Die Parole lautet: "Deutschland krempelt die Ärmel hoch." Gesundheitsminister Jens Spahn hat Ende Dezember die für alle kostenlose nationale Impfkampagne gegen Corona gestartet. Und die Impfbereitschaft ist hoch. Knapp zwei Drittel der Deutschen wollen sich laut einer repräsentativen Umfrage von Ende 2020 gegen das Virus impfen lassen. In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich immunisieren lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten.
Das führt direkt zur Frage: Welche Schäden kann die Impfung anrichten? Zu Corona-Impfungen sind nur wenige Aussagen möglich. Zwar erklärt eine Sprecherin des federführenden Robert-Koch-Instituts, zur Sicherheit der aktuellen Corona-Schutzimpfung habe sich die Ständige Impfkommission (Stiko) "ausführlich geäußert". Sie verweist auf eine Stiko-Empfehlung. Tatsächlich referieren die Autoren aber im Wesentlichen die Ergebnisse der Zulassungsstudie der Hersteller Biontech/Pfizer für den Impfstoff Comirnaty.
Dort sind vier "schwere unerwünschte Ereignisse" dokumentiert, die als "impfstoffbezogen" eingestuft werden. Dabei handelt es sich um eine Schulterverletzung, eine Lymphknotenvergrößerung, eine beschleunigte Herzaktivität und Kribbeln in einem Bein. Im Aufklärungsbogen, über den impfbereite Bürger ihre Einwilligung geben, wird zudem darauf hingewiesen, dass es in vier Fällen bei der klinischen Prüfung vor Zulassung des Impfstoffs zu einer akuten Gesichtslähmung gekommen ist.
Auch zu früheren Impfkampagnen ist die Datenlage mager. Als gewisse Parallele taugt das Auftauchen der Schweinegrippe im Jahr 2009. Auch damals war die Nachfrage nach einer Impfung groß, und es wurden im Eiltempo Vakzine entwickelt. "In Schweden wurden rund fünf Millionen Bürger geimpft. Man beobachtete anschließend rund 600 Fälle von Narkolepsie, einer autoimmunbedingten Schlafkrankheit", sagt der Arzt, Fachanwalt und Leiter des Instituts für Medizinrecht an der Universität Witten/Herdecke, Peter Wolfgang Gaidzik.
Im jüngsten Nationalen Impfplan hat die Medizinerin Renate Klein für Deutschland Impfschäden aller Art und Herkunft in den Jahren 2005 bis 2009 ermittelt. Demnach wurden insgesamt 1.036 Anträge auf Anerkennung von Impfschäden gestellt, von denen 169 Anträge bewilligt wurden. Angesicht von mehreren Dutzend Millionen Impfdosen, die jährlich in Deutschland verabreicht werden, sind die Schäden marginal. Trotzdem gibt es sie.
Und wer zahlt, wenn tatsächlich etwas passiert? Wer sich impfen lässt und einen gesundheitlichen Dauerschaden davonträgt, ist umfangreich finanziell abgesichert. "Wer einen Impfschaden erleidet, hat in jedem Fall Ansprüche gegen den Staat, der die Impfung empfohlen hat. Und das ist bei der Corona- Schutzimpfung zweifelsfrei der Fall", sagt Isabella Beer, Fachanwältin für Medizinrecht und für Versicherungsrecht von der Kanzlei Förster & Blob aus Schwabach.
Zudem hafte die Pharmafirma, die das Produkt vertreibt, wenn das Arzneimittel fehlerhaft ist. Und es müsse der Arzt, der die Impfung durchgeführt hat, Schadenersatz leisten, wenn er dabei Fehler gemacht hat, beispielsweise den Impfstoff überdosiert - wie bereits in Stralsund bei Altenpflegern passiert, die eine fünffache Dosis erhielten.
Kurz nach einer Impfung können verschiedene Symptome auftreten, wie Temperaturerhöhung, Kopf- und Gliederschmerzen. Beer: "Erst wenn diese oder andere Reaktionen nicht mehr weggehen, spricht man von einem Impfschaden."
Fünfstellige Eurobeträge
Ruft der Impfstoff eine schwere Krankheit hervor, erhält das Opfer auf Antrag Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. "Wie hoch eine Entschädigung nach einem Corona-Impfschaden ausfällt, ist bisher nur schwer vorauszusehen, da sie stets von der Art und dem Umfang des eingetretenen Schadens im Einzelfall abhängt", sagt Ralph Steinbrück, Fachanwalt für Medizinrecht aus München. "In schweren Fällen könnten auch fünfstellige Eurobeträge oder mehr erreicht werden."
