Nach dem Zinsentscheid am Mittwochabend (19.00 MEZ) ist auch keine Pressekonferenz mit Fed-Chefin Janet Yellen geplant. Daher werden sich alle Experten auf das Kommunique stürzen, um es auf mögliche Botschaften zur weiteren Zinspolitik zu durchleuchten.
Ökonom Michael Pond von der britischen Großbank Barclays erwartet, dass die Fed ein Konjunkturbild zeichnen wird, das neben Licht auch Schattenseiten hat. So könnte sie auf die zuletzt schwächeren Daten vom Arbeitsmarkt verweisen, aber auch auf die nachlassenden Risiken an den Finanzmärkten: "Damit bleiben alle Optionen offen."
Im September schreckte Yellen nach dem Börsenbeben in China noch vor einer Zinserhöhung zurück, obwohl die US-Wirtschaft eigentlich seit längerem brummt. Mittlerweile haben sich die Märkte jedoch beruhigt. Immer neue Zinssenkungen in China und Konjunkturspritzen der Regierung sorgten mit dafür, dass die ärgsten Sorgen vor einer harten Landung der Wirtschaft im Reich der Mitte gedämpft wurden.
YELLEN MUSS "ZINSSCHOCK" VERMEIDEN
Durch ihren zögerlichen Kurs hat Yellen die Markterwartungen immer stärker in Richtung einer geldpolitischen Straffung im nächsten Jahr gelenkt. Dabei hatte sie stets ihre Absicht einer Erhöhung noch in diesem Jahr betont. Nun sei Yellens Kommunikationstalent gefragt, meint Commerzbank-Ökonom Weidensteiner. Denn die Finanzmärkte hielten eine Erhöhung im Dezember mittlerweile für weniger wahrscheinlich. Da Yellen sie vor einem Zins-Schock bewahren wolle, müsse die Fed-Chefin den Boden für den ersten Schritt zunächst bereiten.
Postbank-Ökonom Lucas Kramer hat die Zinswende in diesem Jahr bereits abgeschrieben und rechnet erst für das Frühjahr 2016 damit. Er verweist darauf, dass Yellen bereits nach der Sitzung im September auf die anhaltend niedrige Inflation und Risiken für die US-Wirtschaft durch die globale Konjunkturabkühlung hingewiesen habe: "An dieser Einschätzung dürfte sich in der Zwischenzeit nichts geändert haben."
FRAGWÜRDIGES TIMING
Die Notenbank hat nach Ansicht vieler Beobachter den günstigsten Zeitpunkt für eine Anhebung bereits verpasst. Kritiker befürchten, dass die Fed bei einem zu langen Festhalten an der Politik des billigen Geldes Preisblasen an den Märkten Vorschub leistet - etwa an den Aktienbörsen. Im September zögerte Yellen wegen Chinas Konjunkturschwäche, nun könnten ihr schlechtere Daten der heimischen Wirtschaft in die Quere kommen.
Denn für die am Donnerstag anstehenden Zahlen zum Bruttoinlandsprodukt zum dritten Quartal erwarten Experten eine deutliche Abkühlung des Wachstums auf einen aufs Jahr hochgerechneten Wert von 1,6 Prozent. Im Frühjahr hatte die Konjunktur noch um 3,9 Prozent zugelegt.
Nach Ansicht Weidensteiners tobt hinter den Kulissen der Notenbank ein Streit zwischen Vertretern einer straffen und einer lockeren geldpolitischen Linie: "Yellen und ihr Vize Stanley Fischer werden die Zügel bald in die Hand nehmen müssen, um die Kommunikation der Fed wieder zu ordnen." Dann könnte es zu mehr Klarheit darüber kommen, wann die Fed den Zins anhebt, der seit der globalen Finanzkrise Ende 2008 auf dem Rekordtief von null bis 0,25 Prozent liegt.
WINK MIT DEM ZAUNPFAHL?
Ein Auftritt Yellens vor dem Wirtschaftsausschuss des US-Kongresses am 3. Dezember dürfte Gelegenheit bieten, den Märkten in Sachen Zinswende doch noch einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben.