Kaum machte heute die Runde, dass die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) ein Eckpunktepapier ausgearbeitet hat, mit dem die Wohnungsmieten in Berlin bis 2024 eingefroren werden sollen, wurde es an den Börsen ernst. Die Gesichter der Aktionäre von Wohnungsunternehmen wurden länger und länger. Der Grund: Nicht nur die Papiere der Deutschen Wohnen, die in Berlin mehr als 110 000 Wohnungen im Bestand hat, gaben bis zum Nachmittag deutlich nach. Auch andere Immobilienwerte wie Vonovia (-4,7 Prozent), LEG Immobilien (-3,4 Prozent) oder Aroundtown (-2,0 Prozent) gehörten zu den Verlierern.
Das Vorhaben der Berliner Stadtentwicklungssenatorin schaffe Unsicherheit, sagte Andre Remke, Immobilienexperte bei Baader Helvea Equity Research. "Diese Unsicherheit wird einige Zeit anhalten, solange keine Entscheidung getroffen wird, ob der Vorschlag wirklich eine Chance hat, in ein Gesetz übernommen zu werden."
Die Pläne sollen dem Berliner Senat am 18. Juni vorgelegt werden. Im Kern sehen sie ein Verbot von Mieterhöhungen für fünf Jahre vor. Bei Neuvermietungen soll die Miete höchstens so hoch sein dürfen wie beim Vormieter. Zu hohe Mieten sollen abgesenkt werden. Auch Modernisierungen sollen künftig stärker reguliert werden. Wollen Vermieter die Kosten dafür auf die Mieter umlegen, brauchen sie eine Genehmigung, wenn die Miete dadurch um mehr als 50 Cent je Quadratmeter steigt. Vermietern, die sich nicht an die Regeln halten, droht eine Strafe von bis 500.000 Euro. Das Gesetz soll ab Anfang 2020 gelten.
"Ein solcher Mietendeckel wirkt sich in allen Belangen negativ auf die Stadtentwicklung Berlins aus", sagt Niclas Karoff, Sprecher für die Region Ost beim Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem größten Lobbyverband der deutschen Immobilienwirtschaft. "Der Vorschlag eines Mietendeckels unterliegt dem Irrglauben, dass hierdurch Wohnungsmärkte entlastet werden. Stattdessen aber wird es durch eine solche Maßnahme für Investoren unattraktiv zu bauen." Und weiter: "Wenn die Mieteinnahmen stagnieren, führt dies bei steigenden Bewirtschaftungskosten zu mehr und mehr verwahrlosten Wohnungen, weil die dringend benötigten Investitionen ausbleiben." Karoff hält den Vorstoß obendrein für nicht verfassungskonform, weil der Deckel die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit einschränke.
Auch der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen erklärte, er halte einen Mietendeckel mit den vorliegenden Eckpunkten für verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Angesichts schwarzer Schafe auf dem Mietwohnungsmarkt könnten Anpassungen des Mietrechts sinnvoll sein. "Wesentlich fokussierter als ein Mietendeckel wären hier aber beispielsweise ein Erschweren der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, ein Kündigungsschutz für Senioren, mehr Schutz vor Luxusmodernisierungen oder höhere Hürden für Eigenbedarfskündigungen." Der Immobilienkonzern Vonovia, die Nummer eins in Deutschland, forderte anstelle eines Mietendeckels einen verstärkten Neubau bezahlbarer Wohnungen.
Ein Aktienexperte schlug gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters Alarm: "Wenn Berlin Schule machen würde, hätte ich als Immobilieninvestor Bedenken, dass andere Städte nachziehen", sagte er. "Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun und ignoriert, dass die Niedrigzinspolitik der EZB die Triebfeder des Immobilienbooms ist."
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist besonders in Metropolen wie Berlin, Frankfurt und München angespannt. Die Preise für Eigentumswohnungen und Mieten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen und haben sich zum Teil mehr als verdoppelt. Auch in anderen Bundesländern werden Rufe nach einem stärkeren Mieterschutz laut. So fordert die Linke in Hamburg und Hessen einen Mietendeckel, in Bayern wurde der Startschuss für ein Volksbegehren dazu gegeben. Zudem wird in Berlin über die Möglichkeit einer Enteignung von Unternehmen diskutiert, die mehr als 3000 Wohnungen im Bestand haben.