLC. Einen Monat zuvor musste als erstes Fahrzeug von Daimler der Kleintransporter Mercedes Vito mit einer Stückzahl von rund 4900 in die Werkstatt beordert werden.

Im Juli 2017 kündigte Daimler an, mit einer "freiwilligen Servicemaßnahme" drei Millionen Diesel-Pkw in Europa per Software-Update sauberer zu machen. Darin ist der Großteil der amtlich zurückgerufenen Fahrzeuge enthalten. Bisher sind rund 800.000 Fälle erledigt. Im April 2016 hatten sich Mercedes und andere deutsche Autobauer zu einer Nachrüstaktion bereit erklärt, nachdem das KBA seine erste Untersuchung zur Diesel-Abgasmanipulation seit dem Ausbruch des Dieselskandals bei Volkswagen im September 2015 vorgelegt hatte. Damals begann der Streit darüber, ob das sogenannte "Thermofenster" nach EU-Recht zulässig ist oder nicht. Nach der umstrittenen Regelung darf die Abgasreinigung etwa bei niedriger Temperatur gedrosselt werden, wenn der Motor sonst beschädigt würde.


SCHADENERSATZKLAGEN VON DIESEL-BESITZERN

Eine unbekannte Zahl von Mercedes-Diesel-Besitzern hat Daimler in Deutschland auf Schadenersatz verklagt, weil der Autobauer sie über den Stickoxid-Ausstoß ihrer Fahrzeuge getäuscht habe. Knapp 170 Klagen von Mercedes-Diesel-Besitzern wurden bislang abgewiesen. Ein Dutzend Klagen vor Landgerichten waren bisher erfolgreich. Daimler ging stets in Berufung vor die Oberlandesgerichte (OLG). Auf OLG-Ebene gab es nach Unternehmensangaben bisher fünf Entscheidungen zu Gunsten von Daimler, keine gegen den Autokonzern und auch keinen Vergleich zum Abwenden eines für Daimler ungünstigen Berufungsurteils. Beim Landgericht Stuttgart beantragte ein Daimler-Aktionär stellvertretend für viele, wegen Verstoßes gegen die Publizitätspflicht über kursrelevante Ereignisse ein Musterverfahren zu eröffnen. In den USA und Kanada gibt es Sammelklagen von Diesel-Fahrern gegen Daimler.


ERMITTLUNGEN

Seit dem Frühjahr 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen bekannte und unbekannte Mitarbeiter von Daimler wegen Betruges und strafbarer Werbung. Anfang dieses Jahres eröffneten die Strafverfolger noch ein Bußgeldverfahren. Sie untersuchen, ob Verantwortliche des Unternehmens im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation ihre Aufsichtspflichten verletzt haben. Volkswagen musste nach einem solchen Verfahren eine Milliarde Euro Bußgeld zahlen, die Konzerntöchter Audi und Porsche 800 beziehungsweise 535 Millionen Euro.

In den USA laufen seit 2016 Untersuchungen von Behörden, weil Dieselmodelle von Mercedes-Benz mehr Stickoxid ausstoßen als erlaubt. Unter anderem prüfen das Justizministerium, die Umweltbehörde EPA und ihr Pendant im US-Bundesstaat Kalifornien CARB, ob Daimler die Abgasreinigung rechtswidrig manipulierte. Auch die Börsenaufsichtsbehörden in Deutschland und den USA prüfen Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten.


RÜCKSTELLUNGEN

Daimler legt mit Verweis auf prozesstaktische Gründe nicht komplett offen, in welcher Höhe Rückstellungen für die Kosten des Dieselskandals gebildet wurden. Für das zweite Quartal nannte der Konzern erstmals eine Summe von 2,55 Milliarden Euro. Im Jahr zuvor war von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag die Rede. Die freiwillige Servicemaßnahme sollte ursprünglich 220 Millionen Euro kosten. Alles in allem dürfte sich die Diesel-Rechnung bei Daimler bisher auf mehr als drei Milliarden Euro summieren. Das ist noch wenig im Vergleich zu 30 Milliarden Euro beim VW-Konzern. Teuer könnte, nach den Erfahrungen von VW, ein Vergleich in den USA werden.

rtr