Bei Kryptowährungen denkt fast jeder nur an Bitcoin. Doch der Blockchain-Pionier hat massenhaft Konkurrenz: Die Plattform CoinMarketCap listete im Juni genau 10 297 Kryptowährungen mit einem gesamten Marktwert von 1,7 Billionen US-Dollar. Während die kleinsten nur den Bruchteil eines Cents kosten und noch keine Investoren haben, sind die größten längst viele Milliarden schwer. Hier sechs wichtige, spannende und charakteristische Coins im Überblick:


Bitcoin

Bitcoin war die erste Kryptowährung überhaupt und ist mit 675 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung immer noch mit Abstand die größte. Das Bezahlsystem ohne Staat und Banken basiert auf einem im Jahr 2008 unter dem Namen Satoshi Nakamoto publizierten Papier. Bis heute ist unklar, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Im Mai 2010 wurde das erste Geschäft mit Bitcoin abgewickelt: Der Software-Entwickler Laszlo Hanyecz aus Florida bot dem damals 19-jährigen Studenten Jeremy Sturdivant Bitcoin, er sollte ihm dafür mit seiner Kreditkarte Pizza bestellen, mit "Zwiebeln, Paprika, Wurst, Pilzen, Tomaten, Peperoni etc. nur Standard-Zeug, keine seltsamen Fisch-Toppings oder so was". Sturdivant ging auf den Deal ein und bekam für die zwei Pizzas 10 000 Bitcoins. Hätte er sie behalten - was er nicht tat -, wären sie heute rund 400 Millionen Dollar wert, etwa so viel wie ein 300 Meter langes Kreuzfahrtschiff.

Mittlerweile akzeptieren zum Beispiel der Computerbauer Dell und der Lieferdienst Lieferando Bitcoin. Allerdings sind Bitcoin-Käufe nach wie vor die absolute Ausnahme, als Zahlungsmittel hat sich das Netzgeld nicht durchgesetzt. Das liegt vor allem daran, dass es sehr kompliziert ist: Bitcoin basiert auf der Blockchain, einer Art elektronischem Kassenbuch, in dem alle Transaktionen gespeichert und in Form von Blöcken aneinandergereiht werden. Wer Rechenleistung zur Verfügung stellt, um Transaktionen abzuwickeln, wird mit neuen Bitcoins belohnt. Das nennt man in Anlehnung an das Schürfen von Gold "Mining". Die "Geldmenge" von Bitcoin ist zudem auf 21 Millionen Coins begrenzt. Bisher sind rund 19 Millionen geschürft. Je näher man der Obergrenze kommt, desto mehr Rechenleistung erfordert das Mining und damit das Bitcoin-System.

Das macht den Bitcoin zum trägen Energiefresser. Pro Sekunde kann das komplizierte Netzwerk weltweit nur sieben Transaktionen abwickeln, jede verbraucht dabei Unmengen Energie. Zum Vergleich: Der Kreditkartenkonzern Visa kann mit der gleichen Strommenge 60 000 Überweisungen tätigen - und das pro Sekunde. Dass das Krypto-Urgestein trotzdem relevant bleibt, liegt mitunter an zwei Dingen: Erstens sehen es Fans als ultimativen Wertspeicher, mit dem man Geld außerhalb des Bankensystems transferieren und vor staatlichem Zugriff schützen kann. Zweitens ist es das bekannteste und beliebteste Spekulationsobjekt der Kryptowelt.


Ethereum

Während Bitcoin als reines Zahlungssystem angelegt ist, geht Ethereum - mit über 300 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung die zweitgrößte Kryptowährung - weit über das hinaus: Die vom russischen Hacker Vitalik Buterin entwickelte Plattform ist eher ein dezentraler Supercomputer samt vielen möglichen Funktionen. Hier arbeiten weltweit viele Tausende Rechner zusammen und bündeln ihre Leistung. Tun sie das, bekommen sie für die bereitgestellte Rechenleistung die systeminterne Währung Ether. Für die Ethereum-Blockchain wurde zudem eine eigene Programmiersprache namens Solidity geschaffen. Mit ihr kann man etwa in jede Transaktion individuelle Vorgaben programmieren oder auf der Blockchain von Ethereum Programme laufen lassen.