Schmerzensgeld können die Betroffenen nicht aus dem Bundesversorgungsgesetz erhalten. "Denn solche Ansprüche sind nur zivilrechtlich, etwa aus Amtshaftung, zu begründen, was aber ein schuldhaftes Handeln voraussetzt", sagt Medizinrechtler Gaidzik. Er verweist aber darauf, dass Entschädigungsansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz und Amtshaftungsansprüche auch parallel geltend gemacht werden können. Das habe der Bundesgerichtshof bereits 1990 entschieden (Az. III ZR 100/88). Ebenso blieben Schadenersatzansprüche gegen Dritte, etwa den Impfstoffhersteller, möglich.
Viele Anspruchssteller könnte es geben, wenn die Aufklärung nicht vorschriftsmäßig läuft. Gaidzik: "Ich bin skeptisch, ob in einer politisch so begleiteten Impfkampagne die gesetzlichen Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung ausreichend umsetzbar sind." Aufklärung und Einwilligung zu einer medizinischen Maßnahme seien ethisch wie rechtlich das Fundament der Patienten-Arzt-Beziehung. Daher warnt Gaidzik: "Eine unterbliebene oder inhaltlich unzutreffende oder unvollständige Aufklärung, weil etwa relevante Risiken verschwiegen oder unzulässig bagatellisiert werden, lässt die Wirksamkeit der Einwilligung entfallen, womit die Impfung zu einer rechtswidrigen Körperverletzung wird."
Die umfangreiche Staats- und Privathaftung hat zudem einen Pferdefuß: Impfschäden müssen die Opfer beweisen. Gaidzik: "Im Zivilrecht muss der Geschädigte den sogenannten Vollbeweis dafür antreten, dass für die Gesundheitsschädigung die Impfung mit dem Fehlverhalten - also etwa einer Überdosierung oder einem Hygieneverstoß - ursächlich geworden ist." Allein bei grob sorgfaltswidrigem Verhalten gebe es eine Beweiserleichterung.
Die betroffenen Pfleger aus Stralsund hätten angesichts der eklatanten Überdosierung also bessere Karten, falls es dauerhafte Nachwirkungen gibt. Im Versorgungsrecht sei das erforderliche Beweismaß grundsätzlich gemindert. Gaidzik: "Hier reicht es aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die eingetretene Schädigung auf die Impfung zurückzuführen ist."
Wer seinen Schutz noch vor der Impfung erhöhen will, kann sich privat versichern. So zahlen einige Unfallversicherer, wenn der Impfschaden zu einer bleibenden Gesundheitsschädigung führt (ausgewählte Anbieter finden Sie in der Tabelle). "Unsere Kunden sind versichert, wenn infolge einer Impfung gegen Covid-19 eine Invalidität festgestellt wird oder ein Todesfall eintritt", bestätigt beispielsweise ein Sprecher der Allianz. Dabei müsse aber der Zusammenhang zwischen Impfung und Invalidität oder Tod nachgewiesen sein.
"Wer einen Impfschaden vermutet, sollte sich untersuchen lassen. Sinnvollerweise nicht vom Impfarzt", rät Medizinrechtlerin Beer. Da es sich bei der privaten Unfallversicherung um eine sogenannte Summenversicherung handelt, wird die Leistung nicht auf andere Entschädigungen angerechnet. Die Assekuranzen betonen, dass neue Policen noch direkt vor einer Impfung abgeschlossen werden können.
Wichtig ist es, sich von einem Versicherungsmakler vor Vertragsabschluss beraten zu lassen oder im Internet Informationen zu suchen, denn Leistung und Preis verschiedener privater Unfallpolicen liegen weit auseinander. Sinnvoll kann zudem eine Rechtsschutzversicherung sein. Sie kann helfen, die Ansprüche gegen Staat, Arzt oder Pharmafirma durchzusetzen. Experte Gaidzik: "Ich verstehe nicht, wie zuweilen Verbraucherschützer die Rechtsschutzversicherung als verzichtbar einstufen können." Mit einer solchen Police sei häufig eine gerichtliche Auseinandersetzung bei Gesundheitsschädigungen erst möglich, da Prozess- und Gutachterkosten sich rasch auf mehrere Tausend Euro summieren können.
Direkte Corona-Schäden zahlen die Unfallversicherer hingegen nicht. Die Infektionen, die als Unfall mitversichert sind, werden nämlich in den Bedingungen genau beschrieben - das Coronavirus gehört nicht dazu.