Am Mittwoch verhängten nach den Aufsehern der Europäischen Union und vielen Ländern in Asien weitere Behörden Flugverbote für den erst seit 2017 eingesetzten Flugzeugtyp. Denn zum zweiten Mal seit dem Absturz einer 737 der Lion Air in Indonesien Ende Oktober kam es kurz nach dem Start zur Katastrophe. Mehr als zwei Drittel der bisher betriebenen rund 370 Maschinen bleiben deshalb am Boden, bis Klarheit über die Absturzursache herrscht.
Einmal mehr könnte eine Funktion überprüft werden, die bei einem steilen Start einen Strömungsabriss durch das automatische Absenken der Flugzeugnase verhindert. Es wurde schon beim Lion-Air-Unglück vermutet, falsche Sensordaten hätten den Absturz verursacht, weil der Pilot nicht mehr eingreifen konnte. Es gibt aber noch immer keine Aufklärung. Seither gingen bei der NASA weitere Hinweise von Piloten über dieses Problem ein, wie aus Reuters vorliegenden Dokumenten hervorgeht. Nach Darstellung der Flugbeobachtungs-Plattform Flightradar24 sackte die am Wochenende verunglückte Ethiopian-Maschine nach rund 1000 Fuß Aufstieg ab und ging sofort wieder hoch, bevor sie vom Radar verschwand.
NORWEGIAN: WIR WERDEN DIE RECHNUNG SCHICKEN
Der finanziell angeschlagene Billigflieger Norwegian gehört zu den größten Abnehmern der Boeing 737 MAX in Europa. Die Airline strich am Mittwoch rund drei Dutzend Abflüge aus Skandinavien, buchte die Passagiere um und setze andere Flugzeuge ein. Die Kosten dafür wolle sie nicht selbst tragen, erklärte Airline-Chef Björn Kjos. "Wir werden die Rechnung an die schicken, die die Flugzeuge herstellen", sagte er in einer Videobotschaft.
Sollte das Flugzeug in zwei Wochen wieder freigegeben werden, werde Norwegian kaum Schaden nehmen, erklärte Preben Rasch-Olsen, Branchenexperte beim Broker Carnegie. "Aber wenn sich das bis zu den Osterferien, Mai oder Juni hinzieht, ist es ein Problem." An dem Auftrag für weitere rund 50 Flugzeuge hielt Norwegian aber fest. Auch der Reisekonzern TUI will bis 2023 insgesamt 72 der Jets in der Flotte haben. Ein TUI-Sprecher sagte, der Konzern werde sich zu seinen geschäftlichen Angelegenheiten mit Boeing nicht äußern.
In Branchenkreisen hieß es, auf Boeing kämen nach dem Absturz der Ethiopian-Maschine hohe Schadenersatzforderungen zu. Der Konzern und die US-Luftfahrtbehörde FAA betonen bislang aber, das Flugzeug sei sicher. Die Untersuchungen bisher hätten keine systematischen Leistungsmängel ergeben, auf deren Grundlage ein Startverbot erteilt werden müsste, erklärte FAA-Vertreter Dan Elwell. Auch Boeing-Chef Dennis Muilenberg sagte Insidern zufolge US-Präsident Donald Trump am Telefon, das Flugzeug sei sicher.
Bei dem Ethiopian-Unglück kamen alle 157 Menschen an Bord ums Leben. Die am Montag am Absturzort gefundene Black Box der Unglücksmaschine soll im Ausland ausgewertet werden, weil es in Äthiopien dazu keine Kapazität gebe, teilte die Fluggesellschaft in Addis Abeba mit. Behördenvertreter der USA und Äthiopiens hatten diskutiert, ob das in Washington oder London sein soll. Der Chef von Ethiopian Airlines, Tewolde Gebremariam, erklärte nun im TV-Sender CNN, die Black Box werde nach Europa geschickt.
US-POLITIKER UND GEWERKSCHAFTEN FÜR FLUGSTOPP
Von den großen Luftfahrtländern ließen zuletzt nur die USA und Japan Boeing-Maschinen dieses Typs weiter abheben. Auf den Flugzeugbauer und die US-Flugsicherung wächst aber der Druck, zu handeln. Die drei großen US-Fluglinien Southwest Airlines, American Airlines und United Airlines bekräftigten, sie hätten Vertrauen in ihre Boeing-Flotten. Ethiopian-Chef Gebremariam forderte in einem BBC-Gespräch Boeing auf, alle gut 370 ausgelieferten 737 MAX aus dem Verkehr zu ziehen. Die Airline zieht in Betracht, Aufträge für das Flugzeug zurückzuziehen.
Die Gewerkschaft der Flugbegleiter bei American Airlines, APFA, forderte die Fluggesellschaft unterdessen auf, das Jet-Modell während der noch laufenden Untersuchung nicht einzusetzen. Das Personal könne nicht gezwungen werden, damit zu fliegen, wenn es sich nicht sicher fühlen könne. Die Transportarbeitergewerkschaft TWU stellte die gleiche Forderung an den Chef von Southwest Airlines. Die Pilotenvereinigung bei Southwest hatte dagegen erklärt, sie habe weiterhin großes Vertrauen in die Sicherheit der gesamten Boeing-Flotte.
rtr