Das klingt abstrakt, schafft aber viele konkrete Anwendungen. Die 2015 gestartete Ethereum-Blockchain ermöglichte Nutzern erstmals smarte Verträge ("A bekommt von B ein Ether, wenn Auflage C erfüllt ist."). Mit ihnen können zum Beispiel Maschinen im Internet der Dinge miteinander handeln oder Konzerne mit Kunden oder Lieferanten automatisch Geschäfte abwickeln. Microsoft nutzt die Ethereum-Blockchain beispielsweise für seine Spielkonsole Xbox, um automatisch Lizenzgebühren an Spieleentwickler wie Ubisoft zu überweisen, wenn Xbox-Besitzer Ubisoft-Spiele über die Cloud spielen. Microsoft ist mit anderen Firmen wie der US-Bank JP Morgan oder IBM in der Enterprise Ethereum Alliance zusammengeschlossen, um Anwendungen zu entwickeln. Auch dezentrale Apps, unzählige andere Kryptowährungen und sogenannte NFTs basieren auf der Ethereum-Blockchain. Mit diesen "Nicht austauschbaren Wertmarken" ("Non-fungible Tokens") können Besitzrechte an Dingen wie Kunstwerken, Musik oder Immobilien gehandelt werden.

Geht es nach Ethereum-Schöpfer Vitalik Buterin, ist das alles erst der Anfang. Seine Ethereum Foundation träumt von einer Welt aus dezentralen und unabhängigen Kryptokonzernen, die automatisch und nach vorher festgelegten Regeln agieren. Ob es so kommt und ob das wirklich wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt - zumal die offene Architektur des Netzwerks auch anfällig für Viren und Attacken ist.


Theter

Der Kryptocrash Ende Mai hat Tether direkt in die Top 3 des Krypto-Universums gehoben. Während andere Krypto-Assets an nur einem Tag rund 40 Prozent an Wert verloren, blieb Tether stabil. Der Grund: Während sich der Wert von Bitcoin oder Ether durch Angebot und Nachfrage an den Börsen bildet und so einem wilden Auf und Ab ausgesetzt ist, ist der Wechselkurs von Tether an den US-Dollar gekoppelt "To tether" heißt übersetzt anbinden, ein Tether kostet also immer einen Dollar.

"Stable Coin" genannte digitale Münzen wie Tether sind nicht spektakulär, aber praktisch. Genutzt werden sie oft von Personen oder Firmen, die Zahlungen in Bitcoin akzeptieren, aber nicht mit den massiven Schwankungen der Netzwährung leben können. Tauschen sie die erhaltenen Bitcoins sofort in Tether, befindet sich das Kapital zwar weiter in der digitalen Welt, ist aber vor drohenden Wertverlusten geschützt. Wie beliebt das ist, zeigt die Marktkapitalisierung des 2014 unter dem Namen Realcoin gestarteten Tether: 2019 waren Tether für gerade einmal zwei Milliarden US-Dollar in Umlauf, heute sind es über 60 Milliarden. Neben dem an den Dollar gebundenen Tether gibt es zudem noch an Euro, Yuan oder Gold gekoppelte Varianten.

Die Kopplung wird gewährleistet, indem entsprechende Mengen von Dollar oder Euro als Sicherheit hinterlegt sind. Doch genau das wird immer wieder angezweifelt. Experten fordern deshalb eine unabhängige und öffentliche Prüfung von Tether Limited, der Firma hinter Tether. Weil schon einmal 850 Millionen Dollar bei Tether verschwunden sein sollen, wurde in New York zudem gegen Tether und die mit Tether verbandelte Börse Bitfinex ermittelt. Die Klage wurde im Februar gegen eine Millionenzahlung beigelegt, seither dürfen Tether und Bitfinex in New York aber keine Geschäfte mehr machen.


Cardano

Im April meldete die Schweizer Cardano Foundation, dass Äthiopiens Regierung sein Bildungssystem auf die Blockchain von Cardano heben und für fünf Millionen Schüler digitale Identitäten erstellen, Prüfungen dokumentieren und fälschungssichere Zeugnisse hinterlegen will. Das Projekt ist wegweisend: Cardano fußt wie Ethereum auf der Blockchain und will ein Dienstleister für Staaten, Verwaltungen und Firmen sein - vor allem in Entwicklungsländern. Bald will Cardano Lieferkettennachweise für Rohstoffe wie Kaffee anbieten und der Landbevölkerung in armen Ländern helfen.

