Die Krim-Krise hat Investoren massiv verunsichert, die Märkte gingen auf Tauchstation. Mit dem angekündigten Manöverende der russischen Armee an der Grenze zur Ukraine und der Pressekonferenz von Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich die Lage heute etwas beruhigt. Ist das Schlimmste hinter uns? Die Börsenexperten Prof. Max Otte, Robert Halver und Folker Hellmeyer geben Antworten auf die drängendsten Fragen zur Krim-Krise. Folker Hellmeyer: "Attraktive Einstiegsmöglichkeiten"

Angesichts der Krim-Krise sind die Börsen weltweit schwer unter Druck geraten. Ist das nur die Furcht vor einer weiteren Eskalation oder gehen die Anleger nach der anhaltenden Hausse bei jedem kleinsten Alarm-Zeichen in Deckung, um ihre Gewinne abzusichern?

Die Märkte sind nach der Unsicherheiten mit den Schwellenländer nervös. Deshalb reagieren sie mit hoher Risikosensib auf die Situation in der Ukraine. Das ist Ausdruck dafür, dass die Märkte nicht überhitzt und nicht überkauft sind.

Wie schlimm ist die Lage an den Börsen wirklich? Für mich ist die Lage überhaupt nicht schlimm. Die starken Anstiege der letzten Monate müssen erst mal verdaut werden. Mit dem regionalen Konflikt in der Ukraine bieten sich attraktive Einstiegsmöglichkeiten.

Heute morgen hat Russland das Manöver an der Grenze zur Ukraine für beendet erklärt. Ist die Krise jetzt überstanden?

Krise ist nicht überstanden, nimmt aber in der Intensität ab. Gerade die heutige Pressekonferenz von Putin verdeutlicht nochmal, dass Aktionen von Russland kein Schnellschuss waren, sondern sehr wohl eine solide rechtliche Verankerung aufweist. Der Hinweis Putins auf die staatsrechtlichen, nicht begründeten Aktionen der USA in Libyen und dem Irak machen den qualitativen Unterschied Russlands zu den USA deutlich.

Was raten Sie Anlegern vor diesem Hintergrund: Noch abwarten, oder jetzt wieder Positionen aufbauen?

Politische Börsen haben kurze Beine. Entsprechend ist zügiges Handeln erforderlich, um attraktive Einstiegsmöglichkeiten zu bekommen.

Viele setzen auch schon wieder auf die Krisenwährung Gold. Sollten Anleger hier aufstocken?

Ich bin grundsätzlich zuversichtlich dass der Goldpreis über die nächsten Jahre stark steigen wird. Eine Anlageentscheidung auf Grundlage der Ukraine halte ich für unangemessen, weil sie eher einen spekulativen Charakter hätte. Hier sollte ein langfristiges Investment mit Gold im Mittelpunkt stehen.

Am schlimmsten hat es in den vergangenen Tagen ja die russische Börse erwischt. Sehen Sie hier Einstiegsgelegenheiten? Und falls ja: Wo konkret?

Wir sind mit einer Unterbewertung des Rubels konfrontiert. Ich sehe Einstiegschancen, insbesondere für ein Langfristinvestment ist die Gelegenheit äußerst attraktiv. Dies gilt vor allem für Rohstoffaktien. Gazprom ist auf dem aktuellen Niveau sehr interessant.

Und im DAX: Welche Werte sind derzeit besonders interessant?

Alles, was mit Anlagen- und Maschinenbau zu tun hat, ist sehr attraktiv. Denken Sie nur an die alte Kfz-Flotte in Europa. Hier gibt es Aufholpotenzial. Auch im Maschinenbau und im privaten Konsum gibt es gute Gelegenheiten. Auf Seite 2: Börsenexperte Robert Halver im Interview

Robert Halver: Defensive Werte mit hoher Dividendenrendite haben Priorität

Angesichts der Krim-Krise sind die Börsen weltweit schwer unter Druck geraten. Ist das nur die Furcht vor einer weiteren Eskalation oder gehen die Anleger nach der anhaltenden Hausse bei jedem kleinsten Alarm-Zeichen in Deckung, um ihre Gewinne abzusichern?

