Europa kämpft weiterhin gegen die stark steigende Zahl an Corona-Neu­infektionen an. Die Börsen reagieren mit Kursverlusten, der am Montag ver­öffentlichte Ifo-Geschäftsklimaindex war erstmals seit fünf Monaten rückläufig.

China hingegen, der wichtigste Handels­partner der EU, lässt die Krise zunehmend hinter sich. Damit nicht genug: Als erste große Volkswirtschaft der Welt hat die Volksrepublik den Wachstums­einbruch des ersten Halbjahres wieder ausgebügelt. Im dritten Quartal wuchs die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent - zumindest laut Pekings Statistikamt.

Wenn es so stimmt, ist es schon das zweite Quartalswachstum in Folge. Auf das Minus von 6,8 Prozent im ersten Quartal hatte die Wirtschaftsleistung im zweiten Jahresviertel um 3,2 Prozent zugelegt. China scheint die vielbeschworene V-förmige Erholung tatsächlich zu gelingen - sofern es nicht doch noch zu einer gravierenden zweiten Infektionswelle kommt.

Auch für andere Staaten ist dies eine gute Nachricht, denn China ist für viele Länder - gerade auch für Deutschland - ein wichtiger Exportmarkt. Und tatsächlich stiegen die Importe der Volksrepublik im September im Jahresvergleich um immerhin gut 13 Prozent. Vieles davon ist zwar "staatlich administriert", wie die LBBW in einer aktuellen Analyse schreibt, und bringe daher Probleme in der Zukunft mit sich. In der gegenwärtigen Lage sei dies aber nachrangig.

Bessere Prognosen für die "Alte Welt"


Derweil nehmen in Europa wegen der wieder stark steigenden Covid-19-Infektionszahlen die Sorgen um die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu. Dabei waren zuletzt eher wieder etwas optimistischere Wachstumsprognosen zu beobachten. So hob beispielsweise der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner Herbstprognose die Vorhersagen für das aktuelle Jahr an: Für Deutschland etwa wurde die Prognose für das laufende Jahr von minus 7,8 Prozent auf minus sechs Prozent erhöht, für Frankreich von minus 12,5 auf minus 9,5 Prozent. Passend dazu hieß es im Vorwort des "World Economic Outlook" denn auch: "Dies sind schwierige Zeiten, und doch gibt es einige Gründe für Hoffnung." Ob der einmalige Rückgang des Ifo-Index von 93,2 auf 92,7 Punkte diese Hoffnung wieder zunichte machen wird, bleibt abzuwarten.

Viel hängt jetzt von der Entwicklung im Dienstleistungssektor ab. "Während in vergangenen Rezessionen vor allem Industrie und verarbeitendes Gewerbe Probleme hatten, stand 2020 der Dienstleistungssektor ganz besonders im Fokus", schreibt die Fondsgesellschaft DWS in einer Analyse. Wichtig für die Einschätzung der Lage sei daher der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor. Der hatte sich nach dem verheerenden Einbruch im März deutlich erholt, trübte sich ab August allerdings wieder etwas ein.

Die Lokomotive nimmt Fahrt auf


Weil die Unsicherheiten in Europa und auch in den USA also weiterhin stark sind, kommt China eine immense Bedeutung zu. Nicht nur, dass die jüngsten Wachstumsraten positiv stimmen, nein, es ist auch der Ausblick. Weil man als einzige große Wirtschaftsnation 2020 keine Rezession erlebt, steigt im Gegenzug Chinas relatives Gewicht in der Weltwirtschaft weiter an. Zudem prognostizierte die Weltbank vor wenigen Tagen für 2021 ein Wirtschaftswachstum von knapp acht Prozent. Es scheint also, als ob die Volksrepublik erneut zur Konjunkturlokomotive wird, die den Rest der Welt (hoffentlich) hinter sich herzieht.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com