Die Strategie des Vorstands kommt gut an. Geht sie mittelfristig auf, sind deutlich höhere Kurse und Bewertungen möglich. Warum das so ist.
SAP-Aktienkurs im Steigflug: Sichtbar mit Begeisterung und Elan berichtete der Vorstand von Europas größtem Softwarekonzern, Vorsitzender Christian Klein (43) und Finanzchef Dominik Asam (53), der im März vom Flugzeugbauer Airbus zu SAP nach Walldorf bei Heidel- berg gewechselt war, über ein starkes 2023 und die Dynamik des Cloud-Geschäfts des weltweit größten Entwicklers von Anwendungssoftware im neuen Geschäftsjahr. Börsianer feierten die Perspektiven des aktuell wertvollsten Unternehmens im DAX mit deutlichen Kursaufschlägen. Die Aktie schaffte ein neues Allzeithoch.
Enormes Potenzial mit Cloud und KI
Nun muss es Klein gelingen, die von ihm, und nun auch von Asam, seit geraumer Zeit beharrlich vorangetriebene Strategie umzusetzen. Es geht darum, die globale Dominanz der Walldorfer bei Software zur Planung und Einsatz der verschiede- nen Ressourcen eines Unternehmens, im Fachjargon Enterprise Resource Planning (ERP) genannt, aus der herkömmlichen Nutzung durch Lizenzen für jeden ein- zelnen Rechner (On-Premise) weitgehend in die Cloud zu übertragen. Zeichnet sich das ab und die aktuellen Zuwächse im Cloud-Business, auch im ERP-Segment SAP S/4HANA, unterstützen das, würde SAPs Story für Anleger zunehmend jener von Microsoft und seines Cloud-Visionärs Satya Nadella gleichen.
Beim Börsenwert und der Bewertung des DAX-Konzerns würde das bei SAP, ähnlich wie bei Microsoft, enormes Potenzial freisetzen. Denn ähnlich wie Microsofts Programm Windows und das Office-Paket ist auch SAPs Software, die darüber hinaus spezifisch an Besonderheiten in verschiedenen Branchen angepasst ist, ein begehrter Standard. Im globalen Markt für ERP-Softwarelizenzen liegt der DAX-Konzern mit rund 12,5 Anteil als Primus deutlich vor Dauerrivale Oracle mit 5,5 und Microsoft mit 2,6 Prozent.
Im ERP-Cloud-Business liegen die Walldorfer indes auf Platz 2, hinter Finanzsoftwareentwickler Intuit, aber noch deutlich vor Oracle und Workday. Der erfolgreiche Aufsteiger aus Pleasanton in Kalifornien bietet ausschließlich ERP-Cloud-Software an. Potenzial für hohes Wachstum während der nächsten Jahre ist vorhanden. Marktforscher IDC erwartet, dass die Investitionen in die verschiedenen ERP-Softwareanwendungen von weltweit über 50 Milliarden im Jahr 2023 bis 2027 auf über 90 Milliarden Dollar zulegen (siehe Grafiken).
Die zusätzlichen Möglichkeiten in der Cloud und bahnbrechende Entwicklungen wie künstliche Intelligenz (KI) dürften den Markt jedoch stark verändern. SAPs US-Rivale Oracle investiert massiv, um die große Transformation zu meistern. Konkurrent Workday wurde in der Cloud gestartet. KI-Algorithmen wie OpenAIs ChatGPT sind auf die hohen Rechenleistungen von Datenzentren angewiesen und können deshalb nur mit Cloud-Versionen von ERP optimal genutzt werden.
KI-Offensive und großer Konzernumbau
Dass SAP diese Herausforderungen nun mit einer Milliarde Euro Investitionen in KI bis 2025, einem groß angelegten, zwei Milliarden Euro teuren Umbau, von dem 8000 Stellen betroffen sind, angeht, liegt deshalb auf der Hand. Dass zudem im Vorstand die zusätzliche Position „Customer Services & Delivery“ geschaffen wird, ist offenbar notwendig. Dass die Kompatibilität der verschiedenen SAP-Programme besser werden muss, hatte Klein schon im April 2020, als er bei SAP allein die Führung übernahm, zur Chefsache erklärt.
