Kommt das Value-Investing zurück?
· Börse Online RedaktionSeit zehn Jahren warten Anleger auf ein Comeback des Value-Investing. Ist dieser Anlagestil womöglich überholt? Value-Investoren denken anders und wittern jetzt ihre Chance. "Unsere Portfolios sind im Vergleich zu ihren Benchmarks so stark unterbewertet wie lange nicht", sagt Goran Vasiljevic, Chief Investment Officer (CIO) bei Lingohr & Partner. "Mean Reversion gilt weiterhin" lautet seine These. Damit meint Vasiljevic die Rückkehr zum Mittelwert. Demnach erreichen Aktien im langfristigen Mittel eine Rendite von acht bis neun Prozent. Steigen sie vorübergehend stärker, fallen ihre Renditen danach schwächer aus. Im umgekehrten Fall holen sie anschließend wieder stärker auf.
Auch bei Value-Aktien gelte die Rückkehr zum Mittelwert, betont Vasiljevic. So seien Value-Aktien in den Jahren 2002 bis 2007 so erfolgreich gewesen, dass ihre anschließende Underperformance nicht überraschend kam. Ab Juli 2007 habe die Rückkehr zum Mittelwert sich dann zugunsten von Quality-Growth- und Minimum-Volatility-Aktien ausgewirkt. "Diese vermeintlich sicheren Aktien sind mittlerweile aber teuer und riskant geworden", erklärt Vasiljevic, der diese Titel meidet. Regional betrachtet seien US-Aktien derzeit teuer, sodass er dort ebenfalls mit einer Rückkehr zum Mittelwert rechnet. "Europäische und Emerging-Markets-Aktien sind günstiger bewertet."
Bei der Länder-Allokation arbeiten die Lingohr-Fonds mit zwei Ansätzen. Beim traditionellen Ansatz werden Länder und Ländergruppen gleichgewichtet. Dies gilt zum Beispiel für den globalen Fonds Lingohr-Systematic-LBB-Invest (ISIN: DE 000 977 479 4). Beim jüngeren Unconstrained-Ansatz werden die Länder flexibel gewichtet. Diese Methode wenden Vasiljevic und seine Kollegen beim Lingohr Global Equity (ISIN: LU 147 910 240 9 ) an, der seit März 2017 auch für Privatkunden verfügbar ist. Der Unterschied: Beim traditionellen Ansatz sind US-Aktien mit rund elf Prozent gewichtet, beim Unconstrained-Ansatz mit circa 29 Prozent - aber jeweils geringer als der 60-prozentige Anteil im MSCI-World-Index.
Bei den Sektoren halten die Lingohr-Fonds seit einiger Zeit viele Finanzwerte. "Diese Titel sind im Schnitt günstig bewertet und bieten zugleich die Chance auf überraschend steigende Gewinne", begründet Vasiljevic. Auch deutsche Autowerte stecken in den Lingohr-Fonds. "Man sollte die deutschen Autobauer nicht unterschätzen", sagt er. "Die Ingenieure werden die Anpassung an den Elektroantrieb schaffen." Denn die Notwendigkeit sei die Mutter der Erfindung. Zudem seien stärkere strukturelle Brüche in der Wirtschaft eher selten.
Methodisch setzen Vasiljevic und seine Kollegen die Arbeit von Firmengründer Frank Lingohr fort, der im Herbst 2015 verstarb. Mit der hauseigenen "CHICCO"-Methode wählen sie unterbewertete Aktien nach wie vor "emotionsfrei und rational" aus. In das "CHICCO"-Modell fließen klassische Value-Kennziffern wie Dividendenrendite sowie KGV und KBV ein. Ebenso Momentum-, Qualitäts-, Verschuldungs- und Wachstumskennziffern. "Wir kaufen Unternehmen, die günstig bewertet sind und hohe Margen haben", sagt Vasiljevic. "Günstig allein reicht nicht." Wobei die Value-Kennzahlen jedoch am wichtigsten seien. Nur die 20 Prozent attraktivsten Aktien qualifizieren sich schließlich zum Kauf und kommen dann gleichgewichtet in die Portfolios. Zuvor prüfen Vasiljevic und seine Kollegen, ob die "CHICCO"-Auswahl plausibel ist oder außerordentliche Gewinne und Ereignisse berücksichtigt hat. "Wir kaufen in etwa 70 Prozent der Aktien, die uns die Maschine entsprechend unseren Kriterien vorschlägt. Die genaue Entscheidung fallen jedoch die Menschen", sagt Vasiljevic.
Seit dem Jahr 2016 hat Vasiljevic die Methodik weiter verfeinert. "Bei den Ländern haben wir im Multi-Faktor-Modell kleinere Stellschrauben geändert", sagt er. Zudem wurde die Datenbank ausgebaut und die Möglichkeiten beim Backtesting erweitert.
Bei den Kunden sind die Ansätze von Lingohr & Partner derzeit gefragt. Die Assets under Management des Hauses seien auf rund 3,9 Milliarden Euro gestiegen, betont Matthias Graat, Global Head of Business Development bei Lingohr & Partner.