Gottfried Heller, Anlage-Experte bei Fiduka: Die Zeiten für den Dax werden rauher
Herr Heller, die Wall Street ist im abgelaufenen Jahr unter dem Strich praktisch auf der Stelle getreten, der Dax und viele andere wichtige Börsenplätze wie der FTSE100 haben jeweils gut zwölf Prozent verloren, der chinesische CSI 300 sogar über 20 Prozent. Bleibt die Lage an den Börsen auch 2019 angespannt?
Gottfried Heller: Die Lage an den Börsen wird auch 2019 angespannt bleiben, weil zahlreiche politische Krisen und Unsicherheiten fortbestehen werden. Unsicherheit ist der größte Feind der Anleger.
Wo sehen Sie den S&P 500 und den Dax Ende 2019?
Beide höher wegen günstigeren Bewertungen, weniger Zinserhöhungen in den USA, etwas langsamerer Gangart der Konjunktur und moderatem Anstieg der Unternehmensgewinne. Erfahrungsgemäß entwickeln sich die Börsen besser bei einem mäßigen Wirtschaftswachstum.
Welche Themen dürften die Entwicklung an den Börsen 2019 aus heutiger Sicht bestimmen?
Die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und dem Rest der Welt - aber hauptsächlich zwischen den USA und China. Des Weiteren die schwelende Krise in der Eurozone, der Problemfall Italien und neuerdings Frankreich, die Konjunkturentwicklung, besonders in den USA und in China und die Geldmarktpolitik der US-Fed und der EZB.
Der Brexit ist der größte Unsicherheitsfaktor für die Börsen. Käme es zu einem ungeregelten Austritt der Briten - also einem harten Brexit - könnte Chaos ausbrechen, das zu einer Rezession in Großbritannien und zu schweren wirtschaftlichen Schäden in der EU führen könnte. Aber selbst eine halbwegs akzeptable Notlösung wird mittelfristig Störungen in der Wirtschaft und Hektik an den Börsen auslösen. Der Brexit schadet uns Deutschen am meisten, denn wir verlieren mit Großbritannien in zweifacher Hinsicht: wirtschaftlich einen Gleichgesinnten mit einer freien Marktwirtschaft und politisch einen Verbündeten in der EU. Die Zeiten werden daher auch für DAX und Deutschland rauher.
Welchem der wichtigsten Börsenindizes weltweit trauen Sie 2019 die beste Entwicklung zu?
Als Länderindizes der S&P 500 und der MSCI Emerging Markets. Als Aktienklassen die Indizes der Value-Aktien und der Nebenwerte (Mid/Small Caps).
Wo sehen Sie die größten Risiken für die Börsen 2019?
Zusätzlich zu den schon unter Ziffer 3 genannten ist ein Risiko ein starker Anstieg der Inflation. Die Notenbanken werden alles tun, um die Konjunktur am Laufen zu halten. Sie haben eine panische Angst vor einer Rezession, weil sie, außer in den USA, bei Geldmarktzinsen bei Null oder nahe daran keinerlei Spielraum haben, um durch Zinssenkungen die Konjunktur anzukurbeln. Am prekärsten ist die Lage der EZB, deren Präsident Draghi keine Skrupel haben wird, in Deutschland lieber eine Inflationsrate von 2,5 bis 3 Prozent oder gar darüber hinaus zuzulassen, statt eine Rezession in Italien, dem schwächsten Glied der Eurozone, zu riskieren. Für deutsche Zinssparer ist es daher ein Muss, endlich in Aktien oder Aktienfonds anzulegen, denn sie sind der beste Schutz vor der Inflation.
Viele Volkswirte erwarten für 2019 eine wirtschaftliche Abkühlung in vielen Weltregionen. Die US-Konjunktur habe ihren Höhepunkt bereits überschritten, schreiben etwa die Experten von Morgan Stanley in einem aktuellen Report. Auch in Deutschland trübt sich die Lage ein. Der ifo ist zuletzt drei Monate in Folge gesunken. Ist das noch eine zyklische Schwankung oder bereits das Fanal für eine Rezession?
Die leichte Konjunkturdelle ist eher eine zyklische Schwankung als ein Vorbote für eine Rezession. Dafür gibt es auch keinen Anlass: Die Inflation ist noch moderat und die Geldpolitik der Notenbanken ist noch immer sehr locker.
