Vielen Autoherstellern, darunter VW, BMW und Daimler, droht im Dieselskandal eine Schlappe mit weitreichenden und vor allem teuren Konsequenzen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet am Donnerstag darüber, ob der Einsatz von sogenannten Abschalteinrichtungen zulässig ist - oder ob es sich dabei um eine arglistige Täuschung der Verbraucher handelt.
In einem ersten Gutachten vertrat die zuständige Generalanwältin bereits im April die Einschätzung, dass die Verwendung von Abschalteinrichtungen rechtswidrig sei. Eine Ausnahme könnte lediglich sein, wenn "die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten". Diesen Nachweis blieben die Hersteller aber offenbar schuldig. Eine Entscheidung der EU-Richter wird seit Monaten erwartet.
Was würde ein verbraucherfreundliches Urteil bedeuten?
Erstmals geht es vor Gericht nicht um Ansprüche gegen einzelne Hersteller, sondern vielmehr um das fragwürdige und jahrelange "Optimieren" von Abgaswerten per se. Techniken wie beispielsweise das sogenannte "Thermofenster" führen dazu, dass die Abgasreinigung eines Autos nur in einem bestimmten Temperaturbereich effizient arbeitet. Außerhalb dieses Bereichs wird die Reinigung eingestellt oder minimiert. Das führt dazu, dass viele Fahrzeuge im Realbetrieb deutlich mehr Abgase ausstoßen als im Testbetrieb.
Sollten die europäischen Richter der Einschätzung der Generalanwältin folgen - was sie in den allermeisten Fällen auch tun - drohen der Autobranche zigtausende neue Klagen, Rückrufe und Forderungen nach Schadenersatz in Milliardenhöhe. Verbraucheranwalt Claus Goldenstein versucht vorab die Folgen eines verbraucherfreundlichen Urteils abzuschätzen: "Allein in Deutschland wurden mehrere Millionen Fahrzeuge mit eingebauten Abschalteinrichtungen zugelassen. All diese Automobile müssten von den verantwortlichen Herstellern zurückgerufen werden, damit die Abgasreinigung der Fahrzeuge optimiert wird. Letzteres kann durch Software- oder Hardware-Updates gewährleistet werden."
Ein VW-Sprecher sieht das allerdings anders: Selbst bei einem verbraucherfreundlichen Urteil hätten Kunden kein Recht auf Schadenersatz oder auf Rückruf, weil der Einsatz von Thermofenstern den zuständigen Behörden (in Deutschland dem Kraftfahrtbundesamt) gemeldet worden und von diesen auch genehmigt worden seien. Von einer sittenwidrigen Schädigung könne daher kein Rede sein.
Branchenexperten hoffen trotzdem, dass mit dem morgigen EuGH-Urteil die Rechtslage für Verbraucher wie für Konzerne zumindest klarer wird. Mehr als fünf Jahre sind seit dem Bekanntwerden der Abgasmanipulationen bereits vergangen und ein Ende der Affäre ist weiterhin nicht absehbar.