Für politische Konflikte wie jetzt in der Ukraine gibt es keine historischen Verlaufsmuster. Es sind exogene Schocks von außen, die für Anleger nur schwer einzukalkulieren sind. Und wenn man als Anleger nicht weiß, was auf einen zukommt, geht man zunächst einmal etwas mehr in Deckung und wartet, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

Wie schlimm ist die Lage an den Börsen wirklich?

Bei der Ukraine im Allgemeinen und der Halbinsel Krim im Besonderen haben wir es mit elementaren strategischen Interessen Russlands zu tun. Schon Zarin Katharina die Große wollte einen Zugang zum Schwarzen Meer mit Militärhafen haben und hat ihn schließlich auch bekommen. Diesen Anspruch hat Russland bis heute nicht aufgegeben und Putin wird diesen auch zukünftig definitiv nicht aufgeben. Der Westen mag aufheulen wie ein wütender Wolf. Aber letztendlich wird der Westen sich mit den neuen politischen Fakten in der Ukraine und auf der Krim abfinden müssen. So etwas nennt man Realpolitik. Die Aufgabe des Westens wird darin bestehen, einen militärischen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu verhindern. Denn dann wüsste man einerseits nicht, welche Eskalationsstufen noch drohen, z.B. auch Bürgerkrieg, wo statt kühler Ratio nur aufgestachelte Emotion herrscht. Und andererseits ist dann auch die Versorgung Westeuropas mit russischem Gas, das schwerpunktmäßig über die Ukraine kommt, gefährdet. Und spätestens dann ist die Anlegerpsyche dahin, man verkauft, weil alle verkaufen und die Weltkonjunktur würde massiven Schaden nehmen.

Heute morgen hat Russland das Manöver an der Grenze zur Ukraine für beendet erklärt. Ist die Krise jetzt überstanden?

Wenn Putin, das bekommt, was er haben will, nämlich die Kontrolle über die Krim und eine freundliche Haltung der Ukraine gegenüber Russland, wird sich der Konflikt deutlich abschwächen. Für Putin wäre eine vor der Haustür liegende, pro-westlich orientierte Gesamt-Ukraine, die neben einer EU-Mitgliedschaft längerfristig womöglich auch noch eine Nato-Mitglied anstrebt, ein zu schmerzhafter Stachel im Fleisch des russischen Bären. Der Westen ist dazu verdammt, eine diplomatische Lösung zu finden, die es erlaubt, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren können.

Was raten Sie Anlegern vor diesem Hintergrund: Noch abwarten, oder jetzt wieder Positionen aufbauen?

Die Anleger sollten ihre regelmäßigen Sparpläne in Aktien unbedingt weiterführen. Beim größeren Positionsaufbau müssen Anleger allerdings hohe Kursschwankungen aushalten. Denn politische, schwer einschätzbare Krisensymptome werden uns noch länger beschäftigen. Aber zur Risikobegrenzung gibt es ja entsprechende Finanzinstrumente. Viele setzen auch schon wieder auf die Krisenwährung Gold. Sollten Anleger hier aufstocken?

Ich investiere in Gold und Silber ohnehin seit Jahren mäßig, aber regelmäßig. Für mich sind Gold und Silber lohnende Anlageklassen zum Werterhaltung. Früher oder später werden sie sich angesichts überschuldeter Finanzsysteme und einer üppig bleibenden internationalen Geldpolitik bezahlt machen.

Am schlimmsten hat es in den vergangenen Tagen ja die russische Börse erwischt. Sehen Sie hier Einstiegsgelegenheiten? Und falls ja: Wo konkret?

Für risikobereite, spekulative Anleger sind Investments in den russischen Energiewerten zu überlegen. Das kann aber auch mit Blick auf potenzielle Währungsverluste und eine angeschlagene russische Börsenverfassung nur eine Depotbeimischung sein. Das Gros der Aktien kauft man in den Industrieländern.