Viele Beobachter verfolgen mit wachsender Sorge zudem den zuletzt teils steil steigenden Goodwill bei vielen Dax-Konzernen. Alleine SAP und Bayer haben in den vergangenen Jahren jeweils gut 23 Milliarden Euro immaterielle Firmenwerte aus Übernahmen aufgetürmt. Drohen hier im Falle eines Abschwungs an den Börsen dicke Abschreibungen und wie gefährlich könnte das für die Unternehmen werden?
Goodwill-Abschreibungen drohen, wenn die Konjunktur stärker einknickt als erwartet, weil dann die Gewinnbeiträge der übernommenen Unternehmen geringer als kalkuliert ausfallen. Dann müssen die Übernahmeprämien neu bewertet werden.
Im Softwarebereich und damit auch bei SAP, wo Sachanlagen keine so große Rolle spielen, wie bei der Industrie, ist ein Goodwill weniger riskant als beispielsweise bei Bayer, wo gleich ein doppeltes Risiko besteht: Gerichtsverfahren und Schadenersatzzahlungen wegen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat und hohe Goodwill-Abschreibungen wegen der zu teueren Übernahme von Monsanto. Der Börsenwert von Bayer betrug beim Höchststand 2015 rund 120 Milliarden Euro, aktuell beträgt er 62 Milliarden Euro. Das Abenteuer Monsanto hat den Marktwert nahezu halbiert. Das Management von Bayer hat offenbar aus dem teuren Debakel in den USA vor etwa 20 Jahren mit dem Herzmittel Lipobay nicht die entsprechenden Lehren gezogen.
Die US-Notenbank hat für 2019 bereits deutlich gemacht, dass sie die Zinszügel weiter anziehen will. Wie könnte sich eine weitere geldpolitische Straffung in den USA auf die Wall Street auswirken?
Fed-Chef Powell hat vor Kurzem gesagt, dass die Leitzinsen schon nahe dem neutralen Zinsniveau seien, das die Konjunktur weder bremse noch antreibe. Er deutete damit eine langsamere Gangart an. Ursprünglich hatte der Markt für 2019 drei Zinsschritte angenommen, jetzt nur noch einen: also eine gemäßigtere Geldpolitik - ein guter Grund für eine Fortsetzung des Kursaufschwungs.
Auch innerhalb der EZB werden die Stimmen lauter, die öffentlich über Zinsanhebungen im kommenden Jahr sprechen. Welche Folgen hätten steigende Zinsen für Dax und Co.?
Angesichts der rückläufigen Konjunktur in Europa und der Probleme einiger Mitglieder, wie Italien, wird die EZB 2019 die Leitzinsen vermutlich noch nicht erhöhen. Wenn überhaupt, wird sie die negativen Einlagezinsen, die die Banken zahlen müssen, reduzieren. Davon haben die Sparer aber nichts. Steigende Zinsen von einem niedrigen Niveau aus stören die Börsen nicht. Das geschieht erst, wenn die Inflation stärker anzieht und die Notenbanken mit höheren Zinsen dagegen ankämpfen müssen. So weit sind wir aber noch nicht.
Nach einer Übersicht des US-Analysehauses Sanford Bernstein sind die Verbindlichkeiten der Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren weltweit gleich um zwei Drittel auf 14 Billionen Dollar gestiegen. Wie gefährlich ist eine solche Ausgangslage vor dem Hintergrund möglicher Zinsanhebungen: Steuert die Welt in eine neue Finanzkrise?
Mit ihrer ultralockeren Geldpolitik und mit negativen Zinsen für Bankeinlagen bei der EZB hat die Notenbank die Geschäftsbanken geradezu gezwungen, ihre Kreditvergabe an Unternehmen zu erhöhen, um die Konjunktur ins Laufen zu bringen. Kredite, quasi zum Nulltarif, waren natürlich verlockend für Unternehmen mit zweifelhafter Kreditwürdigkeit. Es besteht die Gefahr, dass viele Zombie-Unternehmen bei steigenden Zinsen nicht existenzfähig sind und die Geschäftsbanken dadurch größere Kreditausfälle erleiden werden, die sie in Schieflage bringen könnten.
