Vielleicht ist es nicht die schlechteste Idee, zum Schluss des Jahres einen Blick auf die Verlierer zu werfen. Denn während einigen Highflyern allmählich die Puste auszugehen scheint, könnte so manchem Underperformer eine aussichtsreiche Wende bevorstehen. Zu dieser Spezies zählen wir Knorr-Bremse. Der Lkw- und Zugbremsenhersteller gehört 2021 mit einem Minus von rund einem Fünftel zu den schwächsten MDAX-Mitgliedern. Allerdings dürfte schon bald wieder Leben in den Titel kommen, denn zum Jahresende hin überraschen die Münchner mit erfreulichen Entwicklungen.
Den ersten Glanzpunkt setzte der Zwischenbericht nach neun Monaten. Angetrieben von einem stark verbesserten Geschäft der Nutzfahrzeugsparte legten Umsatz und Gewinngrößen spürbar zu. Im Detail kletterten die Erlöse um 9,1 Prozent auf fünf Milliarden Euro, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) spurtete sogar um knapp ein Fünftel auf 708,5 Millionen Euro nach oben. Das Plus hätte noch deutlich höher ausfallen können, doch Probleme in der Lieferkette sowie Projektverschiebungen im Zuggeschäft verhinderten ein schnelleres Wachstum. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben, und so dürfte sich der positive Trend in den Folgequartalen fortsetzen. "Die Nachfrage ist in unseren Märkten weiterhin stark und intakt", versichert Vorstandschef Jan Mrosik. Dass dem so ist, lässt sich am Auftragseingang ablesen. Die Orders legten in den ersten neun Monaten um satte 15,7 Prozent auf 5,04 Milliarden Euro zu. "Die vollen Auftragsbücher könnten sich 2022 positiv auswirken", meint Nord-LB-Analyst Frank Schwope.
Zurück zum aktuellen Geschäftsjahr. Nach drei Quartalen veranlasste vor allem der Chipmangel die Unternehmensführung dazu, ihren bisherigen Ausblick zu konkretisieren respektive vorsichtiger zu gestalten. So soll der Umsatz in einer Spanne zwischen 6,6 und 6,8 Milliarden Euro landen, was die Grenzen um jeweils 100 Millionen Euro näher zusammenbringt. Die operative Marge wird zwischen 13,0 und 13,5 Prozent erwartet, ursprünglich standen 13,0 bis 14,5 Prozent auf der Agenda. Das Renditeziel erscheint aber etwas konservativ, nach neun Monaten wies der Konzern bereits einen Wert von 14,1 Prozent aus. Sollte das Geschäft im Schlussviertel keinen außerordentlichen Dämpfer bekommen, wovon wir momentan nicht ausgehen, steckt in dieser Kennzahl positives Überraschungspotenzial.
Lobenswerte Mittelfristziele
Überrascht haben auch die vor wenigen Tagen veröffentlichten Mittelfristziele. Bis 2025 strebt Knorr-Bremse ein jährliches Umsatzplus von 5,5 bis 6,5 Prozent an. Das würde Erlöse von 8,1 bis 8,6 Milliarden Euro bedeuten. Die Ebit-Marge soll sich dabei auf 14 bis 16 Prozent verbessern. Ein genauer Blick auf beide Geschäftsbereiche zeigt, dass sich das Management vor allem von der zuletzt schwächelnden Division "Systeme für Schienenfahrzeuge" wieder mehr verspricht. So wird in der Sparte eine durchschnittliche jährliche Umsatzwachstumsrate von fünf bis sechs Prozent erwartet. Zum Vergleich: In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres gingen die Segmenterlöse um vier Prozent zurück. Die Marge soll sich auf 18,0 bis 19,5 Prozent weiterentwickeln.
Noch höhere Steigerungsraten auf der Umsatzseite werden dem zweiten Standbein Nutzfahrzeuge mit einem jährlichen Plus von sieben bis acht Prozent prognostiziert - bereits aktuell der Wachstumstreiber. Nach drei Quartalen schwollen die Erlöse um mehr als ein Viertel an. Bei der Profitabilität wird bis 2025 mit einem Wert zwischen 12,0 und 13,5 Prozent gerechnet, aktuell beträgt diese 11,7 Prozent, also auch eine klare Verbesserung.
Verschiedene Wachstumsstrategien
Um die beiden Kerngeschäfte weiter zu stärken, setzt Knorr-Bremse an unterschiedlichen Hebeln an. Zum einen denkt der Konzern über Zukäufe nach. "Wir haben einen opportunistischen Ansatz, sind nicht verzweifelt oder gehen zu aggressiv vor", erläutert Finanzchef Frank Weber seine anorganische Wachstumsstrategie. Mitte des Jahres sorgte das Unternehmen mit einem, für viele Investoren tatsächlich etwas zu aggressiven Übernahmeversuch von Hella für Aufsehen. Doch nur acht Tage nach der Veröffentlichung zog Knorr aufgrund fehlender Synergien sein Angebot zurück. Darüber hinaus möchte Knorr auch mit Megatrends wie der Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit auf Schiene und Straße das Wachstum ankurbeln. Daher soll das Portfolio stetig mit neuen, innovativen Lösungen weiterentwickelt werden.
Die sich verbessernden Aussichten werden dafür sorgen, dass Knorr-Bremse wieder auf dem Radar der Investoren auftaucht. Researchhäuser wie die UBS, Nord LB und Warburg hoben zuletzt den Daumen für den Mid Cap. Mit dem Konsenskursziel von 106,50 Euro sollten sie auf der richtigen Fährte sein.
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