Und im DAX: Welche Werte sind derzeit besonders interessant?

Defensive Qualitäten mit hohen Dividendenrenditen haben zunächst Priorität. Allerdings sollte man in Hab-Acht-Stellung sein. Bei nachhaltiger Konfliktberuhigung sind auch zyklische Aktien wieder gefragt. Interessanterweise entwickelt sich der konjunktur- und exportsensitive Aktienindex MDAX weiter besser als der deutsche Aktienleitindex DAX. Darin kommt die Meinung der Börse zum Ausdruck, dass auch dieses Mal die politische Intelligenz siegen wird , auch dieses Mal politische Börsen eher kurze Beine haben werden.


Auf Seite 3: Börsenexperte Prof. Max Otte im Interview

Max Otte: Aktien für die Rendite und Gold für die Sicherheit

Angesichts der Krim-Krise sind die Börsen weltweit schwer unter Druck geraten. Ist das nur die Furcht vor einer weiteren Eskalation oder gehen die Anleger nach der anhaltenden Hausse bei jedem kleinsten Alarm-Zeichen in Deckung, um ihre Gewinne abzusichern?

Im Prinzip - ich sage bewusst "im Prinzip" - stehen die Börsen auf Hausse. Es gibt wenige Alternativen zu Aktien. Einige Märkte (Schweiz, USA, manche Qualitätstitel) sind nicht mehr billig, viele aber schon noch. Es ist also nicht die Gewinnabsicherung, sondern die durchaus berechtigte Angst vor einer Eskalation und einer größeren Krise.

Wie schlimm ist die Lage an den Börsen wirklich?

Sie müssen noch weiter fragen: Wie schlimm ist die Lage in der Welt wirklich? Und da hat die derzeitige Krise zumindest das Potential, sich zu einer Krise unübersehbaren Ausmaßes auszuwachsen. Sie müssen sich das mal überlegen: Die Schwarzmeerflotte ist auf der Krim. Russland wird seit Jahren systematisch aus der EU wirtschaftliche herausgedrängt. Und nun rückt dieses - zumindest Russland gegenüber nicht sehr freundlich eingestellte Gebilde - bis an die Grenze heran. Der Fall des Eisernen Vorhangs war damals möglich, weil der Westen versprochen hatte, seine Militärpräsenz nicht über die Elbe hin auszudehnen. Also hoffen wir, dass es gut geht. Aber die russischen Interessen sind nun sehr existenziell tangiert. Da kann man nichts ausschließen.

Heute morgen hat Russland das Manöver an der Grenze zur Ukraine für beendet erklärt. Ist die Krise jetzt überstanden?

Keinesfalls. Die Krim ist vitales Interessengebiet Russlands.

Was raten Sie Anlegern vor diesem Hintergrund: Noch abwarten, oder jetzt wieder Positionen aufbauen?

Anleger müssen sich bewusst sein, dass wir hier eine duale Situation haben. Die Erholung kann bald kommen, denn die Ukraine alleine ist wirtschaftlich nicht so wichtig. Dann sollte man engagiert bleiben oder sich engagieren. Wenn es allerdings zur Krise kommt, helfen nur harte Assets. Daher rate ich, zweigleisig zu fahren: Aktien für die Rendite und Gold für die Sicherheit.

Viele setzen auch schon wieder auf die Krisenwährung Gold. Sollten Anleger hier aufstocken?

Ja. Wer nicht genug Gold hat, kann bei diesen Preisen aufstocken. Schaden kann es sowieso nicht, da Gold aus meiner Sicht seinen Boden gefunden hat.

Am schlimmsten hat es in den vergangenen Tagen ja die russische Börse erwischt. Sehen Sie hier Einstiegsgelegenheiten? Und falls ja, wo konkret?

Es gibt einige westliche Unternehmen mit Russland-Exposure wie Oriflame S.A., Nokian Tyres, Carlsberg, Fortum, Danone, British American Tobacco Plc, Metro, Buzzi Unicem. Auch Gazprom.neft ist nicht uninteressant.