Probleme können die Unternehmensschulden besonders in den Südländern der Eurozone, allen voran Italien, sowie China und den USA bereiten, wo ein Konjunktureinbruch fatale Folgen haben würde! Das wissen die Notenbanken und sie werden deshalb weiterhin eine lockere Geldpolitik betreiben. Mehr Sorgen macht mir die Staatsverschuldung. Das gilt vor allem für die USA wegen der schieren Größe von rund 21 Billionen Dollar. Durch die drastische Senkung der Unternehmenssteuern von 35% auf 21% nimmt der US-Bundesstaat um 40% weniger Steuern ein, wodurch sich die Verschuldung noch erhöht. Problemländer sind auch Italien und Frankreich, sowie einige Schwellenländer wie Argentinien und die Türkei.
Weil sich die Welt wegen der Schuldenberge in einer prekären Lage befindet, werden Regierungen und Notenbanken mit allen Mitteln versuchen, den Offenbarungseid so lange wie möglich hinauszuschieben. Eines der Mittel ist die Entwertung der Schulden mittels einer höheren Inflation.
Den besten Schutz vor der Entwertung der Privatvermögen bieten Aktien. Die inflationierten Unternehmensgewinne werden auch auf entsprechend höhere Aktienkurse und Dividenden übertragen.
Auf Seite 2: Max Otte
Max Otte: "Wenn die Krise kommt, dann wird sie härter als 2007-2009"
BÖRSE ONLINE: Herr Otte, die Wall Street ist im abgelaufenen Jahr unter dem Strich praktisch auf der Stelle getreten, der Dax und viele andere wichtige Börsenplätze wie der FTSE100 haben jeweils gut zwölf Prozent verloren, der chinesische CSI 300 sogar über 20 Prozent. Bleibt die Lage an den Börsen auch 2019 angespannt?
Max Otte: Nach neun Jahren Börsenhausse bleibt sie das mit Sicherheit. Die Bewertungen sind vielerorts hoch, insbesondere in den USA, und die Risikofaktoren nehmen zu. Dennoch sehen wir genug Chancen. Und wenn die Volatilität steigt, nehmen auch die Chancen zu.
Wo sehen Sie den S&P 500 und den Dax Ende 2019?
Da wir Stockpicker sind, versuchen wir uns eher nicht in solchen Prognosen. Für den S&P 500 könnte aber eine größere Korrektur anstehen.
Welche Themen dürften die Entwicklung an den Börsen 2019 aus heutiger Sicht bestimmen?
Ich war der einzige, der auf der Fondsmesse in Mannheim im Januar 2018 vor einer größeren Krise noch in der Amtszeit Donald Trumps gewarnt hat. Wenn die Party läuft, will man sie nicht stören. Und wenn die Krise kommt, dann wird sie härter als 2007 - 2009.
Welchem der wichtigsten Börsenindizes weltweit trauen Sie 2019 die beste Entwicklung zu?
Etliche Emerging Markets sind billig und könnten sich schöner Kursgewinne erfreuen, z.B. die Bovespa.
Wo sehen Sie die größten Risiken für die Börsen 2019?
Es gibt viele Risikofaktoren - die Ungleichgewichte in der Eurozone haben ein neues Ausmaß erreicht, viele Emerging Markets, so auch die Türkei, sind zu hoch in Auslandswährung verschuldet, die Schulden der Welt sind noch einmal gestiegen, die Unternehmen in den USA sind hoch verschuldet, Kreditkarten-. Auto- und Studentenschulden in den USA auf einem neuen Hoch. Und über allem hängt noch das Damoklesschwert kriegerischer Auseinandersetzungen.
Viele Volkswirte erwarten für 2019 eine wirtschaftliche Abkühlung in vielen Weltregionen. Die US-Konjunktur habe ihren Höhepunkt bereits überschritten, schreiben etwa die Experten von Morgan Stanley in einem aktuellen Report. Auch in Deutschland trübt sich die Lage ein. Der ifo ist zuletzt drei Monate in Folge gesunken. Ist das noch eine zyklische Schwankung oder bereits das Fanal für eine Rezession?
