Gundsätzlich sollte man sich ja angewöhnen, das Auf und Ab an der Börse aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Zum einen aus der Sicht eines Langfristinvestors, und zum anderen mit dem Blick eines eher kurzfristig orientierten Spekulanten - das ist das Mindeste. Meist lohnt sich zudem eine mittelfristige Betrachtung der Dinge. Einfacher geht es nicht. Sonst wird das mit dem Anlegen konfus, man lässt sich vom obligatorischen täglichen Getöse an den Märkten kirre machen und begeht Fehler.

Daher zunächst mal eine aktuelle - und höchst subjektive - Einordnung: Langfristig läuft die Rally aus, und es ist nicht verkehrt, das Depot langsam aber sicher vorsichtiger aufzustellen. Mittelfristig scheint indes das Top an den Börsen noch nicht erreicht zu sein - bis Jahresende könnte noch was gehen. Kurzfristig jedoch sieht es nach einer etwas länger anhaltenden Korrektur aus. So die Lage in Kürze. Drei Blickwinkel in einem einzigen Absatz. Da kann es an der Börse lärmen, wie es will. Ablenken wird uns das nicht.

Nun ist die Börse aber kein Wunschkonzert, und oft hält sie sich ja auch nicht an solche Fahrpläne. Allerdings gibt es doch ganz gute Gründe für das beschriebene Dreiblickwinkelszenario.

Kurzfristig - erster Blickwinkel - sieht es aus folgenden Gründen weiterhin nach Korrekturbedarf aus: Zum einen spricht die Saisonalität dafür, Ende August bis Oktober sind oft schlechte Zeiten an der Börse. Dazu können politische Gründe für Unruhe sorgen, etwa die anstehenden Debatten um die US-Schuldengrenze. Und letztlich zeigen etliche Indikatoren wie Volatilität und Marktbreite an, dass die schon begonnene Korrektur noch unfertig ist - wir haben das ja schon vergangene Woche geschrieben.

Sollten die Kurse also in den kommenden Wochen weiter nachgeben, dann ist dies - und das ist die gute Nachricht - noch einmal eine gute Gelegenheit, um Aktien zu kaufen. Unter der Prämisse -jetzt kommt Blickwinkel zwei -, dass die mittelfristige Sicht der Dinge so kommt, wie angenommen. So deutet doch einiges darauf hin, dass "die Musik an der Börse noch spielt", wie es der ehemalige Citigroup-Chef Chuck Prince einmal ausgedrückt hat. "Und so lange gespielt wird, sollte man tanzen." Den Takt dazu liefern die Unternehmen, deren Ergebnisse im zurückliegenden Quartal genauso gut waren wie die Aussichten auf kommende Zahlen vielversprechend.

Bleibt der dritte, der langfristige Blick auf die Börsenlage. Hier muss man abwägen, wie groß denn nun die Gefahr einer Rezession ist. Denn ohne Rezession ist ein nachhaltiger Börsenabschwung kaum vorstellbar.

Während einer Rezession werden grundsätzlich die Exzesse des vorangegangenen Aufschwungs ausgeräumt. Abgesehen vom Hype um die Unternehmen im Silicon Valley sieht es da nicht so schlimm aus. Insofern dürfte eine Baisse - so sie denn kommt - nicht allzu dramatisch ausfallen. Dass es aber dazu kommen kann, dafür sprechen etliche Faktoren: etwa das Ungleichgewicht in der Vermögensverteilung, eine insgesamt zu hohe Verschuldung der Unternehmen, politische Unsicherheiten, was den immer unbeliebteren US-Präsidenten angeht, eine Wende bei den Unternehmensgewinnen, wenn die Zinsen steigen. Dazu Probleme am Anleihemarkt, wenn die Notenbanken die laxe Geldpolitik weiter zurückschrauben. Das ist zu bedenken, beim - dreifachen - Blick auf die Märkte.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com