Cardano wurde 2015 vom Ethereum- Mitgründer Charles Hoskinson ins Leben gerufen, der Ethereum im Streit verlassen hatte. Auf wissenschaftlicher Basis wollte Hoskinson ein Blockchain-Projekt realisieren, das transparent und offen sein sollte. Als Währung dient der als Gutschein konzipierte ADA-Coin, mit dem man Leistungen bezahlen kann. Es lassen sich aber alle möglichen Krypto-Assets sowie klassische Währungen wie Euro oder Dollar ins System integrieren. Laut Hoskinson können mit Cardano Gesundheitssysteme digitalisiert, Menschen mit Finanzdienstleistungen versorgt oder Grundbücher und Besitzurkunden fälschungssicher verwaltet werden, sogar eigene Börsen sind denkbar. Voraussetzung dafür ist, dass im Netzwerk "smarte Verträge" geschlossen werden können. Genau daran arbeitet Cardano im Moment, die Smart-Contract-Funktionen befinden sich in einer Testphase. Bis sie komplett verfügbar sind, wird es aber noch Monate dauern.


Ripple

Viele Krypto-Assets wollen den Bankensektor überflüssig machen. Ripple nicht: Das Unternehmen, das vom Wagniskapitalfonds von Google mitfinanziert wurde, bietet gezielt Lösungen für die Finanzbranche. Und: Ripple nutzt keine Blockchain. Das Netzwerk ist eher mit einer öffentlichen Datenbank vergleichbar, in der es genau 100 Milliarden Einheiten der systeminternen Währung XRP gibt. Ripple speichert Kontostände und tätigt Überweisungen. Diese erfolgen direkt, sofern sich die Parteien vertrauen. Oder sie sickern (englisch: "to ripple") über mehrere Vertrauenspersonen im Netzwerk von A nach B. Das geht fast in Echtzeit und mit geringem Rechen- und Energieaufwand, weshalb das Ripple-Netzwerk Zehntausende Transaktionen pro Sekunde durchführen kann. Es kann theoretisch auch als Handelsplatz fungieren und Angebote für Güter, Rohstoffe und Devisen vermitteln.

Ein großer Kooperationspartner von Ripple ist die Bank Santander, die einen Teil ihrer internationalen Zahlungen über Ripple abwickelt. Auch viele andere Banken und Finanzdienstleister wie American Express, UBS oder die Bank of America listet Ripple als Kunden - wobei unklar ist, in welchem Umfang diese Ripple nutzen. Außerdem hat Ripple Ärger mit der US-Börsenaufsicht SEC. Diese wirft dem Unternehmen vor, XRP-Coins für 1,3 Milliarden Dollar unangemeldet verkauft zu haben. Die SEC ist der Ansicht, dass XRP sich eigentlich als Wertpapier registrieren und sich damit einer deutlich strengeren Aufsicht und Regulierung beugen müsste.


Dodgecoin

Dogecoin wurde 2013 als Parodie auf Bitcoin entwickelt: Die Kryptowährung mit dem putzigen Hündchen bietet keine Anwendungen, löst kein Problem und ist voll auf Inflation programmiert - die Geldmenge ist unendlich, minütlich entstehen Tausende neue Coins, weshalb diese theoretisch langfristig an Wert verlieren müssten. Klingt wenig attraktiv. Trotzdem hat Dogecoin 48 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung - fast doppelt so viel wie die Deutsche Bank - und ist die sechstgrößte Kryptowährung.

Der Grund: eine augenzwinkernde Lust am Spekulieren. Schließlich ist völlig klar, dass Dogecoin absichtlich als Schneeballsystem konzipiert ist. Gerade deshalb geht die ironische Währung mit dem "WOW" auf der Münze in der Netzwelt viral. Neben Rapper Snoop Dogg ist auch Tesla-Chef Elon Musk Fan. Er ließ abstimmen, ob Tesla Dogecoin-Zahlungen akzeptieren sollte, kündigte an, einen Hündchen-Satelliten zum Mond zu schießen oder twitterte einfach nur "much WOW". Wegen der unschlagbaren Werbung machte der Dogecoin in einem Jahr über 14 000 Prozent Plus. Doch irgendwann dürfte wohl auch dieses Schneeballsystem kollabieren.