Eine Rezession steht langsam mal wieder an. Sie wurde mit Hilfe von Niedrigzinsen und künstlicher Konjunkturmaßnahmen schon zu lange hinausgeschoben.
Viele Beobachter verfolgen mit wachsender Sorge zudem den zuletzt teils steil steigenden Goodwill bei vielen Dax-Konzernen. Alleine SAP und Bayer haben in den vergangenen Jahren jeweils gut 23 Milliarden Euro immaterielle Firmenwerte aus Übernahmen aufgetürmt. Drohen hier im Falle eines Abschwungs an den Börsen dicke Abschreibungen und wie gefährlich könnte das für die Unternehmen werden?
Ja, die drohen. Das ist ein Risikofaktor, der der hohen Verschuldung der U.S.-Unternehmen nicht unähnlich ist. Das könnte gewaltig auf die Börsenbewertungen drücken, aber umwerfen wird es die DAX-Konzerne nicht.
Die US-Notenbank hat für 2019 bereits deutlich gemacht, dass sie die Zinszügel weiter anziehen will. Wie könnte sich eine weitere geldpolitische Straffung in den USA auf die Wall Street auswirken?
Das ist einer der vielen Faktoren, die das Fass zum Überlaufen bringen können.
Auch innerhalb der EZB werden die Stimmen lauter, die öffentlich über Zinsanhebungen im kommenden Jahr sprechen. Welche Folgen hätten steigende Zinsen für Dax und Co.?
Die EZB kann und wird die Zinsen nicht anheben.
Auf Seite 3: Philipp Vorndran
Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege bei Flossbach von Storch: "Der Dax ist ein Optionsschein auf China."
BÖRSE ONLINE: Herr Vorndran, die Wall Street ist im abgelaufenen Jahr unter dem Strich praktisch auf der Stelle getreten, der Dax und viele andere wichtige Börsenplätze wie der FTSE100 haben jeweils gut zwölf Prozent verloren, der chinesische CSI 300 sogar über 20 Prozent. Bleibt die Lage an den Börsen auch 2019 angespannt?
Philipp Vorndran: Wir gehen davon, dass die Märkte sehr volatil bleiben und durchaus noch weiter zurückfallen könnten. Zumal es für die Schwäche des europäischen Marktes sehr gute Gründe gibt. Die politischen Probleme innerhalb der Eurozone und die hohe Exportabhängigkeit, insbesondere die Deutschlands. Der Dax ist, wenn man so will, ein Optionsschein auf China.
Wo sehen Sie den S&P 500 und den Dax Ende 2019?
Wie immer gilt: Prognosen, noch dazu über einen solch kurzen Zeitraum, sind schlicht unseriös. Reine Glückssache.
Welche Themen dürften die Entwicklung an den Börsen 2019 aus heutiger Sicht bestimmen?
Brexit, der Streit zwischen den USA und China, bei dem es letztlich um nichts weniger geht als die globale Vorherrschaft, sowie die latenten Probleme der Eurozone werden sicherlich weiterhin Themen sein an den Märkten, insbesondere den europäischen. Und sie können die Märkte deutlich bewegen, zumindest kurzfristig. Als Investoren müssen wir diese Themen aber vor allem auf ihre langfristigen Implikationen für die Weltwirtschaft abklopfen.
Welchem der wichtigsten Börsenindizes weltweit trauen Sie 2019 die beste Entwicklung zu?
Auch das lässt sich nicht seriös vorhersagen. Wobei die herrschende Meinung zu sein scheint, dass US-Aktien teuer und europäische Werte günstig bewertet seien, ergo letztere größeres Potenzial hätten. Ich würde dagegen halten. Erstens werden die US-Indizes durch einige wenige, dafür aber sehr große Unternehmen und deren Kursentwicklung verzerrt. Zweitens wachsen die Unternehmensgewinne in den USA relativ zu denen der europäischen deutlich dynamischer. Es gibt also gute Gründe, warum Europa derzeit schlechter abschneidet und womöglich weiter schlechter abschneiden wird als die USA. Ich würde jedenfalls nicht auf eine allzu schnelle Erholung Europas setzen - und das Portfolio stattdessen global ausrichten.
Wo sehen Sie die größten Risiken für die Börsen 2019?
