Doch die Sitzgruppen könnten bald ausrangiert werden. Denn das angestammte Geschäft der Rückversicherer steht extrem unter Preisdruck, seit neue Billig-Anbieter auf den Markt drängen. Um sich trotzdem zu behaupten, müssen Traditionskonzerne wie Swiss Re und Münchener Rück neue Wege gehen. Sie suchen sich Nischen mit neuen, schwerer kalkulierbaren Risiken, die mit herkömmlichen Methoden als nicht versicherbar galten.

So arbeitet die Branche fieberhaft an Policen gegen Cyber-Angriffe, und sogar Betreiber von Solaranlagen können sich gegen zu wenig Sonne versichern. Doch um darüber zu sprechen, reicht die eine Stunde auf den weichen Polstersesseln längst nicht. "Baden-Baden ist für unser Geschäft nicht entscheidend", sagt Heike Trilovszky, die zum ersten Mal als Deutschland-Chefin von Branchenführer Münchener Rück in der badischen Kurstadt ist. "Wenn ich beim Kunden wirklich etwas bewegen will, dann schaffe ich das nicht in der hektischen Erneuerungsphase."

"Die Erstversicherer schauen sehr stark darauf, welchen Anspruch ihr Rückversicherer hat", sagt Frank Reichelt, der das Geschäft der Swiss Re in Deutschland und Skandinavien führt. Und was er besser könne als andere. Der Rückversicherer werde zu einer Art Unternehmensberater. Doch dazu seien nur die zwei oder drei Branchengrößen fähig. "Der Zusatznutzen muss greifbar sein", sagt Trilovszky.

"Statt einen teuren Berater anzuheuern, zahlen die Versicherer lieber dem Rückversicherer ein bisschen mehr." Das Geschäft habe sich gewandelt für alle, die sich nicht auf den Preiskampf einlassen wollen. "Wir haben im deutschen Markt in vielen Kundenbeziehungen andere Preise als die Konkurrenz. Wer nur Standard und billig will, findet andere Anbieter."

Im Kerngeschäft sind die Patzhirsche längst nicht mehr allein



Denn bei Verträgen von der Stange wie im Naturkatastrophen-Geschäft, wo sich die Erstversicherer etwa gegen die Folgen der jährlichen Herbststürme in Nordamerika absichern, sind die Platzhirsche längst nicht mehr allein. "Rückversicherer haben keinen Kopierschutz", bringt es Professor Stefan Materne von der Technischen Hochschule Köln auf den Punkt. Hedgefonds und andere Großinvestoren mit tiefen Taschen haben die Rückversicherung als neues Spielfeld entdeckt und 70 Milliarden Dollar in die Branche gepumpt. Denn sie verspricht immer noch lukrativere Renditen als andere Geldanlagen - so lange große Katastrophen ausbleiben, für die sie einstehen müssten.

Die neue Konkurrenz werde jedenfalls auch dann nicht einfach wieder verschwinden, wenn die Zinsen für andere Anlagen wieder steigen, ist sich die Branche sicher. Sogar in Baden-Baden sind die Hedgefonds hoffähig geworden - und drücken ordentlich die Preise. Um mehr als zehn Prozent könnten sie in der jüngsten Erneuerungsrunde zurückgehen, prognostiziert der Makler Guy Carpenter. "Wenn man ein normales Schadenjahr unterstellt, also mit mehr Naturkatastrophen als wir sie 2015 erlebt haben, ist nicht mehr viel Luft drin", sagt Swiss-Re-Manager Reichelt.

Kommt die Rückversicherungsbörse?



Dazu kommt: Die Versicherungskonzerne werden größer und können mehr Risiken selbst tragen. "Die Kunden reduzieren auch die Zahl ihrer Rückversicherer. Tendenziell verlieren dadurch die Kleinen, auch weil sie leichter ersetzbar sind", erläutert Reichelt. Denn sie hätten oft nicht mehr zu bieten als reinen Risikotransfer.

Das Massengeschäft müsse künftig anders abgewickelt werden, etwa über eine Art von Börse, glaubt Trilovszky. "Das kann auf Platzierungsplattformen überführt werden. Bei Standardprodukten wird es um Effizienz gehen. Denn damit wird man nicht mehr viel Geld verdienen können." Doch dort werde der Preisdruck eher noch höher sein als im Kurstadt-Ambiente von Baden-Baden.

Wie schnell das alles geht? "Bisher haben wir nur graduelle Veränderungen gesehen", sagt Trilovszky. "Aber es kann sein, dass sich die Welt der Rückversicherung durch neue Technologien und Daten grundlegend wandelt." Bisher, so räumen Manager mehr oder weniger offen ein, sei die Branche bei IT und "Big Data" schlechter als ihr Ruf. Die Digitalisierung biete die Chance, die Kunden endlich richtig zu verstehen, gibt sich Jan-Oliver Thofern, Deutschland-Chef des Maklers Aon Benfield, hoffnungsfroh.

Dann könnten auch die Zeiten, in denen in den Polstersesseln von Baden-Baden Verträge im Milliardenvolumen unter vier oder sechs Augen ausgehandelt werden, vorbei sein. Die meisten, die in "Brenners Park-Hotel" diskutieren, erwarten aber keine Revolution. "Wir werden auch in fünf oder zehn Jahren ähnliche Rückversicherungsprodukte verkaufen", sagt Reichelt. "Aber sie werden sich weiterentwickelt haben." Schon als er 1983 in der Rückversicherung angefangen habe, hätten ihre einige binnen zehn Jahren das Aus prophezeit. "Nichts davon ist eingetreten. Es gibt sie noch immer."