Für die Material- und Spezialchemiesparte, unter deren Dach die Flüssigkristalle untergebracht sind, stellte er mittelfristig wieder Wachstum in Aussicht. An der Frankfurter Börse verteuerte sich die Merck-Aktie als einer der Dax-Favoriten bis zum frühen Nachmittag um mehr als 1 Prozent.

Im zweiten Quartal steigerte Merck dank Zuwächsen im Labor- und Gesundheitsgeschäft seinen Umsatz um 2 Prozent auf knapp 3,9 Milliarden Euro. Vor allem wegen der Flüssigkristalle ging das Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) um knapp 6 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro zurück. Hier schlugen zudem Investitionen in das Pharmageschäft zu Buche. Unter dem Strich blieb zwar ein deutlich höherer Gewinn von 421 Millionen Euro hängen nach 312 Millionen vor einem Jahr. Grund war aber vor allem, das Merck beim Finanzergebnis ein besseres Händchen hatte.

Die Darmstädter sind im Flüssigkristallgeschäft Weltmarktführer und hatten dank enormer Nachfrage chinesischer Displayhersteller ihren Anteil auf deutlich über 60 Prozent ausgebaut. Doch inzwischen bedienten sich die Chinesen zunehmend verschiedener Zulieferer, weshalb Mercks Anteil zurückgehe, erläuterte Oschmann. Auch wegen des anhaltenden Preisdrucks in dem Bereich rechnet der Manager nun hier im laufenden Jahr mit einem Umsatzrückgang um bis zu 300 Millionen Euro.

Laut Oschmann dürfte sich Mercks Marktanteil bei den Flüssigkristallen in den nächsten zwei Jahren auf 50 bis 60 Prozent reduzieren. Der Umsatz im Display-Geschäft dürfte bis 2022 stagnieren. Dies will er jedoch mit neuen Flüssigkristalltechnologien, den organischen Leuchtdioden (OLED), und anderen stark wachsenden Produkten des Geschäftsbereichs mehr als ausgleichen. "Das Flüssigkristallgeschäft bleibt für uns aber ein attraktiver und profitabler Bereich", betonte der Konzernchef.

Gleichzeitig kündigte Merck einen Wechsel an der Spitze der Material- und Spezialchemiesparte an. Deren Chef soll Kai Beckmann werden, der in der Geschäftsleitung bisher unter anderem für Personalthemen zuständig war. Er löst zum 1. September Walter Galinat auf dem Posten ab, der künftig unter anderem für den Standort Darmstadt und den Einkauf zuständig ist. Die Ablösung von Galinat, der im vergangenen Jahr sein 40-jähriges Jubiläum im Konzern feierte, sei Teil einer lang vorbereiten Nachfolgeregelung, betonte Oschmann.

Auch in der Pharmasparte verspürt Merck Gegenwind durch Umsatzrückgänge bei seinen drei wichtigsten Medikamenten, dem Krebsmittel Erbitux, dem Multiple-Sklerose-Mittel Rebif und dem Fruchtbarkeitsmittel Gonal-f. Andere Mittel fingen dies aber auf, und so verbuchte die Sparte noch ein leichtes Umsatzplus. Das Spartenergebnis ging jedoch zurück, da Merck mehr Geld in seine Medikamentenforschung und -entwicklung steckte.

Dies hat vor allem damit zu tun, dass das Gesundheitsgeschäft derzeit der wichtigste Hoffnungsträger der Darmstädter ist. Denn die lange Zeit als mau geltende Pharmapipeline ist inzwischen wieder gut gefüllt. Neue Medikamente sollen früheren Angaben zufolge bis zum Jahr 2022 zusätzliche 2 Milliarden Umsatz bringen. Seine Hoffnung setzt Merck vor allem auf das Krebsmittel Avelumab (Markenname Bavencio), das bereits für zwei kleinere Indikationen in den USA zugelassen ist und dort laut Oschmann gut anläuft. An vielen weiteren Tumorarten wird noch geforscht. Ganz vorn steht auch der Rebif-Nachfolger Cladribin, für den bald grünes Licht in Europa kommen könnte. Eine Zulassung soll offenbar auch in den USA beantragt werden - Oschmann stellte hier Nachrichten für die kommenden Monate in Aussicht.

Größter Wachstumsträger war im zweiten Quartal erneut die Laborsparte (Life Science), die weiterhin von Synergien dank der milliardenschweren Übernahme des US-Laborausrüsters Sigma Aldrich aber auch von der anhaltenden Nachfrage aus der biopharmazeutischen Industrie profitierte.

Für das laufende Jahr peilt Merck nun bei den Erlösen 15,3 bis 15,7 Milliarden Euro an. Die obere Spanne hatte bisher bei 16,0 Milliarden Euro gelegen. Das um Sondereffekte bereinigte Ebitda soll weiterhin 4,4 bis 4,6 Milliarden Euro erreichen./tav/stw/fbr