Die größte Wucht würde sicherlich ein massives Problem in China entfalten oder eine Eskalation des Streits mit den USA. In Europa könnte es, wie in Frankreich bereits geschehen, zu massiven Protesten kommen. Wir sollten das Thema Gelbwesten nicht unterschätzen. Ansonsten der berüchtigte Schwarze Schwan, von dem aber niemand weiß, wann und wo er auftaucht, es also müßig ist, sich jetzt schon in Deckung zu begeben.
Viele Volkswirte erwarten für 2019 eine wirtschaftliche Abkühlung in vielen Weltregionen. Die US-Konjunktur habe ihren Höhepunkt bereits überschritten, schreiben etwa die Experten von Morgan Stanley in einem aktuellen Report. Auch in Deutschland trübt sich die Lage ein. Der ifo ist zuletzt drei Monate in Folge gesunken. Ist das noch eine zyklische Schwankung oder bereits das Fanal für eine Rezession?
Wir gehen von einer Abschwächung aus - und keiner globalen Rezession. Die USA dürften das Niveau der vergangenen Jahre, zuletzt zusätzlich angetrieben von der Steuerreform, nicht halten können. Auch in China wird sich das Wachstum vermutlich verlangsamen. Trotzdem wachsen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt weiter. In Europa sieht es schlechter aus, eine Nullrunde droht. Alles in allem bedeutet das aber zumindest ein positives Wachstum. Wobei viele Ökonomen, wenn sie von einer Rezession sprechen, eine "Wachstumsrezession" meinen. Und die beginnt bereits bei einem Wachstum von zwei Prozent oder weniger. Das könnte durchaus passieren.
Viele Beobachter verfolgen mit wachsender Sorge zudem den zuletzt teils steil steigenden Goodwill bei vielen Dax-Konzernen. Alleine SAP und Bayer haben in den vergangenen Jahren jeweils gut 23 Milliarden Euro immaterielle Firmenwerte aus Übernahmen aufgetürmt. Drohen hier im Falle eines Abschwungs an den Börsen dicke Abschreibungen und wie gefährlich könnte das für die Unternehmen werden?
Gute Analysten sollten diese Risiken längst berücksichtigt haben.
Die US-Notenbank hat für 2019 bereits deutlich gemacht, dass sie die Zinszügel weiter anziehen will. Wie könnte sich eine weitere geldpolitische Straffung in den USA auf die Wall Street auswirken?
Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass sie mit Bedacht, also sehr behutsam vorgehen wird. Sollte sich das konjunkturelle Umfeld weiter eintrüben, das Wachstum schlechter ausfallen als erwartet, haben sich weitere Zinserhöhungen ohnehin erledigt - dann könnte das Pendel vielmehr in die andere Richtung ausschlagen.
Auch innerhalb der EZB werden die Stimmen lauter, die öffentlich über Zinsanhebungen im kommenden Jahr sprechen. Welche Folgen hätten steigende Zinsen für Dax und Co.?
Deutliche Zinsanpassungen sind für den Euroraum unseres Erachtens nahezu ausgeschlossen. Andernfalls wäre der Euro in Gefahr.
Nach einer Übersicht des US-Analysehauses Sanford Bernstein sind die Verbindlichkeiten der Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren weltweit gleich um zwei Drittel auf 14 Billionen Dollar gestiegen. Wie gefährlich ist eine solche Ausgangslage vor dem Hintergrund möglicher Zinsanhebungen: Steuert die Welt in eine neue Finanzkrise?
Auch das sind Folgeerscheinungen des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes. Eine zunehmende Zombifizierung von Teilen der Wirtschaft. Die Abhängigkeit von den niedrigen Zinsen ist mittlerweile gewaltig. Ich würde deshalb andersherum argumentieren: Eben weil das so ist, kommen die Notenbanken, insbesondere die EZB, aus der Nummer nicht mehr raus. Die Zinsen bleiben niedrig, weil sie es müssen. Schauen Sie sich Japan als Beispiel an. Aus Anlegersicht bedeutet das für die Auswahl der Investments: Fokus auf liquide Sachwerte, allen voran Aktien und dabei auf Qualität, Qualität und nochmal Qualität achten.
Auf Seite 4: Carsten Klude
Carsten Klude, Chefvolkswirt M.M.Warburg: "Der Brexit und die Trump-Wahl fordern einen späten Tribut."
