Auch im Hightechland Israel funktioniert die Technik nicht immer wie geplant. Die Landung einer israelischen Raumsonde auf dem Mond, ein Prestigeprojekt für die Bewohner des kleinen Landes, ging schief. "Beresheet", so der Name des winzigen Raumschiffs, zerschellte beim Landeanflug auf den Mond und damit auch die Hoffnung, als vierte Nation nach Russland, den USA und China mit einer unbemannten Sonde unversehrt den Boden des Erdtrabanten zu erreichen.
Doch allein die Tatsache, dass der Ministaat solche Ambitionen hat und verwirklicht, zeigt, wie innovativ und technikbegeistert die Israelis sind. Während sie noch vor 20 Jahren vorwiegend vom Export von Zitrusfrüchten und anderen Agrarprodukten lebten, hat sich seither ein phänomenaler Wandel in der Wirtschaft vollzogen. Das Stichwort dazu heißt Silicon Wadi. So nennt sich die Start-up-Branche des Landes in Anlehnung an das kalifornische Silicon Valley. Ein Drittel der Ausfuhren stammt inzwischen aus dem Hightechbereich. Dazu trugen bahnbrechende Erfindungen wie der USB-Stick oder das Instant Messaging bei, die beide aus dem Silicon Wadi kamen.
Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen: Eine der wichtigsten ist, dass Israel von Feinden umzingelt ist. Der Treiber für Innovationen war daher oft die Armee. Die Hochschulen kommen erst auf Rang 2, wobei Israel auch bei der Höhe der Forschungsausgaben zur Weltspitze zählt. Zudem kommt ein steter Strom von Einwanderern aus aller Welt, von denen sich viele mit neuen Ideen selbstständig machen.
Einfache Unternehmensgründungen
Dabei hilft die wirtschaftsfreundliche Politik des Staats. Benjamin Netanjahu, der vor Kurzem als Premierminister knapp wiedergewählt wurde, ist zwar wegen seiner rechtsgerichteten Politik höchst umstritten, ökonomisch ging es unter seiner Ägide jedoch aufwärts. Er wird bald der am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte Israels sein. Unternehmensgründungen wurden vereinfacht und beschleunigt, 4,25 Prozent des BIP werden für Forschung und Entwicklung ausgegeben. In Deutschland sind es nur rund drei Prozent.
Zudem wurde die Zusammenarbeit von Industrie und Universitäten verbessert, um Produkte zur Marktreife zu bringen - ebenfalls ein Unterschied zu Deutschland, wo das Geschäft mit deutschen Erfindungen statt hierzulande oft in anderen Staaten gemacht wird.
Die hohe Dynamik Israels zeigt sich in guten Wachstumszahlen. Um 3,5 Prozent soll das BIP in diesem Jahr zunehmen. Schon seit mehreren Jahren boomt die Wirtschaft - trotz der politischen Unsicherheit und des Nachteils, dass die arabischen Nachbarländer Produkte aus Israel boykottieren.
Die Arbeitslosigkeit ist unter vier Prozent gefallen, was de facto Vollbeschäftigung bedeutet - ein Wert, der letztmals in den 70er-Jahren erreicht wurde. Da zugleich die Löhne 2018 um mehr als drei Prozent gegenüber dem Vorjahr stiegen, treibt das den Konsum. Zudem liegt die Inflation nur bei 1,3 Prozent. Auch weitere ökonomischen Kennzahlen überzeugen: Das Haushaltsdefizit beträgt gut drei Prozent, die Verschuldung 61 Prozent des BIP. Zudem gibt es einen Leistungsbilanzüberschuss.
Zur guten Wirtschaftsperformance kommt noch Glück: Vor einigen Jahren wurden große Erdgasvorkommen vor der Küste entdeckt, die den Gasbedarf des Landes decken. Nun soll es sogar exportiert werden. Mit Zypern und Griechenland wird über den Bau einer Pipeline durch das Mittelmeer verhandelt.
Zu einem weiteren wichtigen Wirtschaftsfaktor hat sich der Tourismus entwickelt. Die Zahl der Reisenden ist in den vergangenen beiden Jahren regelrecht explodiert. Ein Rekord jagt den nächsten. Die Einnahmen aus dieser Branche machten 2018 mehr als fünf Milliarden Euro aus. Das kommt nicht von ungefähr. Mit einer massiven weltweiten Marketingkampagne wurde um Touristen geworben. Darüber hinaus subventionierten die israelischen Behörden Airlines kräftig. Vor allem Billigfluglinien wie Easyjet, Ryanair oder Wizz Air fliegen nun verstärkt Flughäfen des Landes an. Vor Kurzem nahm der neue internationale Flughafen Ramon in der Nähe von Eilat am Roten Meer seinen Betrieb auf.
