Alles fing im Jahr 1878 an. Damals erfand Werner von Siemens einen Telefonhörer, mit dem auch Schwerhörige besser hören konnten. 35 Jahre später startete die erste Serienproduktion von Hörgeräten. In den Jahrzehnten danach nahm die technologische Entwicklung rasant ihren Lauf.

Heute sind Hörgeräte kleine, leichte Wunderwerke der Technik mit ansprechendem Design. Einer aktuellen Umfrage zufolge werden die Hörhelfer immer stärker als sogenannte Wearables wahrgenommen - am Körper getragene elektronische Geräte, die über drahtlose Verbindungen mit Geräten wie Smartphones oder dem Fernseher in Kontakt stehen und so das Hören verbessern. Vorurteile, etwa dass Hörgeräte stören oder unangenehm auffallen, sind längst passé. Der Imagewandel zum Positiven ist also abgeschlossen.

Zugleich ist die Hörgerätebranche Nutznießer der demografischen Entwicklung. Eine wachsende Weltbevölkerung in Kombination mit einer steigenden Lebenserwartung dürfte in Zukunft für rege Nachfrage sorgen - nicht nur in den Industrienationen, sondern auch in Schwellenländern mit aufstrebender Mittelschicht.

Auf Seite 2: Siemens ist raus



Siemens zählt allerdings nicht mehr zu diesen Profiteuren. Weil der Münchner Technikkonzern gerade umstrukturiert wird, ist es mit der langen Tradition der Hörgerätesparte nach mehr als 130 Jahren Konzernzugehörigkeit vorbei. Der Verkauf an die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT und die deutsche Unternehmerfamilie Strüngmann wurde im Januar unter Dach und Fach gebracht. Konzernangaben zufolge liegt der Veräußerungsgewinn bei 1,6 Milliarden Euro vor Steuern. Das Angebot war so attraktiv, dass für Siemens- Chef Joe Kaeser der ursprünglich geplante Börsengang der Sparte schnell vom Tisch war. Auch wenn Siemens bei den neuen Eigentümern ein Wörtchen mitreden wird, ist der DAX-Konzern im Großen und Ganzen aus dem Geschäft raus.

Die Zahl börsennotierter Hörgerätehersteller in Europa reduziert sich damit auf drei: William Demant und GN Store Nord in Dänemark und Sonova in der Schweiz. Dieses Trio dominiert den Weltmarkt.

William Demant hat sich in den vergangenen drei Jahren an der Börse deutlich schwächer entwickelt als die beiden Wettbewerber. Im Herbst mussten die Dänen ihre Gewinnziele senken, nachdem das Unternehmen im wichtigen US-Markt Marktanteile verloren hatte. Die US-Großhandelskette Costco hatte entschieden, Hörgeräte von Sonova ins Sortiment zu nehmen - dadurch wurden Produkte von William Demant verdrängt. In den USA ist Costco für die Hersteller ein äußerst wichtiger Vertriebskanal - laut Schätzungen verkauft der Handelsriese rund zehn Prozent aller Hörgeräte in den USA.

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Eine mindestens genauso wichtige Anlaufstelle für die Hersteller ist das US-Ministerium für Veteranen, das Kriegsgeschädigte mit Hörgeräten versorgt. Hier spielt William Demant derzeit ebenfalls eine untergeordnete Rolle - ein weiterer Nachteil gegenüber der Konkurrenz.

Die Analystin Veronika Dubajova von Goldman Sachs rechnet jedoch damit, dass die Unternehmensführung der Dänen diese Schwachpunkte in den kommenden Monaten konsequent angehen wird. Neue Produkte sollten helfen, besser Tritt zu fassen. Zudem prognostiziert Dubajova in den kommenden Jahren wieder steigende Margen, da Übernahmen künftig die Gewinne nicht mehr so stark belasten sollten wie zuletzt. Aktienrückkaufprogramme dürften dem Kurs ebenfalls wieder Auftrieb geben.

Im Gegensatz zu William Demant kam GN Store Nord in den USA bislang recht gut voran. Beim mächtigen Einzelhändler Costco sitzt GN noch mit im Boot. Ob die Dänen bei neuen Ausschreibungen weiterhin berücksichtigt werden, ist jedoch noch nicht sicher. Im Blick stehen daher zunächst die Quartalszahlen, die der Hörgerätespezialist am 18. Februar präsentieren wird. Einige Marktbeobachter halten die Unternehmensziele im Bereich Netcom für zu ambitioniert. Dahinter verbirgt sich das Kopfhörergeschäft, neben der Hörgerätesparte die zweite Säule bei GN Store Nord. Anleger tun gut daran, die Aktie erst einmal lediglich zu beobachten.

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Franken belastet Sonova

Dies dürfte auch bei Sonova derzeit die richtige Taktik sein. Die Aktie ist nach der Freigabe des Franken-Mindestkurses zum Euro nicht nur an der Zürcher Börse eingebrochen. Auch in Euro gerechnet gab das Papier kräftig nach. In der Schweiz macht Sonova kaum Umsatz, dafür fallen rund 25 Prozent der Kosten in Franken an. Auch wenn der Kurs den zu erwartenden Gewinnrückgang wegen der Franken-Stärke womöglich schon abbildet, ist in nächster Zeit Zurückhaltung sicher kein Fehler. Langfristig könne der Wechselkurseffekt Sonova Wettbewerbsnachteile bringen, heißt es in der Studie von JP Morgan.

Eine gute Alternative zu den Aktien der drei großen Hörgerätehersteller finden Anleger in dem Papier von Amplifon, das auch Favorit der BÖRSE ONLINE-Redaktion ist. Der Mailänder Hörgeräteakustiker gilt als weltgrößter Einzelhändler für Hörgeräte, mit Filialen rund um die Welt, rund neun Prozent Weltmarktanteil und hoher Preissetzungsmacht. Amplifon hat zuletzt mit starken Zahlen für das dritte Quartal 2014 überzeugt und dürfte vorerst auf Erfolgskurs bleiben.

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