BÖRSE ONLINE: Herr Klude, die Wall Street ist im abgelaufenen Jahr unter dem Strich praktisch auf der Stelle getreten, der Dax und viele andere wichtige Börsenplätze wie der FTSE100 haben jeweils gut zwölf Prozent verloren, der chinesische CSI 300 sogar über 20 Prozent. Bleibt die Lage an den Börsen auch 2019 angespannt?
Carsten Klude: Das Börsenumfeld von einer Vielzahl an politischen Unsicherheiten geprägt sein. In unserem Hauptszenario halten wir dennoch ein besseres Börsenjahr 2019 für möglich. Kommt es hingegen doch zu einem harten Brexit, zu einer weiteren Eskalation im Handelsstreit und/oder zu einem erneuten Aufflackern der Schuldenkrise in den südeuropäischen Ländern, werden die Aktienmärkte darunter leiden.
Wo sehen Sie den S&P 500 und den Dax Ende 2019?
Blickt man nun unter Berücksichtigung dieser Chancen und Risiken auf die Aktienmärkte im Jahr 2019, erscheint es schwieriger denn je, eine konkrete Prognose für den DAX und den S&P 500 abzugeben. Die Prognoseunsicherheit basiert dabei nicht allein auf den genannten Risiken, sondern vor allem auf der erheblichen Ergebnisvarianz der jeweiligen Ereignisse. Vor diesem Hintergrund nähern wir uns der Aktienmarktprognose 2019 mit Szenarien und prognostizieren Schwankungsbreiten für die Aktienindizes. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt für den DAX im Durchschnitt seit 1988 bei rund 15, im Jahr 2018 dagegen nur bei 12,4. Multipliziert man dieses mit unseren Gewinnerwartungen für das Jahr 2020, errechnet sich ein DAX-Ziel von rund 12.600 Punkten. Im Jahresverlauf 2019 ist allerdings auch ein DAX von rund 10.000 Punkten möglich, sofern die negativen Varianten der oben genannten Risikofaktoren eintreffen. Für diesen Fall unterstellen wir ein KGV von 10, das im Durchschnitt auch in den Jahren 2011 und 2012 zu beobachten war. Seinerzeit stand die Schuldenkrise im Fokus der Finanzmärkte und das Wirtschaftswachstum kühlte sich nach einer Boomphase stark ab. Unter der Annahme eines durchweg positiven Ausgangs der politischen Risiken lassen sich allerdings auch DAX-Ziele von bis zu 13.700 Punkten ableiten. Dies würde einem KGV von 13,5 auf Basis der Gewinnprognosen für das Jahr 2020 entsprechen. Dieser Wert wurde zuletzt Anfang 2018 beobachtet, als die Finanzwelt noch nicht unter dem Eindruck von Trump, Brexit, Italien & Co. stand.
Wir unterstellen für den S&P 500 im Gegensatz zum DAX kein politisch geprägtes Negativszenario im Jahr 2019. Auf Basis des aktuellen KGV in Höhe von 15,6 sowie den Gewinnschätzungen für das Jahr 2020 errechnet sich ein S&P 500 Kursziel von rund 3.000 Punkten.
Welche Themen dürften die Entwicklung an den Börsen 2019 aus heutiger Sicht bestimmen?
Analysiert man die Gründe für die volatile Performance im Jahr 2018 kommt man nicht umhin, auch für das Folgejahr 2019 ein ähnliches Muster zu prognostizieren. Einerseits hält der aktuelle Wirtschaftszyklus an. Andererseits schweben einige Damoklesschwerter über diesen grundsätzlich positiven makroökonomischen Rahmenbedingungen. Hier sind in erster Linie drei politische Risiken zu nennen. Zum einen besteht weiterhin die Gefahr, dass US-Präsident Donald Trump in Vorbereitung der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 aktive Handelspolitik betreibt. Dabei kann es wie auch im Jahr 2018 zu weiteren Spannungen oder auch zu einer Deeskalation kommen. Beide Szenarien sind denkbar und von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit her kaum zu prognostizieren. Ein anderer Belastungsfaktor, über den wir allerdings schon bis März 2019 mehr Klarheit haben werden, ist der finale Ausgang des Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union. Auch hier sind sowohl ein klares Ergebnis (harter oder weicher Brexit) als auch ein Mittelweg denkbar. Den dritten bereits heute bekannten Risikofaktor für die Aktienmärkte stellt Italien dar.
