Doch was passiert am 24. Juni, wenn die Entscheidung gefallen ist? Brechen die Aktienkurse ein oder folgt eine Erholungsrally? Wie die Märkte reagieren, hängt natürlich vom Ausgang der Abstimmung ab. Wer etwas nachdenkt und sich an den Erfahrungen der Vergangenheit orientiert, kann sich jedoch mit ETFs für beide Szenarien positionieren. Nicht nur mit den richtigen Aktien lässt sich dabei verdienen, auch Devisen- und Zinspapiere bieten Chancen.
Noch ist nicht sicher, ob es tatsächlich zum Brexit kommt, doch schon jetzt hat allein die Möglichkeit zu einer Konjunkturabkühlung in Großbritannien geführt: Unternehmen zögern mit der Einstellung neuer Arbeitskräfte und verschieben Investitionsentscheidungen. Selbst wenn die Briten sich am 23. Juni mehrheitlich für einen Verbleib in der EU entscheiden sollten, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die britische Wirtschaft wieder so fit dasteht wie bislang.
Wenn der Brexit kommt
Kommt es zum Brexit, dürfte die britische Wirtschaft (zumindest vorerst) weiter ausgebremst werden. Vor allem Handel und Investitionen könnten leiden. Knapp die Hälfte aller Exporte Großbritanniens gehen in die EU, mehr als die Hälfte aller Importe kommen aus EU-Ländern. Mit einem Negativsaldo von fast vier Prozent weist damit die britische Handelsbilanz mit der EU ein Ungleichgewicht zu Ungunsten Großbritanniens auf. "Angesichts der Tatsache, dass die EU für nahezu die Hälfte des britischen Handels steht während Großbritannien lediglich fünf Prozent des gesamten Handels der EU ausmacht, ist klar dass Großbritannien eher von der EU abhängt als umgekehrt", erklärt Victor Nossek, Research-Chef des US-ETF-Anbieters WisdomTree.
Auch ausländische Investoren, die in Großbritannien als Tor zur EU betrachten, könnten nach einem Brexit ausbleiben. Überhaupt stellt sich die Frage, wie das britische Handelsbilanzdefizit mit Europa in Zukunft finanziert werden soll. Nach dem Brexit müssten Handelsabkommen neu verhandelt werden. Das könnte dauern und währenddessen dürfte das Defizit weiter anschwellen. Am Ende der Verhandlungen könnten Großbritanniens Unternehmen in einer weniger günstige Positionen landen. Zugleich würde die Abhängigkeit von ausländischem Kapital steigen, um das Handelsbilanzdefizit zu finanzieren.
Unternehmensgewinne im Feuer
Diese Faktoren dürften tendenziell die Gewinnentwicklung der britischen Unternehmen belasten und damit auch die Aktienkurse der britischen Unternehmen. Optimisten hoffen allerdings, dass viele der großen britischen AGs nicht allzu stark betroffen sind, weil sie auch viel Geschäft außerhalb Europas machen. Mit ziemlicher Sicherheit wird der EU-Abschied jedoch zu einer weiteren Abwertung der britischen Währung führen. Das Britische Pfund, das bereits um fünf bis sechs Prozent abgewertet hat, könnte nach dem Brexit locker nochmals zehn Prozent nachgeben, schätzen Börsenstrategen.
Wer als Euro-Anleger in britische Aktien investiert hat, würde also vermutlich sowohl Kurs- als auch Währungsverluste buchen. Am Aktienmarkt dürften die Auswirkungen auf Bankenwerte besonders deutlich sein. Andere Finanzwerte, Versicherer und Immobilienwerte wären vermutlich weniger betroffen. Überproportional könnten auch kleinere und mittlerer Gesellschaften leiden, weil ihr Geschäft häufiger vom Handel mit der EU abhängt.
Mit einem Short-ETF können Anlegef auf Kursverluste der britischen Börse wetten. Der db x-trackers FTSE 100 Short Daily (ISIN: LU0328473581) wäre dazu ein (begrenzt) geeignetes Instrument. Sein Kurs steigt im gleichen Ausmaß wie der FTSE 100 Index fällt. Der Index enthält allerdings nur die 100 größten Aktien der britischen Börse.
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Schlechte Aussichten für britische Anleihen
Auch britische Staatsanleihen könnten möglicherweise leiden. "Als direktes Resultat einer steigenden Volatilität beim Pfund und der Möglichkeit einer Abwertung könnten dies zu einer Korrektur bei den britischen Anleihen führen" warnt Nossek. Sicherheitsorientierte internationale Anleger könnten aus britischen Papieren in Bundesanleihen flüchten.
