Zu den Mandanten gehörten Banken, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen und Pensionsfonds aus dem In- und Ausland. Tilp kündigte weitere Klagen an. Die Kanzlei ist nicht die einzige, die Anleger gegen den Dax-Konzern vertritt. Eine Sprecherin von Daimler erklärte, das Unternehmen kenne die jüngsten Klagen nicht. Die ihm bisher bekannten halte es für unbegründet und werde sich mit allen rechtlichen Mitteln gegen sie wehren.

Tilps Mandanten werfen Daimler vor, im Zeitraum von Mitte 2012 bis Mitte 2018 den Kapitalmarkt nicht über finanzielle Risiken informiert zu haben, die durch den Einsatz illegaler Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen entstanden sei. Die Anleger hätten deshalb Daimler-Aktien zu teuer erworben.

Auch Tausende Besitzer von Mercedes-Dieselwagen klagten auf Schadenersatz, weil die Abgasreinigung rechtswidrig manipuliert sei. Allein am Landgericht Stuttgart gingen von Januar bis Oktober 2019 rund 1800 Verfahren ein. Bundesweit wurden die meisten Klagen bisher abgewiesen. Nach Angaben von Daimler scheiterten rund 1400 Klagen vor Landgerichten. Gegen die 68 Urteile zu Gunsten der Kläger gehe das Unternehmen in Berufung. In der zweiten Instanz bei Oberlandesgerichten habe es bisher 33 Entscheidungen für und keine gegen Daimler gegeben.

DAIMLER: KEIN BETRUG


Anders als Volkswagen bestreitet Daimler die auch vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vertretene Ansicht, eine unzulässige Abschalteinrichtung habe die Reinigung von Stickoxid illegal gedrosselt. Nach EU-Recht ist das bei niedrigen Temperaturen erlaubt, wenn der Motor sonst beschädigt würde. Das Unternehmen legte deshalb Widerspruch gegen die Begründung des KBA zu Rückrufen über etwa eine Million Fahrzeuge seit Mitte 2018 ein, nimmt die geforderten Reparaturen aber vor.

Bei den Anlegerklagen setzt Tilp wie auch eine weitere große Kanzlei auf ein Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG). Über dieses werde das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart bald entscheiden, erklärte Rechtsanwalt Andreas Tilp. Mit einem KapMuG schafft das Gericht eine Entscheidungsgrundlage für eine Vielzahl individueller Klagen. Das Landgericht Stuttgart prüfe derzeit noch zwei Dutzend Anträge auf Musterverfahren, erklärte eine Behördensprecherin. Nach einer Veröffentlichung der Anträge kann das Landgericht das Verfahren dem OLG vorlegen. Wie lange das Prozedere dauert, wollte das Gericht nicht sagen.

Der Dax-Konzern wappnete sich gegen die Rechtskosten durch den Dieselskandal bereits mit milliardenhohen Rückstellungen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart verhängte im September eine Geldbuße von 870 Millionen Euro gegen das Unternehmen. In einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung sei die Aufsichtspflicht ab 2008 verletzt worden, begründeten das die Strafverfolger. Auch VW sowie die Töchter Audi und Porsche mussten in Deutschland Strafen in ähnlicher Höhe zahlen.

rtr