Das ist angesichts der sicherheitspolitischen Lage erstaunlich. Da Touristen inzwischen jedoch global Terrorrisiken ausgesetzt sind, scheinen sie die Gefahren in dem Nahoststaat auch nicht viel höher zu bewerten als anderswo.
Das könnte sich aber wieder ändern. Denn während seiner Wahlkampagne fiel Netanjahu mit markigen Sprüchen auf. So versprach er, weite Teile des Westjordanlands zu annektieren. Dort leben vorwiegend Palästinenser. Sollte er seinen Worten Taten folgen lassen, ist nicht nur mit einer diplomatischen Krise, sondern auch mit Terroranschlägen zu rechnen. Zu hoffen ist daher, dass er mit diesen Aussagen nur seine wahrscheinlichen Koalitionspartner, religiöse und ultrarechte kleine Parteien, und deren Wähler hofieren wollte.
Neben der Sicherheitslage gibt es noch andere Schwachpunkte. "Besonderen Nachholbedarf hat Israel bei Infrastruktur und öffentlichem Personenverkehr", so Alvaro Santos Pereira, Leiter Länderstudien bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Auch Produktivität und sozialer Zusammenhalt seien verbesserungswürdig. Insgesamt sieht er das Land aber auf dem richtigen Weg: "Israels Wirtschaft ist stärker gewachsen als jede andere in der OECD."
Das hat neben der IT-Industrie, die Firmen wie Check Point Software hervorgebracht hat (siehe rechts), auch mit einem auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Pharma- und Medizintechniksektor zu tun. Das wurde der Weltöffentlichkeit nun durch den erstmaligen 3-D-Druck eines Herzens aus menschlichen Zellen vorgeführt. Es ist aber nicht alles Gold, was glänzt: Der jahrelange Vorzeigekonzern Teva (siehe unten) kämpft nämlich gerade ums Überleben.
Ansonsten sind Anleger in den vergangenen Jahren mit Bluechips aus Tel Aviv aber gut gefahren. Der Leitindex TA 35 ist in den letzten 24 Monaten um 16 Prozent geklettert, seit Jahresbeginn um zehn Prozent. Wegen des hohen Anteils an Techtiteln und des mit gut acht Prozent vertretenen Schwergewichts Teva schwankt der Index kräftig. Der Wahlsieg Netanjahus wurde am Aktienmarkt positiv aufgenommen, da er wirtschaftspolitisch Stabilität verspricht. Trotz guter Aussichten brauchen Anleger wegen der immer wieder aufflammenden Konflikte mit den Palästinensern und dem Iran starke Nerven.
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Investor-Info
iShares TA 35 Israel ETF
Israel im Paket
Mit dem ETF von iShares setzen Anleger auf den israelischen Leitindex TA 35, der die wichtigsten 35 Bluechips des Landes bündelt. Pharma- und Generikakonzerne, Hightech- Firmen und Banken bilden den Schwerpunkt des Barometers. Hinzu kommen einige Gas- sowie Rüstungs- und Industrieunternehmen. Es besteht ein Währungsrisiko von Euro gegenüber der Landeswährung Schekel.
Check Point Software
Profiteur der Hackerangriffe
Im Sektor Internet-Security zählt das an der Nasdaq gelistete israelische Unternehmen zu den globalen Top-Firmen. Es entwickelt Software und Dienstleistungen für Daten- und Netzwerksicherheit wie Firewalls. Den Übergang von Lizenz-Software zu Abonnements meistert die Firma besser als erwartet und übertrifft so die niedrigen Erwartungen. Nach einer Seitwärtsphase ist die Aktie daher seit Januar im Haussemodus. Die Quartalszahlen waren bei Redaktionsschluss nicht bekannt.
Teva Pharmaceuticals
Heiße Wette
Mit gut acht Prozent Anteil ist Teva Schwergewicht im TA 35. Der Pharmakonzern ist ein Sanierungsfall: Ein großer Schuldenberg und wegbrechende Umsätze bei Ex-Kassenschlagern machen Teva zu schaffen. Neue Medikamente schlugen bisher nicht wie erhofft ein. Daher drehen die Israelis kräftig an der Kostenschraube, etwa durch massive Entlassungen. Ob der Turnaround gelingt, ist unsicher. Warren Buffett glaubt daran, er hat investiert. Nur für sehr risikobereite Anleger geeignet!