Wo sehen Sie die größten Risiken für die Börsen 2019?
Politische Risiken und eine globale Abschwächung des Wirtschaftswachstums dürften auch 2019 zu einer hohen Volatilität an den Aktienmärkten führen.
Viele Volkswirte erwarten für 2019 eine wirtschaftliche Abkühlung in vielen Weltregionen. Die US-Konjunktur habe ihren Höhepunkt bereits überschritten, schreiben etwa die Experten von Morgan Stanley in einem aktuellen Report. Auch in Deutschland trübt sich die Lage ein. Der ifo ist zuletzt drei Monate in Folge gesunken. Ist das noch eine zyklische Schwankung oder bereits das Fanal für eine Rezession?
Nach einem verheißungsvollen Beginn hat sich die konjunkturelle Dynamik im Jahr 2018 nach und nach abgeschwächt. Insbesondere politische Themen - wie der Handelsstreit zwischen den USA und China, der Brexit oder der Budgetstreit zwischen der neuen italienischen Regierung und der EU - haben die Stimmung der Unternehmen und der Privathaushalte nachhaltig belastet und zu einer Abschwächung des Investitionswachstums, der Exporte und des privaten Verbrauchs geführt. Von dieser Entwicklung sind mittlerweile die meisten Industrie- und Schwellenländer betroffen. Nur die USA konnten sich dem bislang entziehen. Noch kann die Abschwächung als konjunkturelle Normalisierung gewertet werden, sollte der Streit zwischen den USA und China jedoch eskalieren, droht 2019 ein stärkerer wirtschaftlicher Rückschlag. Während der IWF für nächstes Jahr ein unverändertes globales Wachstum von 3,7 Prozent erwartet, rechnen wir nur mit einem Zuwachs von 3,4 Prozent. Dies liegt vor allem daran, dass sich die Konjunktur in den Industrieländern deutlich abkühlen wird. Der Brexit und die Trump-Wahl fordern einen späten Tribut.
Die US-Notenbank hat für 2019 bereits deutlich gemacht, dass sie die Zinszügel weiter anziehen will. Wie könnte sich eine weitere geldpolitische Straffung in den USA auf die Wall Street auswirken?
Wir gehen davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus der Fed bald ausläuft. Nach der weiteren Anhebung des Leitzinses im Dezember rechnen wir für 2019 nur mit einer weiteren Erhöhung bevor die Notenbank eine längere Pause einlegt. Schließlich lässt das Wachstum in den USA etwas nach, und die Inflationsrate geht zurück.
Auch innerhalb der EZB werden die Stimmen lauter, die öffentlich über Zinsanhebungen im kommenden Jahr sprechen. Welche Folgen hätten steigende Zinsen für Dax und Co.?
Wir gehen nicht davon aus, dass die EZB im kommenden Jahr die Zinsen erhöhen wird. Das Wachstum schwächt sich auf etwa 1,3 Prozent ab, die Inflationsrate sinkt auf deutlich unter zwei Prozent.
Nach einer Übersicht des US-Analysehauses Sanford Bernstein sind die Verbindlichkeiten der Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren weltweit gleich um zwei Drittel auf 14 Billionen Dollar gestiegen. Wie gefährlich ist eine solche Ausgangslage vor dem Hintergrund möglicher Zinsanhebungen: Steuert die Welt in eine neue Finanzkrise?
Die US-Unternehmen haben in den vergangenen Jahren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus viel Fremdkapital aufgenommen. Eine neue Finanzkrise erwarten wir aber nicht, da das Zinsniveau nicht weiter ansteigen wird. Zudem hat die Steuerreform den US-Unternehmen sehr viel Geld in die Kassen gespült. Die Cash Flows haben in den ersten drei Quartalen dieses Jahres Rekordstände erreicht. Da die Investitionen nicht im selben Ausmaß ausgeweitet wurden, ist der Finanzierungsüberschuss außergewöhnlich hoch gewesen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu der Situation in den Jahren 2007/2008 oder auch 1999/2000.