In den nächsten zwölf Monaten müsse die EU liefern. Er schlug ein Maßnahmepaket vor, das etwa mehr Investitionen, einen besseren Schutz der Außengrenzen und eine engere Zusammenarbeit bei der Verteidigung enthält. Es müsse ein gemeinsames Bewusstsein geben, gegen Populisten anzukämpfen, die die EU zerstören wollten.

Juncker äußerte sich zwei Tage vor dem informellen Treffen der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien, bei dem sie die Folgen des britischen Austritts und ihre weitere Zusammenarbeit beraten wollen. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte in seinem Einladungsschreiben gewarnt, dass das Brexit-Votum nicht nur britische Gründe gehabt habe, sondern das Unwohlsein vieler Europäer auch in anderen Mitgliedstaaten zeige. Der Pole forderte vor allem Maßnahmen, damit sich das "Chaos von 2015" in der Flüchtlingskrise nicht wiederholt.

Juncker legte den Schwerpunkt seiner Rede anders und widersprach ausdrücklich Sorgen, die EU sei auf dem Weg, die Nationalstaaten und deren Bedeutung zu beseitigen. Hintergrund sind Forderungen einiger nationalkonservativer osteuropäischer Regierungen etwa in Polen und Ungarn, die eine teilweise Rückverlagerung von EU-Kompetenzen an die Staaten fordern. "Europa wird und darf nie zu einem Einheitsstaat werden", sagte Juncker. Die EU-Kommission sei auch kein "Zerstörer", sondern "Konstrukteur". Allerdings betonte er, dass er eine "politische" Kommission leite. Dies hatte etwa auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kritisiert.

SOLIDARITÄT IN DER FLÜCHTLINGSFRAGE ANGEMAHNT



Nötig seien in der EU mehr Solidarität in vielen Feldern, mahnte Juncker. Er schlug deshalb auch einen neuen EU-Freiwilligendienst vor. Die slowakische EU-Präsidentschaft solle sich dafür einsetzen, dass die Flüchtlinge gleichmäßiger auf die EU-Staaten verteilt werden, sagte er mit Blick auf die Weigerung einiger osteuropäischer EU-Partner.

Entscheidend sei aber, dass die EU ihren Bürgern vor allem in den Bereichen Soziales und Sicherheit in den nächsten zwölf Monaten zeigen müsse, dass sie nützlich sei. Die Kommission wolle deshalb den milliardenschweren Investitionsfonds verlängern und auf 500 Milliarden Euro aufstocken. Damit könnten bis 2022 bis zu 630 Milliarden Euro für Investitionen aktiviert werden könnten, sagte Juncker.

Der Europäische Investitionsfonds (EFSI) soll die maue europäische Wirtschaft in Schwung bringen. Der auch Juncker-Plan genannte Fonds habe bereits im ersten Jahr zu Investitionen von rund 116 Milliarden Euro geführt, sagte der Kommissionschef. Nun sollte der Plan bis 2020 verlängert werden.

Juncker wies allerdings den Nationalstaaten die Hauptverantwortung bei der Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit in etlichen Ländern zu. Die EU könne hier nur begleitend helfen. "Ich rufe alle Mitgliedstaten auf, mehr Verantwortung zu übernehmen", sagte er. Dazu gehöre auch eine möglichst rasche Ratifizierung des internationalen Klimaschutzabkommens durch die EU.

Zudem forderte er eine engere Zusammenarbeit beim Schutz der Grenzen. Die EU-Staaten sollten in Bulgarien ab Oktober 200 Grenzschützer einsetzen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini müsse eine echte Außenministerin werden, die EU dann etwa auch einen Sitz bei den Syrien-Verhandlungen erhalten. Um die gemeinsamen Verteidigungsfähigkeiten auszubauen, will Juncker bis Ende des Jahres einen EU-Verteidigungsfonds aufbauen.

Juncker rief die Europäer zu einer Allianz gegen Populisten auf. "Populisten lösen keine Probleme. Populisten schaffen sie. Deshalb müssen wir uns gegen sie schützen", mahnte er, ohne aber direkt auf die Wahlen in Deutschland und Frankreich im kommenden Jahr zu verweisen. Er warf nationalen Regierungen vor, immer noch nach dem alten Muster vorzugehen, in Brüssel erst Entscheidungen zuzustimmen und dann bei Kritik im Inland so zu tun, als ob man nicht beteiligt gewesen sei. Ausdrücklich setzte er sich für das Ceta-Abkommen mit Kanada ein, dass das "beste und modernste Handelsabkommen" sei, das die EU je ausgehandelt habe.