Landauf, landab beklagen Ökonomen eine grassierende Investitionsschwäche. Das gilt für Unternehmen und den Staat gleichermaßen. Seit 2004 halten die staatlichen Investitionen nicht mit den Abschreibungen Schritt. Der Staat fährt auf Verschleiß. Bröckelnde Brücken, marode Schleusen und Schlaglochpisten sind das Ergebnis. Die vernachlässigte Infrastruktur lädt immer weniger zu Investitionen in Deutschland ein. Würden sich die Gewerkschaften weniger für Sozialtransfers und mehr für die Infrastruktur einsetzen, könnten sie das Fundament der Arbeitsplätze stärken. Insbesondere in den Aufsichtsräten sollten Gewerkschaftsvertreter aktiv(er) werden. Hier bleiben Potenziale leider ungenutzt. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Ist es falsch verstandene Kumpanei oder Unkenntnis hinsichtlich wirtschaftlicher Kennzahlen?
Arbeitnehmer sitzen hierzulande in vielen Aufsichtsräten. Bei rund 600 Unternehmen mit "paritätischer Mitbestimmung" besetzen die Vertreter der Arbeitnehmer die Hälfte der Plätze in den Aufsichtsgremien. In weiteren 1500 Gesellschaften entfällt auf die Arbeitnehmerbank immerhin ein Drittel der Aufsichtsratsmandate. Damit könnten die Arbeitnehmervertreter in über 2000 Gesellschaften auf mehr Investitionen hinwirken. Diese Chancen werden aber kaum genutzt. Viele börsennotierte Konzerne verwenden die steigenden Gewinne stattdessen für Aktienrückkäufe. Böse Zungen behaupten, dass die Rückkäufe oftmals einem sehr trivialen Ziel dienen: Der Gewinn je Aktie für die am Markt verbleibenden Papiere steigt, und die damit verknüpften Boni der Vorstände werden "optimiert". Gleichzeitig stagnieren die Investitionsbudgets.
Hier bieten sich Koalitionen mit dem Kapital an. Arbeitnehmer und Kapitalvertreter könnten Hand in Hand für mehr Investitionen streiten. So schrieb Blackrock-Boss Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters: "Zu viele Firmen haben ihre Kapitalausgaben zurückgefahren oder sogar höhere Schulden gemacht, um Dividenden und Aktienrückkäufe zu steigern." Stattdessen fordert Fink in seinem offenen Brief die DAX-Vorstände dazu auf, mehr zu investieren. Die Fondsgesellschaft hat weniger die nächsten Quartalszahlen als die langfristige Steigerung der Unternehmenswerte im Blick. Auch Arbeitnehmervertreter sollten stärker die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Arbeitnehmervertreter könnten zum Anwalt höherer Investitionen in Forschung- und Entwicklung werden. Nur wenn die Unternehmen ihr Know-how beständig erweitern, können sie auf den Weltmärkten bestehen und neue Arbeitsplätze schaffen. Das sollten Gewerkschaftler auch für sich selbst beherzigen. Nur wenn keine sinnvollen Möglichkeiten für wertschaffende Investitionen bestehen, können Aktienrückkäufe ratsam sein. Denn es ist zweifelsohne sinnvoller, aufgelaufene Gewinne an die Aktionäre zurückzugeben, als das Kapital in sinnlose Projekte zu pumpen oder anderweitig zu vergeuden. Fakt aber ist: Derzeit wird zu wenig investiert. Fehlt der Mut, oder fehlen die Ideen? Bevor also die Dividenden weiter steigen oder Aktienrückkäufe auf die Tagesordnung der Hauptversammlung gesetzt werden, gilt es, die Chancen für organisches Wachstum zu nutzen. Wird das Management nicht in diesem Sinne aktiv, sollten Gewerkschaftler sich in den Aufsichtsräten für mehr Investitionen einsetzen.
Dabei können sie "Seit an Seit" mit langfristig agierenden Vermögensverwaltern marschieren. Arbeitnehmervertreter müssen nur ihre Scheu vor dem Kapital überwinden, über den eigenen Schatten springen und sich gemeinsam mit langfristig denkenden Investoren für eine produktivere Gewinnverwendung einsetzen. Innovationen werden vom Kapitalmarkt gern finanziert. Das Silicon Valley lässt grüßen. Also raus aus den ideologischen Schützengräben und mit dem Aktienrecht unterm Arm für mehr Investitionen kämpfen.