Mit dem Umzug von Kunden und Software in die Cloud gewinnt das Thema weiter an Gewicht. Den neuen Job im Vorstand wird Produktionsvorstand Thomas Saueressig (38) übernehmen. Saueressigs Nachfolger als Chef der Produktentwicklung wird Muhammad Alam (46). Alam ist seit Januar 2022 bei SAP und hat davor 17 Jahre bei Microsoft gearbeitet. Den Wandel des Softwareriesen aus Redmont unter Nadellas Führung hat Alam somit aus erster Hand mitbekommen.
Dass Herausforderungen wie KI auch Riesen wie Microsoft, Nvidia oder Alphabet nicht im Alleingang bewältigen können, ist klar. Microsoft verdankt seinen KI-Glanz der Beteiligung an ChatGPT-Entwickler OpenAI. Bei OpenAI-Konkurrent Anthropic ist mit Konzernen wie Amazon, Alphabet und Nvidia auch SAP dabei. Zudem sind die Walldorfer in den USA auch beim KI-Startup Cohere an Bord. Mit Google Cloud baut SAP die Datencloud für KI-Anwendungen, mit IBM Watson sollen digitale Assisten verbessert werden, mit Microsoft die generative KI. An Bord sind die Walldorfer auch bei KI-Aufsteiger Aleph Alpha aus Heidelberg. „Ich will nicht vor den Amerikanern oder irgendwem kapitulieren. Ich glaube, wir haben eine Chance, und die ist es wert, dafür zu kämpfen“, sagt Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis.
Bei ERP muss SAP wie alle anderen in diesem Markt für den Umzug in die Cloud viel Überzeugungsarbeit leisten. Firmendaten sind hier besonders sensibel. Viele Unternehmen haben Bedenken, dass beim Speichern ihrer Daten in der Cloud und bei der Nutzung durch KI andere Einblick bekommen. Der Cloud-Anteil bei ERP ist mit rund 61 Prozent viel niedriger als etwa bei Personalplanungssoftware (HRM) mit rund 83 Prozent oder bei Kundenverwaltungsprogrammen (CRM) mit rund 82 Prozent. SAPs Geschäft läuft jedoch besser als erwartet. Das freut die Aktionäre und die Börse und erleichtert den Umbau. Mit 31,2 Milliarden Euro Umsatz schaffte der Konzern ein Plus von sechs Prozent und begeisterte hier vor allem im Cloud-Business mit einem Zuwachs um 23 Prozent auf fast 13,7 Milliarden Euro.
Ermutigend ist auch die Entwicklung im ERP-Cloud-Geschäft S/4HANA: rund 3,5 Milliarden Euro, 67 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Puffer oder Backlog — bereits zugesagte Erlöse, die 2024 gebucht werden — beträgt rund fünf Milliarden Euro, fast 60 Prozent mehr als im Vor- jahr. Der Cloud-Puffer insgesamt beläuft sich auf gut 13,7 Milliarden, etwas mehr als der Erlös 2023. Das hilft, das für 2024 anvisierte Ziel zu erreichen: 17 bis 17,3 Milliarden Euro Erlös in der Datenwolke, mindestens 24 Prozent mehr. Für 2025 werden wie bisher 37,5 Milliarden Euro Gesamterlös und 21,5 Milliarden Euro aus der Cloud vorausgesagt. Beim operativen Gewinn wurde das mittelfristige Ziel angepasst, weil SAP ab 2024 hier die Kosten für aktienbasierte Vergütungen berücksichtigt. Nun sind zehn statt bisher 11,5 Milliarden Euro das erklärte Ziel.
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