Nach Ansicht einiger Experten dürften auch die Aktienmärkte anderer Länder unter einem Brexit leiden. "Insgesamt ist es klar, dass die Welt nach dem Brexit mit Herausforderungen zu kämpfen haben wird, da die nächste Phase der Unsicherheit ansteht", sagt Mark Burgess, globaler Aktien-Chef bei der Fondsgesellschaft Columbia Threadneedle. Auch aus diesem Grund könnten mehr Anleger zu Bundesanleihen greifen.
Besonders einfach lassen sich mit einem ETF auf den Bundfuture Kursgewinne einfahren. Bundfuture-ETFs basieren auf Terminkontrakten für Bundesanleihen mit 8,5 bis zehn Jahren Laufzeit. Steigen aufgrund höherer Nachfrage die Kurse der Bundesanleihen, erhöht sich auch der Wert des ETFs. Die Commerzbank-Tochter Comstage hat zwei Bundfuture-ETFs im Programm. Beim ComStage Commerzbank Bund-Future ETF (ISIN: LU0508799334) steigt der Kurs parallel zum Bundfuture. Wer mehr Action will, greift zum ComStage Commerzbank Bund-Future Leveraged (ISIN: LU0530118024). Dessen Kurs steigt (oder fällt) doppelt so stark wie der Bundfuture.
Flucht in den sicheren Hafen
Von einer Abwertung der britischen Währung können Anleger auf direktem Weg nicht mit einem ETF profitieren, dafür aber mit einem börsengehandelten Zertifikat. Diese Exchange Traded Notes (ETN) funktionieren im Prinzip genauso wie ein ETF, sind jedoch in Bezug auf das Emittentenrisiko nicht ganz so sicher wie ETFs. ETNs sind von der Konstruktion her gesehen nichts anderes als eine Schuldverschreibung des Emittenten. Gerät dieser in Liquiditätsprobleme, kann es zu einer Stundung, oder zu einem vollständigen oder teilweisen Ausfall kommen.
Die mangelnde Sicherheit in Bezug auf das Emittentenrisiko dürfte nicht jedem Anleger passen, für einen relativ kurzfristigen Trade auf eine Pfund-Abwertung ist allerdings dieser Punkt nicht allzu relevant. Währungs-ETN bietet die britische Gesellschaft ETF Securities an. Diese Devisen-ETNs basieren auf Währungsindizes von Morgan Stanley. Die Indizes messen kontinuierlich die Wertveränderung wichtiger Währungen gegenüber dem Euro.
Um an einer Abwertung des britischen Pfunds zu verdienen, kaufen spekulative Anleger den ETFS 3x Long EUR Short GBP ETN (ISIN: JE00B3VJDN05). Dessen Kurs steigt, wenn das Pfund verliert. Die Kursbewegungen des ETNS fallen dabei aufgrund des eingebauten Hebels dreimal so stark aus wie die Bewegungen der britischen Währung. Berechnet wird der Hebel immer auf Tagesbasis. Diese Konstruktion ist gut für relativ kurzfristige Wetten, aber weniger geeignet für langfristige Investments. Leider hat der ETN zwar eine Zulassung für Deutschland, ist aber nur an der Londoner Börse notiert.
Brit-In - alles wird gut
Sollten sich die Briten am 23. Juni für den Verbleib in der EU aussprechen, dürften die britischen und europäischen Aktienbörsen dies mit Kursgewinnen quittieren. Schließlich hätten Anleger dann ein Risiko weniger auf der Liste. Eine Investition in einen ETF auf den britischen Aktienmarkt wäre dann sicher keine schlechte Idee. Noch lukrative wohl, gezielt auf die Aktienkurse von Finanzwerten und inlandsfokussierten Unternehmen zu setzen.
Auch Aktien von mittleren und kleineren britischen Unternehmen dürften überproportional profitieren. Von einer Erholung des gesamten britischen Aktienmarktes profitieren Anleger mit dem db x-trackers FTSE All-Share (ISIN: LU0292097747). Er enthält alle Aktien des FTSE All-Share-Index. Gezielt auf kleinere britische Aktiengesellschaften setzen Anleger mit dem iShares MSCI UK Small Cap ETF (ISIN: IE00B3VWLG82).
Euro und Pfund dürften beim Ja zu Europa ebenfalls an Stärke gewinnen. Auch für einen steigenden Pfundkurs bietet ETF Securities ETNs an, die an der Londoner Börse gelistet sind. Von einer Erholung des Euros läßt sich mit einem ETN profitieren, der in Frankfurt gehandelt wird. Der ETN mit dem schönen Namen ETFS Bullish EUR vs G10 Currency Basket (ISIN: DE000A12Z3R4) legt immer dann im Kurs zu, wenn der Euro gegenüber den Währungen anderer Industrienationen (G-10) zulegt.